Frage an Karin Evers-Meyer von Otto L. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Evers-Meyer
Sie haben sich im Kandidaten-Check mit folgender Begründung gegen das bedingungslose Grundeinkommen ausgesprochen:
„Die SPD lehnt ein (bedingungsloses) Grundeinkommen ab. Arbeit bleibt für uns die Grundlage von Wohlstand und sozialer Sicherheit. Arbeit gibt es in der Gesellschaft genug. Sie muss organisiert und gerecht verteilt werden. Deswegen halten wir an der Forderung der Vollbeschäftigung fest."
Diese Begründung überzeugt mich nicht, da die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens sehr überzeugend nicht nur die Finanzierbarkeit,dieses Projektes, sondern auch die mittelfristig zum Scheitern verurteilten Bemühungen zur Reparatur des bestehenden Systems belegen können. Gerade das Argument der angeblich iimmer noch möglichen Vollbeschäftigung erweist sich bei näherem Hinsehen als brüchig (weitergehende Rationalisierung, zyklisch immer heftiger werdende Finanz- und Wirtschaftskrisen) Ganz zu schweigen von der durch ein Grundeinkommen ermöglichten Vermeidung unnötigen und völlig unproduktiven Bürokratieaufwands. Sie können doch nicht allen Ernstes Vollbeschäftigung durch ständigen Zuwachs von Arbeitsplätzen in der Sozialverwaltung anstreben! Dabei berücksichtige ich noch nicht die ebenfalls vom Grundeinkommen zu erwartende erhebliche Freisetzung produktiver und kreativer Kräfte in unserer Gesellschaft. Haben Sie sich dazu schon einmal den auch als DVD erhältlichen überzeugenden Film "Grundeinkommen" von Daniel Häni und Enno Schmidt angesehen. Wenn nicht, empfehle ich Ihnen dringend diesen Film.
Es würde mich wundern, wenn Sie nach einer ehrlichen Auseinandersetzung mit diesem Film Ihre aktuelle Position noch einfach aufrecht erhalten können.
Über eine Rückmeldung würde ich mich freuen.
Prof. Dr. O. Lüdemann, Spiekeroog,
Sehr geehrter Herr Prof. Lüdemann,
ich bin überzeugt, dass es in unserer Gesellschaft genug Arbeit gibt, z.B. im sozialen Bereich. Sie muss organisiert, gerecht verteilt und anständig bezahlt werden. Deswegen halten wir die Vollbeschäftigung als Ziel und Forderung weiterhin für realistisch. Wer sagt, es gäbe nicht mehr genug Arbeit, schiebt Menschen in die Perspektivlosigkeit ab und nimmt ihnen damit auch ein Stück ihrer Würde. Das Grundeinkommen wäre somit eine Stillhalteprämie.
Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ist mit unserer Vorstellung von der Bedeutung bezahlter Arbeit für die Menschen nicht zu vereinbaren. Ein BGE entwertet die Leistung der arbeitenden Menschen und damit auch ihre Lebensleistung, weil - gerade im Bereich der Alterssicherung - die soziale Sicherung nicht mehr Ergebnis des eigenen Arbeitens ist.
Wir wollen Mindestlöhne statt staatlicher Lohnsubvention. Menschen, die Arbeit und Existenz sichernde Löhne haben, brauchen kein Grundeinkommen. Außerdem sind soziale Problemlagen heute vielschichtiger: Armut ist nicht nur auf materielle Armut reduzierbar und deshalb nicht ausschließlich über soziale Transfers zu bekämpfen. Der Sozialstaat besteht eben nicht nur aus sozialen Transferleistungen. Er bietet genauso soziale Dienstleistungen, wie z.B. Beratungen, Familienhilfen und Jugendeinrichtungen. Fehlende Bildungschancen werden z.B. durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht bekämpft. Die Teilhabe am Erwerbsleben wird sogar erschwert, das bedingungslose Grundeinkommen wirkt ausgrenzend.
Die SPD tritt stattdessen dafür ein, die bestehende Grundsicherung weiterzuentwickeln, damit die Bürgerinnen und Bürger abgesichert sind, die eine existenzsichernde Unterstützung brauchen. Darüber hinaus wollen wir den Sozialstaat in seiner ganzen Breite weiterentwickeln, damit er die Bürgerinnen und Bürger darin unterstützt, ihre Perspektiven und Chancen zu verwirklichen.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Evers-Meyer