Frage an Karl-Heinz Florenz von Hans-Joachim W. bezüglich Gesundheit
Als Bioimker frage ich sie, ob sie der Honig-Richtlinie des EU-Parlamentes zugestimmt haben? Ich bemühe mich seit Jahren gentechnikfreien Honig zu produzieren. Mit der Annahme der Richtlinie braucht gentechnnisch veränderter Pollen nicht mehr gekennzeichnet werden. Ich halte dies für eine Rückschlag im Verbraucherschutz gegen die Bemühungen aller Bioimker Honig ohne genteschnischen Bestandteile zu gewinnen.
Sehr geehrter Herr Werner,
vielen Dank für Ihre Nachricht auf abgeordnetenwatch.de in Bezug auf die EU-Honigrichtlinie, zu der ich gerne Stellung nehmen möchte. Ich verstehe Ihre Sorgen und die Bedenken bzw. die Skepsis vieler Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf gentechnisch veränderte Lebensmittel. Auch ich bin der Meinung, dass wir in Europa gerade im Bereich der Lebensmittel auf Gentechnik verzichten können.
In Bezug auf die sogenannte EU-Honigrichtlinie geht es um die grundlegende Frage, ist Pollen ein natürlicher Bestandteil des Honigs oder eine Zutat. Die Europäische Kommission vertrat in ihrem Vorschlag zur Überarbeitung der 2001 verabschiedeten Honigrichtlinie die Ansicht, dass das entsprechende Urteil des Europäischen Gerichtshofs, in dem Pollen als Zutat von Honig definiert wird, sachlich nicht korrekt und problematisch ist, da es die internationale Praxis und die Normen des Codex Alimentarius außer Acht lässt. Deshalb müssen die Bestimmungen klargestellt werden.
Ich habe dem zwischen dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten ausverhandelten Kompromisstext über die Honigrichtlinie zugestimmt, der ebenso, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, Pollen als natürlichen Bestandteil definiert und nicht als Zutat. Die Änderung der Honigrichtlinie soll vor allem Rechtssicherheit schaffen und war eine notwendige Reaktion auf das EuGH-Urteil, wonach Pollen als Zutat zu Honig hätte gekennzeichnet werden müssen. Da Pollen aber – nebenbei und unbeabsichtigt – in geringen Mengen in den von den Bienen gesammelten Nektar und damit auch in den Honig gelangen, ist das Vorhandensein des Pollens im Honig "zufällig" und/oder "technisch nicht vermeidbar".
Wenn Pollen eine Zutat wäre, würde Honig lebensmittelrechtlich nicht mehr als Naturprodukt eingestuft und dürfte auch nicht mehr als solches beworben werden. Schließlich muss ein Naturprodukt so sein, wie die Natur es hervorbringt. Pollen als Zutat hätte außerdem in der Zutatenliste ausgewiesen werden müssen. Die exakte Messung des Pollengehalts ist technisch aufwendig und kostspielig. Zudem wäre laut EU-Lebensmittelinformationsverordnung (EG) Nr. 1169/2011 eine Nährwert-Tabelle nötig gewesen, inkl. einer Nährwertanalyse, die ebenfalls mit Kosten für die Imker verbunden gewesen wäre. Der Anteil an Pollen im Honig ist jedoch sehr gering. Gemäß der bisherigen EU-Honigrichtlinie (2001/110/EG) und der deutschen Honigverordnung darf Honig maximal 0,1 g/100 g unlösliche Bestandteile inkl. Pollen enthalten (Presshonig max. 0,5 g/100 g).
Ich möchte betonen, dass es sich bei der Überarbeitung der Honigrichtlinie um eine rein lebensmittelrechtliche Frage der Klarstellung handelt, nicht aber um Gentechnikgesetzgebung. Die des Öfteren aufgestellte Behauptung, mit der neuen Honigrichtlinie solle die Verunreinigung von Honig mit Pollen genetisch veränderter Organismen (GVO) vertuscht werden, zielt daher ins Leere. Nach geltendem EU-Recht müssen alle Lebensmittel besonders gekennzeichnet werden, wenn sie einen GVO-Gehalt von mehr als 0,9 % aufweisen. Dies hatte auch der Europäische Gerichtshof unterstrichen, und weder das Europäische Parlament, noch die Europäische Kommission wollen diese Regelung anfechten.
Aus Sicht meiner Fraktion wäre eine verpflichtende GVO-Kennzeichnung unterhalb dieses Schwellenwerts für die Verbraucher irreführend gewesen. Zum Vergleich: Für Öko- und Bio-Siegel liegt die Grenze für den GVO-Anteil bei 9 g/kg. Verunreinigungen durch zugelassene GVO sind bis zu dieser Grenze in Deutschland von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen, wenn der Hersteller nachweisen kann, dass es sich um zufällige oder technisch unvermeidbare GVO-Einträge handelt. Der Anteil von Pollen im Honig (außer Presshonig) liegt allerdings – wie oben bereits angegeben – bei maximal 1 g/kg. Damit würde selbst Honig, der zu 100% aus Pollen aus GVO hergestellt wurde, immer noch das Kriterium des Bio-Siegels erfüllen. Der Schwellenwert für die Kennzeichnung von Honig als GVO-Produkt würde um ein Vielfaches niedriger liegen als der Schwellenwert für die GVO-Kennzeichnung bei Bioprodukten. Das diskriminiert nicht nur die Imker, sondern würde auch die Verbraucher über den tatsächlichen GVO-Gehalt in die Irre führen. Auch das Messen des Anteils an GVO-Pollen ist technisch schwierig und hätte relativ hohe Kosten für die Imker bedeutet.
In der EU gilt für GVO in Lebensmitteln zum Schutz der menschlichen Gesundheit ein Verbot mit Genehmigungsvorbehalt. Dies bedeutet, dass GVO in Lebensmitteln nur erlaubt sind, wenn sie sicherheitsbewertet wurden und über eine entsprechende Zulassung in der EU verfügen. Die Europäische Kommission hat mit ihrem Vorschlag zur Revision der Honigrichtlinie, dem das Europäische Parlament mit seiner Abstimmung Mitte April gefolgt ist, zu keiner Zeit die Tatsache in Frage gestellt, dass GVO-Material in Lebensmitteln gemäß der EU-Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel zugelassen sein muss. Deshalb darf ein Honig, der Pollen aus GVO enthält, die in der EU nicht zugelassen sind, auch nicht in der EU auf den Markt gebracht werden – unabhängig davon, ob Pollen ein natürlicher Bestandteil oder eine Zutat wäre. Das heißt, die EU hält am Prinzip des gesundheitlichen Verbraucherschutzes fest.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen die Hintergründe für mein Abstimmungsverhalten näher bringen konnte, und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Karl-Heinz Florenz MdEP