Welche Schlüsse ziehen sie aus dem Attentat in Aschaffenburg, dem ein 2 jähriges Kind und ein Mann zum Opfer fielen?
Sehr geehrte Frau Podufal,
Angesichts des verabscheuungswürdigen Verbrechens in Aschaffenburg werden auch Ängste verbreitet? F. Merz rechtfertigt die Aushebelung des Grundrechtes auf Asyl mit einem "Notstand". Wie sehen Sie als Fachfrau dieses Thema und welche Schlussfolgerungen sehen sie im Hinblick auf den Umgang mit Flüchtlingen und ihre gesundheitliche Versorgung, aber auch im Hinblick auf den Schutz der Bevölkerung?
Sehr geehrter Herr R.,
eine wirklich wichtige Frage, die Sie stellen – zu mal gestern wieder ein abscheuliches Attentat, diesmal in München, statt fand. Und wieder waren auch Kinder unter den Opfern. Verständlich, dass dies uns beschäftigt und neben dem Mitgefühl für die Betroffenen auch Fragen auf wirft, wie wir politisch damit umgehen.
Klar ist, dass solche Menschen verachtenden Taten konsequent bestraft werden müssen- auch mit Inhaftierung! Es ist aber doch auch wichtig zu untersuchen, was die Ursachen sind- die sind je nach Täter unterschiedlich – von psychischer Erkrankung bis hin zu islamistisch-faschistischem Gedankengut oder anderem.
Es ist empörend, wenn Politiker diese Taten instrumentalisieren und fordern quasi das Asylrecht aufzuheben. Sie verfolgen damit eigene Ziele, fördern Migrantenfeindlichkeit, wollen demokratische Rechte abbauen und befeuern damit eine massive Rechtsentwicklung. Das verschärft die Situation und lenkt davon ab, was wirklich hilfreich wäre gegen Haß, Gewalt und faschistischem Gedankengut, denn letzteres steckt doch oft dahinter, das Denken, es gäbe Menschen 2. Klasse.
Vorne dran in der Hetze steht die AFD – und es freut mich, dass in den letzten Wochen 2 Millionen Menschen auf der Straße waren, um gegen Faschismus und AFD zu protestieren!
Unsere sogenannte „Willkommenskultur“ lebt v.a. Dingen von ehrenamtlichen Bürgern, die sich oft sehr intensiv einsetzen aber sie wie auch Asylanten, werden vom Staat und Politik im Stich gelassen. Kommunen erhalten nicht die notwendigen Finanziellen Mittel, um ausreichend guten Wohnraum zu stellen (abgesehen davon, dass aus Profitgründen nicht ausreichend Sozialwohnungen gebaut werden), Asylanten dürfen nicht arbeiten gehen- müssen Jahre lang in einem ungewissen Aufenthaltsstatus unter engen, tlw Menschen unwürdigen Bedingungen aushalten. Traumatisierte Flüchtlinge bekommen oft gar keine psychotherapeutische Behandlung. Psychiatrien sind seit Jahren über belegt – können auch nicht die ambulante Betreuung weiter übernehmen. Wichtig wären echte Integrationsprogramme mit sofortigem Recht auf Arbeit, umfassende soziale und psychotherapeutische Unterstützung – aber darauf ist unser Sozial- und Gesundheitswesen tatsächlich nicht ausgerichtet. Übrigens auch nicht im ausreichenden Maße für die allgemeine Bevölkerung. Auf einen Psychotherapieplatz in unserer Region wird oft ein Jahr lang gewartet.
Statt Flüchtlinge und Migration zum Sündenbock zu machen, braucht es eine andere Politik auch im Sozial- und Gesundheitswesen, um sich auf Migration ganz anders einzustellen. Statt wie jetzt von Wirtschaft und fast allen bürgerlichen Politikern gefordert einen Sozialabbau zu machen, könnten wir die Fähigkeiten und Vielfalt Geflüchteter nutzen, um gemeinsam Gesellschaft zu gestalten. Wir werden uns auf weitere Migration in ganz anderem Maßstab einstellen müssen – eine globale Umweltkatastrophe ist noch nicht ausgereift – Kriegsgefahr bis hin zur Weltkriegsgefahr ist in der jetzigen verschärften Faschisierung der Welt (siehe Trump) noch wahrscheinlicher geworden – das alles wird zu Migration und Flucht führen. Ich bezweifel allerdings, dass unser kapitalistisches Gesellschaftssystem diese Fragen lösen will und kann- deswegen halte ich ein Gesellschaftssystem, welches Bedarfsgerecht produziert und Mensch und Natur im Mittelpunkt sieht, für unabdingbar - das ist für mich der echte Sozialismus.
Ich stehe ein für das Menschenrecht auf Flucht und Asyl – auf antifaschistischer Grundlage! Wir müssen Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Menschen!
Wir kriminalisieren auch nicht alle Männer, obwohl in Deutschland im Durchschnitt jeden Tag eine Frau umgebracht wird (Femizide) - auch das ist eine politische Entscheidung, ob ich gegen reaktionäre Frauenbilder und gegen Gewalt an Frauen und Kinder gemeinsam kämpfe oder Ursachen einfach im männlichen Geschlecht sehe.
Viele Themen wären an Ihren Fragen zu besprechen- ich beende erst einmal meine Ausführung und bedanke mich für Ihr Interesse.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Podufal