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Karl Schiewerling
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Frage von Jörn K. •

Frage an Karl Schiewerling von Jörn K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schiewerling,

in Baden-Württemberg hat sich eine bürgerliche Opposition gegen das Projekt "Stuttgart 21" gebildet. Ganz normale Menschen, vom Schüler bis zum Rentner, protestieren hier friedlich und erleben, wie hilflos sie gegenüber einer Regierung sind, die sie nur alle 4 Jahre wählen können.

Gestern entschieden Herr Stefan Mappus (CDU) und Herr Heribert Rech (CDU) mit Unterstützung von Frau Angela Merkel (CDU), Wasserwerfer und tausend Polizisten in Kampfanzügen und mit Pfefferspray bewaffnet, Fakten zu schaffen und den Schlosspark mit Gewalt räumen zu lassen.

Egal wie man zu diesem Projekt steht: Kann es richtig sein, das Politiker gegen ein so gemischtes Bündnis aus Bürgern nur noch mit einer Machtdemonstration antworten können?

"Gewalt ist die letzte Zuflucht der Unfähigen" (Isaak Asimow)

Versuche des CDU Fraktionsführers Peter Hauk, die Demonstrierenden als "gewaltbereite Steinewerfer" zu diffamieren mussten bereits kurze Zeit später wieder dementiert werden.
Statt dessen kritisierten Kirchen und Verbänden die Härte im Vorgehen der Regierung.

Wie wird es bei zukünftigen, bürgerlichen Demonstrationen, zum Beispiel gegen die Verlängerung der Atomkraftwerks-Laufzeiten, zugehen? Sollte die friedliche Sitzblockade nicht als legitimes Mittel der Meinungsäußerung "entkriminalisiert" werden?

Halten Sie es für richtig, die Hilflosigkeit der Bürger gegenüber politischen Entscheidungen auf die Art wie in Stuttgart zu demonstrieren?

Quellen:
http://www.ftd.de/politik/deutschland/:buerger-contra-staatsmacht-es-ist-eine-art-stellungskrieg/50176935.html
http://www.welt.de/politik/deutschland/article9658404/Merkel-ueberrascht-mit-Kampfgeist-fuer-Stuttgart-21.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,720612,00.html
SWR Fernsehen: "Zur Sache Baden-Württemberg!" vom 30.9.2010, 20:15 Uhr

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Krüger,

ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Frage bezüglich der aktuellen Diskussion um das Bauprojekt „Stuttgart 21“.

Die Szenen, die sich während der Demonstration am 30. September 2010 in Stuttgart abgespielt haben, dürfen sich unabhängig davon, ob es für die Vorgehensweise der Polizeikräfte nachvollziehbare Gründe gab, in Zukunft nicht wiederholen. Es muss alles daran gesetzt werden, solche gewaltsamen Auseinandersetzungen zu vermeiden, sowohl auf der Seite der Ordnungskräfte, als auch auf der Seite der Projektgegner. Ich wünsche mir, dass Demonstrationen dieses Ausmaßes friedlich verlaufen.

Bedauerlicherweise gibt es jedoch immer wieder einige gewaltbereite Aktivisten in den Reihen der Demonstranten, die friedliche Massenkundgebungen als Plattform nutzen, um ihre Gewaltbereitschaft im Schutz der Menge auszuleben und dabei auch unschuldige Menschen mit hineinziehen. Wie mir berichtet wurde, soll es schon in der Vergangenheit bei größtenteils friedlichen Protesten gegen Stuttgart 21, immer wieder zu Grenzüberschreitungen gekommen sein und vereinzelt auch zu Gewalttaten.

Der von Ihnen als „Machtdemonstration“ bezeichnete hohe Einsatz der Polizeikräfte war jedoch erforderlich, um geltendes Recht umzusetzen, wozu eben auch die Räumung eines besetzten Geländes, für das eine rechtmäßig erteilte Baugenehmigung vorliegt, gehört. Dabei ist es jedoch von Bedeutung, dass die Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Mittel gewahrt bleibt.

Das Bauvorhaben Stuttgart 21 wurde während des gesamten Planungszeitraums von über 15 Jahren auf allen politischen Ebenen demokratisch legitimiert. Der Stuttgarter Stadtrat, die Regionalversammlung, der Landtag und der Deutsche Bundestag haben dem Projekt zugestimmt, wodurch das Zukunftsprojekt auf einer breiten demokratischen Basis beruht. Ob jedoch auch die Bürger dabei „mitgenommen“ wurden, kann ich nicht beurteilen. Damit meine ich, dass formale Beteiligungsrechte etwas anderes sind, als das bewusste Einbinden von Bürgern und Initiativen im Vorfeld und das Kommunizieren von notwendigem und möglicherweise für die Bürger problematischem Vorgehen, wie zum Beispiel dem Fällen von Bäumen.

Da durch Sitzblockaden, wie sie in Stuttgart durchgeführt wurden, Eigentumsrechte verletzt werden, ist eine von Ihnen vorgeschlagene „Entkriminalisierung“ von Sitzblockaden nicht zu realisieren. Ungeachtet dessen ist die im Grundgesetz verankerte Demonstrationsfreiheit ein wichtiger Bestandteil eines demokratischen Systems, von dem jeder Bürger Gebrauch machen kann. Demnach ist es erfreulich zu sehen, wie viele Menschen dieses Instrument der Partizipation immer wieder nutzen. Eine lebendige Demokratie zeichnet sich insbesondere durch Toleranz und Respekt gegenüber anderen Ansichten, Einstellungen und Meinungen aus.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass öffentliche Protestbewegungen Projekten, die von Parlamenten demokratisch legitimiert wurden, nicht die Rechtmäßigkeit entziehen, auch wenn die vorgebrachten Anliegen natürlich ernst genommen werden müssen. Es ist nun wichtig, dass auf der Seite der Bauherren, aber auch auf der Seite der Projektgegner weiteres Verständnis füreinander entwickelt wird und im Rahmen der Schlichtungsgespräche miteinander kommuniziert wird. Ich setze da auf Heiner Geißler, der nun als Vermittler tätig ist.

Es ist von essentieller Bedeutung, dass beide Seiten aufeinander zugehen und sich weiter gemeinsam lösungsorientiert an einen Tisch setzen, um sich auszutauschen, Transparenz zu schaffen und unter Leitung des Schlichters Heiner Geißler darüber zu sprechen, wie mögliche Optimierungen umsetzbar sind, damit es zu konstruktiven und gewaltfreien Lösungen kommen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Karl Schiewerling