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Frage von Jens S. •

Frage an Karin Evers-Meyer von Jens S. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Frau Evers-Meyer:

Ich nehme Stellung zu dem Thema "Beschneidung an Kindern und Babys aus religiösen Gründen".
Werden Sie für die Unversehrtheit des Kindes abstimmen, sofern es dazukommen würde, oder ist Ihnen die bestimmende Religion der Eltern wichtiger?

1. ) Die körperliche Unversehrtheit eines Kindes regelt das Grundgesetz Artikel 2, und steht somit weit über der Religionsfreiheit!
2.) Die Religionsfreiheit des Kindes ist nicht gegeben, wenn die Eltern diese selbst "fremdbestimmen" in den 8 Tagen nach der Geburt. Ein 8 tägiges Baby kann noch keine Religionszugehörigkeit erkennen?!
3.) Eine Beschneidung ist nicht rückgängig machbar. Haare schneiden und Piercing -> Haare und Haut wachsen aber in dem Fall nach, bei der Beschneidung wächst die Haut nicht nach.
Es ist somit offensichtlich, dass sich um eine Körperverletzung handelt, die ohne Einwilligung des Kindes stattfindet.
4.) Das Landgericht Köln hat festgestellt, dass es sich um Körperverletzung handelt! Eigentlich werden doch die Legislative und die Judikative in Deutschland getrennt?
Wie ist es dann möglich, dass ein kürzlich gefallenes Urteil einfach "aufgehoben" wird?
Wenn die Politik einfach Urteile aufhebt, kurz nach Richterspruch, wird die Judikative entmündigt.

Daher meine Frage an Sie:
Wie ist also eine Beschneidung rechtzufertigen, ohne medizinische Gründe dafür?
Und ist ihnen der Schmerz bekannt?

Und können Sie die 4 Argumente von mir nachvollziehen? Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen diesen Rechtsbruch. Es mag sein, dass das Judentum dieses Ritual seit Jahren durchführt, aber das heißt doch nicht, dass es weiterhin legal bleiben muss - nur weil es seit Jahren praktiziert wird?

Mit freundlichen Grüßen

Jens Schoon

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schoon,

vielen Dank für Ihre Nachricht zum Thema Beschneidung minderjähriger Jungen in Deutschland. Das Urteil des Landgerichts Köln zur Beschneidung eines minderjährigen Jungen hat verständlicher Weise zu einer erheblichen Verunsicherung gerade bei Juden und Muslimen aber auch unter Ärzten in Deutschland geführt. Nach genauerer Betrachtung stellt man zudem fest, dass religiös motivierte Beschneidungen minderjähriger Jungen seit jeher in einer rechtlichen Grauzone stattfinden. Dieser Rechtszustand kann auf Dauer nicht zufriedenstellen. Insofern begrüße ich, dass nun klare Regelungen angestrebt werden.

Strafrechtlich betrachtet stellt die Beschneidung (egal ob medizinisch oder religiös motiviert) eine Körperverletzung dar. Erfolgt die Beschneidung eines Minderjährigen aus medizinischen Gründen (beispielsweise bei Verengung der Vorhaut o.ä.), ist sie über die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt. In Bezug auf die Inhalte der geplanten Regelungen will ich an dieser Stelle auf detaillierte juristische Ausführungen verzichten, auch in dem Wissen um die Tatsache, dass unser kodifiziertes Rechtssystem hier schnell an seine argumentativen Grenzen geführt wird.

Wichtig für mich als Sozialdemokratin ist, dass jüdisches und muslimisches Leben und Kultur feste Bestandteile der Gesellschaft in Deutschland sind. Wir sollten daher der Freiheit der Religionen viel Raum geben. Soviel Raum, wie wir es als verantwortungsbewusste Gesellschaft zulassen können. Wenn es also so ist, dass die Beschneidung zum Kern jüdischen und muslimischen Glaubens gehört und wenn sichergestellt ist, dass eine Beschneidung von minderjährigen Jungen unter fachgerechten medizinischen Bedingungen und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt wird, so wäre dies für mich ein noch akzeptabler Freiraum innerhalb unserer Gesellschaft.

Grenzen, beispielsweise zur sittenwidrigen und nachhaltig schädlichen Verstümmelung der Genitalien von Mädchen und jungen Frauen müssen hier natürlich gleichzeitig unmissverständlich und kompromisslos gezogen werden.

Die Bundesregierung wird diese Vorgaben nunmehr in Kürze in eine juristische Form bringen und als Gesetzentwurf zur Diskussion vorlegen. Meine Kollegen und ich erwarten diese Diskussion mit Spannung.

Mit freundlichen Grüßen

Karin Evers-Meyer MdB