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Frage von Peter J. •

Frage an Karin Roth von Peter J. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Roth,

werden Sie dafür eintreten, dass behinderte Menschen auch künftig einen Rechtsanspruch auf individuell Bedarfs deckende Leistungen haben?

Und werden Sie verhindern, dass Leistungen an Menschen mit Behinderung ungeachtet ihres tatsächlichen Hilfebedarfs von der Finanzkraft der Kommunen abhängig gemacht und Menschen mit Behinderung auf diese Weise zu Almosenempfängern gemacht werden?

Im voraus besten Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüssen
P. Jung

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Jung,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Erlauben Sie ein paar Vorbemerkungen.

Politik für Menschen mit Behinderungen ist kein Minderheitenthema, sondern eine gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe für mehr Selbstbestimmung und Teilhabe. Behinderte Menschen verstehen sich nicht als bloße Objekte staatlicher Fürsorge, sondern als selbstbestimmt handelnde Subjekte, die ihren Alltag aktiv gestalten und ein volles Recht auf umfassende gesellschaftliche Teilhabe beanspruchen. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben daher seit 1998 den größten gesetzgeberischen Reformprozess für behinderte Menschen seit den siebziger Jahren eingeleitet. Damit wurden die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass behinderte Menschen ihr Leben so weit wie möglich in freier Selbstbestimmung gestalten und am Leben in der Gesellschaft umfassend teilhaben können. Diskriminierungen und Barrieren werden konsequent beseitigt.

Mit dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) sind Selbstbestimmung und Teilhabe in den Vordergrund gerückt. Zur Stärkung ihrer Selbstbestimmung können behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen seit Inkrafttreten des SGB IX Leistungen zur Teilhabe in Form Persönlicher Budgets erhalten, um mit den zur Verfügung gestellten Mitteln die erforderlichen Leistungen eigenverantwortlich organisieren zu können. Die Verfahren der Bedarfsermittlung und Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe haben sich danach wesentlich verbessert und beschleunigt. An den Persönlichen Budgets werden wir festhalten. Die Träger der sozialen Sicherungssysteme stehen in einer gemeinsamen Verantwortung mit dem Bund, den Ländern und den Gemeinden, hierfür die Voraussetzungen in den Strukturen wie auch in der tatsächlichen Leistungserbringung zu schaffen. Dies kann in Deutschland mit seinen föderalen Strukturen und unterschiedlich angesiedelten Zuständigkeiten nicht allein durch die Gesetzgebung des Bundes geleistet werden. Ein Bundesleistungsgesetz im Sinne der CDU/CSU-Pläne, wonach lediglich die Kostenträgerschaft für bestimmte Leistungen, insbesondere der Eingliederungshilfe, ausschließlich auf den Bund verlagert wird, lehnen wir ab.

Stattdessen streben wir an,
1. den Zugang zu den erforderlichen Leistungen zur Teilhabe durch die Stärkung der gemeinsamen Servicestellen noch bürgernäher zu gestalten, indem sie unter Beteiligung aller Rehabilitationsträger ausgebaut werden, und zu prüfen, ob sie mit bestimmten Entscheidungsbefugnissen ausgestattet werden können, um so im Bereich Rehabilitation und Teilhabe Hilfe aus einer Hand zu ermöglichen.
2. die gesetzlich vorgeschriebene Koordinierung von Leistungen und die Kooperation der Rehabilitationsträger einzufordern, damit es nicht zu Leistungsverzögerungen oder Verweigerungen für Menschen mit Behinderungen kommt, und zu prüfen, ob Abstimmungsprobleme – wie bei den Regelungen zum Persönlichen Budget – durch die Erbringung unterschiedlicher Sachleistungen in der Form von Komplexleistungen vermieden werden können und
3. bei der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen die wirksame Sicherung der Teilhabe in den Mittelpunkt zu stellen. Vor dem Hintergrund des stetigen Anstiegs der Fallzahlen und einem damit einhergehenden Anstieg der Ausgaben für Hilfen an behinderte Menschen müssen im Dialog mit den betroffenen Menschen und ihren Organisationen gemeinsam mit Ländern und Sozialhilfeträgern die Kriterien und Instrumente für eine wirksame und effiziente Sicherung der Teilhabe fortentwickelt werden.

Angesichts der auf historische Traditionen und föderale Zuständigkeiten zurück gehende Zersplitterung des Systems werden wir deshalb prüfen, wie Verantwortlichkeiten klarer zugeordnet werden können und wie Entscheidungen schneller und transparenter herbeigeführt werden können. Wir haben uns der bereits von Verbänden und anderen Akteuren in der Behindertenpolitik intensiv geführten Diskussion gestellt, um den Prozess der strukturellen Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe mitzugestalten. Im Mittelpunkt einer Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen muss letztlich die wirksame Sicherung der vollen Teilhabe stehen. Es gilt dabei, die verschiedenen Lebenslagen von behinderten Menschen zu berücksichtigen. Ziel ist eine Normalisierung der Lebensverhältnisse. Die Unterstützung der Emanzipation behinderter Menschen durch Eingliederungshilfe, die sich an Selbstständigkeit, Selbsthilfe und Selbstbestimmung orientiert, ist eine zentrale Aufgabe.

Mit freundlichen Grüßen
Karin Roth, MdB