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Karl-Heinz Florenz
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Frage von Herbert D. •

Frage an Karl-Heinz Florenz von Herbert D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Werter Herr Florenz,

es ist bedrückend zu erfahren, wie die soziale Lage der Menschen in Rumänien und Bulgarien ( http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F05%2F10%2Fa0147&cHash=cbfbd0a463adf0aa8f2e06cd396a4333 ) ist. Könnte es sein, dass die Aufnahme der "armen" Länder Rumänien und Bulgarien in die EU nicht durchdacht und ideoligiebetrieben (Erweiterung der Freihandelszone im Interesse der Wirtschaft) war?
Die Menschen in diesen Ländern bleiben auf der Strecke, denn die Armut möchte die Europäische Union nicht "eingliedern" ( http://www.migazin.de/2013/03/11/veto-in-brussel-friedrich-verhindert-schengen-beitritt-von-bulgarien-und-rumanien/ ). Dabei suchen diese Menschen bei uns nur Arbeit ( http://www.wdr.de/tv/westpol/sendungsbeitraege/2013/0224/migration.jsp ), Frieden und ein bisschen Glück. Welches Ideal und welche Maßnahmen sind von der EU-Kommission angedacht um die Armut (u.a. auch Bildungsarmut), die Wirtschaftsschwäche und die Arbeitslosigkeit in Rumänien und Bulgarien zu bekämpfen?

Aber da gibt es in diesem Zusammenhang noch ein anderes Problem, nämlich der "Menschenhandel" in der EU ( http://www.dw.de/der-menschenhandel-in-der-eu-nimmt-zu/a-16745852 ). Deutschland hat auch hier wieder eine negative Rolle übernommen, gehört sie zu den Ländern die die EU-Richtlinie nicht in ein Gesetz verankert hat ( http://www.welt.de/politik/deutschland/article115304462/Menschenhandel-EU-Kommissarin-ruegt-Deutschland.html ). Wie können Sie Ihren Einfluss auf die Bundesregierung ausüben um diese zu deutlich mehr Engagement zu drängen?
Wie stellt sich die EU auf um den Menschenhandel innerhalb der EU und weltweit ( http://menschenhandelheute.net/zahlen-daten-und-fakten/l sowie http://www.bild.de/politik/ausland/menschenhandel/eu-schockstudie-weltkarte-des-menschenhandels-30007828.bild.html ) zu bekämpfen?

Mit freundlichen Grüßen

Herbert Derksen

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Derksen,

zunächst einmal darf ich Ihnen für Ihre nochmalige Anfrage danken. Anfang April wandten Sie sich ja bereits einmal direkt (per Email) an mich. In meiner damaligen Antwort hatte ich Ihnen meine Position zur Integration bzw. zur Zuwanderung und speziell zu Rumänien und Bulgarien bereits allgemein dargestellt.

Gern gehe ich aber auch in diesem Forum nochmals auf Ihr Anliegen und Ihre Fragen ein:

Ich hatte in meiner letzten Antwort ja u.a. auf eine Pressemitteilung des Vorsitzenden der EVP-Fraktion hingewiesen, der den "internationalen Roma-Tag" zum Anlass nahm, klarzustellen, dass die Überbrückung der sozialen Gräben in Europa, gerade auch im Hinblick auf Mitgliedstaaten im Süden und Osten der EU die wohl größte Herausforderung ist, vor der wir intern in dieser Dekade stehen. Dieser Einschätzung stimme ich auch weiterhin absolut zu.

Ich freue mich, dass auch lokal und regional viele neue diesbezügliche Initiativen entstehen, u.a. auch in Krefeld und anderen Städten am Niederrhein; schließlich schien das Thema bislang eher eine Randnotiz zu sein. Dass die Situation sich derzeit jedoch immer weiter aufheizt, und - auf beiden Seiten - Ängste geschürt werden, bedauere ich zutiefst. Ich will nicht verneinen, dass es Probleme gibt - auch aus meiner Nachbarschaft am Niederrhein höre ich immer wieder von Problemen mit Zuwanderung und Integration. Doch bin ich überzeugt, dass wir einen anderen Zugang zum Problem finden müssen.

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Oft wird u.a. der Bericht des Deutschen Städtetages zur Armutszuwanderung angeführt, der deutliche Worte findet und auch in den Medien ist oft von schier unglaublichen Zahlen die Rede. Diese unterscheiden sich jedoch stark. Während man in den Medien von knapp 150.000 Zuwanderern hört, beziffern verlässliche Studien die Zahl der Zuwanderung auf "nur" 50.000-60.000 Menschen... Ich möchte aber gar nicht über Zahlen diskutieren, denn schließlich geht es nicht um Zahlen, sondern um Menschen.

Und hier geht es nicht um "Sozialschmarotzer", die sich in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten "ein schönes Leben machen" wollen, sondern zunächst - und wertneutral - einmal um Menschen, die ihre Heimat verlassen. Dies ist ein Schritt, den man nicht leichtfertig unternimmt und dies sollte uns immer bewusst sein.

Und auch wenn wir über den Zeitpunkt der Aufnahme der beiden Staaten in die EU trefflich streiten können, so glaube ich, dass es nun keinen Sinn mehr macht, den Beitritt an sich zu debattieren. Es wäre sicher sinnvoll gewesen, mit dem Beitritt noch zu warten, bzw. weitere Klauseln im Beitrittsvertrag zu verankern. Wir hätten die großen Unterschiede zwischen den beiden Staaten und z.B. Deutschland oder Frankreich von vornherein berücksichtigen müssen. Was wir klar darstellen müssen: Beim Beitritt um eine Entscheidung, die u.a. auch von allen Mitgliedstaaten und auch von der damaligen Bundesregierung mitgetragen wurde. Aus diesem Grund sind wir nun gefordert.

Die EU ist auf den Werten von Gemeinschaft und Solidarität gegründet. In sofern ist es ein Grundgedanke Europas, dass reichere Staaten, ärmere Staaten, wie auch Bulgarien und Rumänien, unterstützen und Europa ihnen so - gemeinsam - für alle Bürger ein besseres Leben ermöglicht. Je größer die Unterschiede innerhalb der EU sind, desto schwieriger wird dies jedoch - irgendwann stößt man an Grenzen.

Die Lebensbedingungen in Rumänien und Bulgarien sind wesentlich schlechter als in Deutschland. Zudem sind gerade Sinti und Roma oftmals Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt. Dies ist ein Problem in den Herkunftsländern - deshalb, so meine Meinung, müssen wir es auch dort bekämpfen. Dies ist unsere Verantwortung. Der Zugang zum Arbeitsmarkt, bzw. zunächst einmal zu Ausbildung und Sozialleistungen, muss für alle Bürger, auch für Sinti und Roma gewährleistet werden. Nur so können wir - nach und nach - die Lebensbedingungen verbessern. Wenn wir Menschen die Möglichkeit geben, in ihrem Heimatland ein menschenwürdiges Leben zu führen, werden sie dort bleiben wollen.

Was Ihre Fragen zum Menschenhandel, bzw. speziell zur EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses angeht, so sind die von Ihnen zitierten Presseberichte in der Tat richtig - Deutschland hat die Richtlinie bisher noch nicht umgesetzt. Kommissarin Malmström hat Deutschland deshalb öffentlich gerügt - die Frist zur Umsetzung lief Anfang April ab.

Es scheint, als wenn diese Öffentlichkeit der Sache genützt hätte - es gibt bereits einen Gesetzentwurf, der die Richtlinie in deutsches Recht umsetzen soll; er wird derzeit intern unter den beteiligten Ministerien abgestimmt. Eigentlich sollte der Gesetzentwurf bereits Ende April vorgestellt werden - da die CDU/ CSU jedoch Verschärfungen forderte, die die FDP (zunächst) nicht mittragen konnte, verhandelt man nun nochmals miteinander. Über den Zeithorizont ist mir nichts bekannt, doch darf ich versichern, dass der zuständige Ausschuss im Europaparlament und meine Kollegen hier ein waches Auge haben werden.

Ich möchte nichts relativieren, möchte aber klarstellen, dass bisher lediglich sechs Staaten, nämlich Schweden, Finnland, Polen, Tschechien, Ungarn und Lettland die Vorgaben vollständig in nationales Recht umgesetzt haben - die Gemengelage, die eine Veränderung von zahlreichen Gesetzen in verschiedenen Ressorts erfordert, ist nicht einfach. Genauere Hinweise zu den Diskussionen in Deutschland können Ihnen zudem meine Bundestagskolleginnen und -kollegen geben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Hinweisen meine Position sowie die derzeitige Situation etwas klarer darstellen.

Mit den besten Grüßen,
Ihr
Karl-Heinz Florenz MdEP