Frage an Karin Evers-Meyer von Jens S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Evers-Meyer
in der Sitzungswoche vom 15. – 19. Mai sollen in großer Geschwindigkeit die Grundgesetz-Änderungen durch den Bundestag gehen, in denen auch Änderungen enthalten sind, die die zukünftige Bewirtschaftung der Autobahnen betreffen.
Zum Entwurf der Bundesregierung liegen zahlreiche Änderungsanträge vor und zwar bereits seit Dezember 2016. Sie werden trotzdem erst am 15.Mai 2017 offiziell bekannt gegeben.
Nach allem, was den Experten und der Presse darüber bisher inoffiziell bekannt geworden ist, handelt es sich dabei um eine höchst komplexe und sehr umstrittene Materie, nicht nur beim ursprünglichen Regierungsentwurf, sondern auch bei den Änderungen (s. z.B. ARD Monitor vom 27.April, Berliner Zeitung, 5. Mai 2017 mit Liste der Änderungen), mit denen Sie als Abgeordnete bisher nicht offiziell befasst waren.
Es ist m. E. ausgeschlossen, dass eine einzige Sitzungswoche Ihnen genug Gelegenheit gibt, die Sachverhalte, über die Sie abstimmen sollen, ausreichend und adäquat zu durchdringen.
Dazu meine Fragen:
Würden Sie sich für eine Verschiebung der Abstimmung einsetzen? Halten Sie die Beteiligung privater Investoren (unabhängig von ihrer Form, also z. B. direkt oder als ÖPP) für problematisch? Haben Sie schon eine starke Meinung zu ihrem Abstimmungsverhalten (welche?)?
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Schipper
Sehr geehrter Herr Schipper,
ich danke Ihnen für Ihr Schreiben zum Thema „Bildung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr“.
Deutschland braucht eine leistungsfähige und flächendeckende Verkehrsinfrastruktur, auf der Straße, auf der Schiene, zu Wasser und in der Luft. Eine moderne Verkehrsinfrastruktur sichert wirtschaftliches Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland.
Der Bundestag hat am 16. Februar zum ersten Mal über dieses Gesetzpaket beraten und es zur weiteren Beratung federführend an den Haushaltsausschuss überwiesen. Wir als SPD-Fraktion haben von Anfang an klargemacht, dass wir dieses umfangreiche Paket nicht einfach „durchwinken“ werden.
Seit Wochen und Monaten begleiten insbesondere die Arbeitsgruppen Verkehr, Haushalt und Wirtschaft dieses Thema intensiv. Die zuständigen Abgeordneten haben unzählige Gespräche geführt mit Gewerkschaftsvertretern, Personalvertretungen, den Beschäftigten der Landesstraßenbauverwaltungen, mit Verfassungsrechtlern, Ökonomen, dem Bundesrechnungshof und vielen anderen mehr. Als Mitglied des Haushaltsausschusses habe ich mich in den zurückliegenden Sitzungswochen in zahlreichen Sitzungen mit dem Thema beschäftigt.
Die ursprünglichen Pläne von CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt sahen weitreichende Möglichkeiten vor, damit sich Banken, Versicherungskonzerne und andere institutionelle Investoren umfangreich an den Autobahnen in Deutschland beteiligen können. Von Anfang an haben ich und meine Partei eine Privatisierung der deutschen Autobahnen und Bundesstraßen ausgeschlossen. Es ist uns gelungen eine doppelte Privatisierungsschranke durchzusetzen. Im Grundgesetz selbst wird deswegen geregelt werden, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, 100prozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Autobahngesellschaft. Durch die Ergänzung einer dritten Schranke wird jetzt auch eine mögliche Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür verhindert. Diese dritte Schranke besteht aus mehreren Maßnahmen, darunter zwei Grundgesetzänderungen: Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und möglichen Tochtergesellschaften wird ausgeschlossen. Des Weiteren wird eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z.B. durch Teilnetz-ÖPP ebenfalls ausgeschlossen.
Durch diese Änderungen sind die Autobahnen und Bundesstraßen jetzt viel sicherer in öffentlicher Hand, als sie das bislang waren. Vieles, was bislang rechtlich möglich gewesen wäre an Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ist jetzt erstmals rechtlich ausgeschlossen.
Auch die weiteren Teile dieses umfangreichen Pakets an Grundgesetzänderungen und Gesetzänderungen, wie die Investitionen in die Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen oder die Neuerung beim Unterhaltsvorschuss, finden meine volle Unterstützung. Durch die Änderungen beim Unterhaltsvorschuss werden wir fast einer Million alleinerziehender Eltern und ihren Kindern das Leben deutlich erleichtern. Durch das Aufbrechen des Kooperationsverbotes können wir wiederum den teils massiven Sanierungsstau an deutschen Schulen – zumindest teilweise – abbauen und stärken gleichermaßen finanzschwache Kommunen.
Aus all diesen Gründen und aus der Überzeugung heraus, dass wir mit der Infrastrukturgesellschaft eine gemeinwohlorientierte Einrichtung für ein effizientes Autobahnnetz in Deutschland schaffen, dass allen Menschen in unserem Land zu Gute kommt, werde ich in der Abstimmung für die Grundgesetzänderungen stimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Evers-Meyer