Frage an Kai Buschmann von Alexander H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Wie genau haben nach ihren Vorstellungen die Lehrplaneinheiten in Zukunft auszusehen?
Gleichzeitig stelle ich mir die Frage nach dem Sinn von Französisch in der Grundschule.
Halten Sie unser aktuelles Schulsystem mit der Selektierung in der 4. Klasse für Zukunftstaugleich oder eher als Auslaufmodell? Wenn nein, welche Vorteile biete unser heutiges Schulsystem im Vergleich zu langjährigen und homogenen Klassenverbänden?
Vorallem wie wollen Sie Sprachbarrieren, die ganz offensichtlich vorhanden sind abbauen?
Sehr geehrter Herr Häußermann,
glücklicherweise ist es mit den "Lehrplaneinheiten" jetzt vorbei. Den Schulen und Lehrern wird durch die Bildungsreform nicht mehr im Detail alles vorgeschrieben. Die Festsetzung von Standards halte ich für den richtigen Weg. Es geht nicht darum, was Lehrer lehren sollen (das Denken des alten Lehrplans), sondern was Schüler können müssen (das Denken der neuen Bildungsstandards).
Die Einführung von Fremdsprachenunterricht an der Grundschule halte ich für sehr sinnvoll. Die Lernforschung hat belegt: Je früher eine Fremdsprache gelernt wird, desto schneller und besser gelingt es. In der Regel sollte es natürlich Englisch sein. Aus regionalen Gründen ist aber auch Französisch möglich. Die Förderung der französischen Sprache muss über das bisherige Maß hinaus verstärkt werden. Die bisherigen Erfahrungen mit Französisch in der Grundschule und mit bilingualen Unterrichtsangeboten in der Rheinschiene sind positiv.
Die Aufgliederung nach der vierten Klasse in die weiterführenden Schulen erfolgt sehr früh. Nach der sechsten Klasse wäre sicherlich der bessere Weg. Hier befürworte ich Modellversuche. Allerdings ist die Umstellung sehr schwierig. Ich verweise hier auf Niedersachsen, wo die Einführung der weiterführenden Schulen erst ab der 7. Klasse durch die damalige SPD-Landesregierung gescheitert ist und noch vor dem Regierungswechsel zur CDU von der SPD-Regierung wieder rückgängig gemacht wurde. Es sind mit solchen Umstellungen sehr hohe Kosten verbunden. So zum Beispiel beim Schulbau: Grundschulen bräuchten dann zusätzliche Räume, während weiterführende Schulen Raumüberschuss hätten. Da diese Frage nicht der zentrale Schlüssel zur Lösung unserer Bildungsprobleme ist, halte ich sie nicht für vorrangig. Es geht vielmehr um die Etablierung motivierender Strukturen in der Schule bei Schülern, Eltern und Lehrern. Das erreiche ich am besten mit der autonomen Schule. Es ist typisch deutsch, dass jede Bildungsdebatte in unserem Land immer bei der "Gesamtschulfrage" landet, wo doch PISA belegt, dass sowohl Länder mit Gesamtschulsystemen als auch mit getrennten Schulsystemen vorne liegen können.
Die Beschulung in nicht getrennten Systemen gelingt dann, wenn Lehrer nicht Klassen unterrichten, sondern Schüler. D.h. die Lehrerbildung spielt eine zentrale Rolle. In Deutschland gelingt die individuelle Förderung zu wenig. Solange hier nicht ein ganz anderer Unterricht etabliert wird, ist auch die Gemeinschaftsschule zum Scheitern verurteilt.
Sprachbarrieren werden am besten durch eine frühkindliche Förderung in Kindergarten und Grundschule abgebaut. Hier geht es vor allem um ein Ganztagsschulangebot mit Hausaufgabenhilfe in der Schule, um schulischerseits das zu leisten, was Eltern von Migrantenkindern häufig nicht leisten können. Schulischer Erfolg ist in Deutschland leider noch zu stark davon abhängig, ob Eltern als "Zweitlehrer" zu Hause zur Verfügung stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Buschmann