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Karin Maag
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Frage von Wolfgang S. •

Frage an Karin Maag von Wolfgang S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Maag,

eventuellkönnen Sie mir helfen bei folgenden Fragen etwas mehr Klarheit zu bekommen.

"Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt vor, wenn die Bundesregierung eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland festgestellt hat, weil

1. die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder

2. die dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbar Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht."

Frage zu 1. Welche nachvollziehbaren Kriterien und Vorraussetzungen müssen denn hierfür gegeben sein?

Frage zu 2. Was ist eine "bedrohliche übertragbare Krankheit"? Das liest sich für mich als könnte nun bei jeder starken Wintergrippe ein Lockdown, Maskenpflicht und Kontaktverbote verfügt werden.

Vielen Dank für Ihre Zeit,

Ihr W. Schmidt

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schmidt,

für Ihre Nachricht vom 19.11.2020 danke ich Ihnen.

Zum Ihrer Frage nach den Kriterien zur Ausrufung einer gesundheitlichen Notlage durch die WHO:

Die WHO beruft im Falle des Auftretens einer gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite einen Notfallausschuss aus internationalen Experten und Vertretern des meldenden Mitgliedstaates ein und entscheidet über das weitere Vorgehen. Auch im weiteren Verlauf des Geschehens sollen regelmäßig relevante Informationen, zusammen mit der Falldefinition, den Laborergebnissen, der Ursache und Art des Risikos, der Zahl der Krankheits- und Todesfälle sowie die Ausbreitung beeinflussende Bedingungen und weitere getroffene Gesundheitsmaßnahmen an die WHO gemeldet werden.

Am 11. März 2020 hat der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, den COVID-19-Ausbruch offiziell zu einer Pandemie erklärt. Grund für diese Entscheidung war die starke Zunahme der Fallzahlen außerhalb Chinas in den davor liegenden zwei Wochen, allein im Europäischen Raum mehr als 20.000 bestätigte Fälle. Mit dieser Erklärung wurden zum einen Empfehlungen für die Europäische Region ausgesprochen, so etwa zur Intensivierung ihrer Bereitschaftsplanung und zur Einleitung der erforderlichen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Zum anderen wurden konkrete Empfehlungen an die Bevölkerung formuliert über Hygienemaßnahmen, frühzeitige Arztbesuche im Verdachtsfall sowie das Einholen und Befolgen von Informationen und Anweisungen des Gesundheitspersonals.

Rechtliche Grundlage dieser Erklärungen der WHO ist Art. 12 der Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 23. Mai 2005. Gemäß Absatz 1 stellt der Generaldirektor auf der Grundlage der erhaltenen Informationen – insbesondere der des Vertragsstaates, bei dem das Ereignis eingetreten ist – fest, ob ein Ereignis eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite nach den in diesen Vorschriften enthaltenen Kriterien und Verfahren darstellt.

Kriterien, die bei der Feststellung, ob ein solches Ereignis vorliegt, sind nach Absatz 4:

1. die vom jeweiligen Vertragsstaat bereitgestellten Informationen,

2. ein konkretes Entscheidungsschema (siehe Anlage 2, S. 974: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IGV/Gesetz_IGV_de-en.pdf?__blob=publicationFile),

3. der Rat des Notfallausschusses,

4. wissenschaftliche Grundsätze, Erkenntnisse und andere Informationen und

5. eine Bewertung der Gefahr für die menschliche Gesundheit, des Risikos der grenzüberschreitenden Ausbreitung der Krankheit und des Risikos der Beeinträchtigung des internationalen Verkehrs.

Das oben genannte Entscheidungsschema geht vom Vorliegen bestimmter Ereignisse aus, wobei drei Fallgruppen unterschieden werden:

1. ungewöhnliches oder unerwartetes Auftreten bestimmter dort genannter Krankheiten,

2. Ereignisse, die von internationaler Tragweite für die öffentliche Gesundheit sein können,

3. Ereignisse, die bestimmte Krankheiten mit sich bringen.

Zu Ihrer Frage nach der Kriterien für eine „bedrohliche Krankheit“:

Das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 erläutert in seinem Begründungsteil, dass es in der „Normallage“ ausreiche, dass die Anordnung von Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten den nach Landesrecht zuständigen Behörden obliege, um die Ausbreitung eines Krankheitserregers zu verhindern. Das aktuelle Ausbruchsgeschehen der durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Krankheit COVID-19 zeige aber, dass „im seuchenrechtlichen Notfall das Funktionieren des Gemeinwesens erheblich gefährdet sein“ könne. „In einer sich dynamisch entwickelnden Ausbruchssituation“ könne „für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik durch eine sich grenzüberschreitend ausbreitende übertragbare Krankheit eine erhebliche Gefährdung eintreten, der nur begrenzt auf Landesebene begegnet werden“ könne. „Um einer Destabilisierung des gesamten Gesundheitssystems vorzubeugen“, müsse die Bundesregierung auf der Grundlage der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag „in die Lage versetzt werden, schnell mit schützenden Maßnahmen einzugreifen“.

Aus dieser Begründung lässt sich ableiten, dass eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ im Sinne des § 5 Abs. 1 IfSG nach Auffassung des Gesetzgebers dann vorliegt, wenn:

- eine durch den seuchenrechtlichen Notfall hervorgerufene erhebliche Gefährdung des Funktionierens des Gemeinwesens droht,

- in einer sich dynamisch entwickelnden Ausbruchssituation die Gefahr des Eintritts einer erheblichen Gefährdung der öffentlichen Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik besteht, die durch eine sich grenzüberschreitend ausbreitende übertragbare Krankheit gekennzeichnet ist

- dieser Gefährdungslage für die öffentliche Gesundheit nur begrenzt auf Landesebene begegnet werden kann,

- der Gefahr einer Destabilisierung des gesamten Gesundheitssystems vorgebeugt werden muss.

Von diesen Bedingungen wäre bei einer – wie von Ihnen als Vergleich angebrachten - „starken Wintergrippe“ zunächst nicht auszugehen. Selbstverständlich auch vor dem Hintergrund, dass es für die Influenza Impfstoffe gibt (die übrigens Jahr für Jahr neu angepasst werden), die einer Destabilisierung des Gesundheitssystems vorbeugen können. Zudem möchte ich noch einmal hinzufügen, dass COVID-19 etwa ein Prozent seiner Erkrankten tötet – die Sterberate ist damit ungefähr 20 Mal so hoch wie die bei der Grippe. Das lässt sich längst an den Statistiken sehen: Weltweit sterben pro Jahr ungefähr 650.000 Menschen an der Influenza, dem Coronavirus sind schon heute mehr als doppelt so viele Menschen erlegen – ein Ende ist noch nicht abzusehen. Und der entscheidende Unterschied bleibt weiterhin: Sars-CoV-2 ist neu. Noch immer haben die meisten Menschen keine Immunität und spezifische Mittel gegen das Virus fehlen, weshalb aktuell nur Maßnahmen wie Quarantäne, Isolation, Alltagsmasken und Hygiene wirklich schützen können.

Ich hoffe Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Karin Maag