Frage an Karl Klein von Albert W. bezüglich Wirtschaft
Können Sie mir erklären, warum wir TTIP brauchen, obwohl inzwischen führende
Wirtschaftswissenschaftler davor warnen. Wieso wird dieses Thema so geheimnisvoll von den zuständigen Stellen behandelt.Wäre es nicht demokratischer dieses Thema in der Öffentlichkeit zu behandeln, damit jeder weiss was auf uns zukommt.
Sehr geehrter Herr Weis,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema TTIP. Gerne möchte ich auf Ihre Anfrage eingehen.
TTIP steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership – zu Deutsch „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“. Dabei geht es um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen der EU und den USA, der beiden Seiten Vorteile bringen soll. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen Erleichte-rungen für Handel und Investitionen auf beiden Seiten des Atlantiks.
Offene Märkte kommen sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern zugute. Freier Handel begünstigt Wettbewerb und somit Wachstum und Beschäftigung. Das haben schon die guten Erfahrungen mit dem bestehenden gemeinsamen Markt innerhalb der EU bewiesen.
Die EU und insbesondere auch Deutschland profitieren in hohem Maße von internationalem Handel und grenzüberschreitenden Investitionen. Die EU ist die weltweit größte Exporteurin und Importeurin von Waren und Dienstleistungen, sowie eine der wichtigsten Investorinnen und Empfängerinnen von Investitionen. Ihr Handelsvolumen mit dem Nicht-EU Ausland hat sich allein zwischen 1999 und 2010 verdoppelt. Deutschland als größter Volkswirtschaft der EU und drittgrößtem Exporteur weltweit kommt diese Entwicklung besonders zugute. Das gilt insbesondere auch für uns in Baden-Württemberg. Der Anteil der Exporte am deutschen Bruttoinlandsprodukt liegt bei rund 50%. Heute hängt jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland mittel- oder unmittelbar am Export. Im Industriesektor betrifft dies sogar die Hälfte der Arbeitsplätze. Studien im Auftrag des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung sowie der Bertelsmann Stiftung zufolge könnte das TTIP allein in Deutschland rund 180.000 neue Arbeitsplätze entstehen lassen. Eine im Auftrag der EU-Kommission erstellte Studie schätzt den Wachstumsimpuls durch TTIP für das Bruttoinlandsprodukt zehn Jahre nach Abschluss eines umfassenden Abkommens auf rund 119 Milliarden Euro pro Jahr (d.h. einen Wachstumseffekt von 0,5 Prozent) auf europäischer Seite. Zwar kommen verschiedene Studien zu teils variierenden Ergebnissen hinsichtlich der konkreten Effekte. Dies hängt u.a. mit den unterschiedlichen zugrunde liegenden Annahmen etwa zum Ambitionsniveau eines Abkommens oder zur Höhe der verbleibenden Zölle zusammen. I. Erg. kommt jedoch die deutliche Mehrheit der Studien zu dem Ergebnis, dass TTIP signifikante Wohlstandsgewinne auf beiden Seiten des Atlantiks bringt.
Deutschland ist innerhalb der EU der mit Abstand wichtigste Handelspartner der USA: Rund ein Drittel aller EU-Exporte in die USA kommen aus Deutschland. Die USA sind für deutsche Firmen der zweitwichtigste Absatzmarkt – mit weiterem Wachstumspotential.
Die USA sind jedoch nicht nur Handelspartner - uns verbinden gemeinsame Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und große individuelle, wirtschaftliche und politische Freiheit. Verbraucherschutz wird nirgends so groß geschrieben wie im transatlantischen Markt. In einer Zeit von globalen Krisen und aufstrebenden Gestaltungsmächten wie China oder Russland gilt es, als Partner in einer transatlantischen Wertegemeinschaft auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen, sie mitzugestalten und so weltweite Standards zu setzen–sonst tun es andere Länder ohne Einwirkungsmöglichkeiten unsererseits. Im Einigungsfall entstünde ein Wirtschaftsblock, der rund 50% der Weltwirtschaft in sich vereinte und so auf Jahrzehnte sicherstellen könnte, dass die Spielregeln der Wirtschaft weltweit weiterhin vom Westen aufgestellt würden. Eine enge transatlantische Partnerschaft ist nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch unter außen- und sicherheitspolitischen Aspekten von größter Bedeutung.
Diese Umstände belegen, dass der freie Handel für Europa und Deutschland nicht nur wünschenswert, sondern vielmehr Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Prosperität und damit für den Erhalt von Lebensqualität, Sicherheit und hohen sozialen Standards ist. Als einzige politische Kraft im Bundestag hat die Unionsfraktion deshalb nie Zweifel daran gelassen, dass sie der Vertiefung der transatlantischen Partnerschaft und dem Abschluss von TTIP höchste und uneingeschränkte Priorität beimisst.
Normalerweise sind internationale Vertragsverhandlungen nicht öffentlich. Das hat auch gute Gründe. Es ist taktisch unklug, dem Gegenüber die eigene Strategie und Rückfallpositionen zu offenbaren und somit die eigene Verhandlungsposition zu schwächen. Dennoch haben die TTIP-Verhandlungen inzwischen ein Ausmaß an Transparenz erreicht, wie es bei keinem der zahlreichen EU-Handelsabkommen in der Vergangenheit jemals erreicht worden ist. In Reaktion auf die öffentlichen Forderungen nach noch mehr Transparenz hat auch die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström eine weitergehende Transparenzinitiative versprochen und bereits erste Schritte in diese Richtung veranlasst. Seit Januar 2015 stellt die Europäische Kommission in regelmäßigen Abständen Originaldokumente und Informationsmaterial öffentlich zur Einsicht im Internet zur Verfügung.
Seit dem 01.02.16 können Mitglieder des Deutschen Bundestages überdies in den Räumlichkeiten des BMWi die konsolidierten Verhandlungsdokumente zum TTIP-Abkommen zu den vom BMWi vorgesehenen Öffnungszeiten einsehen. (Öffnungszeiten Mon-Don: 10-12 Uhr und 14-16 Uhr).
Ich hoffe, dass ich damit Ihre offenen Fragen klären konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Karl Klein, MdL