Frage an Jutta Steinruck von Klara S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Steinbrück,
Sie haben vor kurzem anlässlich der Krawalle in Serbien gegen eine Schwulendemo geäußert, dass Sie die versuchte Verhinderung einer genehmigten Demonstration durch Gegendemonstranten im 21. Jahrhundert als beschämend empfinden ( http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,722471,00.html ). In Deutschland wurde im Frühjahr dieses Jahres eine gerichtlich genehmigte Demonstration der Ostdeutschen Landsmannschaft in Dresden durch eine Gegendemonstration, zu der unter anderem der Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Thierse aufgerufen hatte, erfolgreich verhindert ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,677718,00.html , http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/debatte/kommentare/grusswort-wolfgang-thierse-1/ ). Es gibt sicherlich viele Menschen, die nicht wollen, dass Rechtsextreme demonstrieren. Es gibt auch viele Menschen, die nicht wollen, dass Schwule demonstrieren. Erfreulicherweise schützt das Grundgesetz das Demonstrationsrecht für jedes nicht strafrechtlich verbotene Anliegen.
Aufgrund Ihrer Äußerungen habe ich folgende Fragen an Sie:
1. Stehen Sie uneingeschränkt hinter dem im Grundgesetz genannten Demonstrationsrecht?
2. Welche Maßnahmen sollte der Staat gegen Personen ergreifen, die zur Verhinderung von gerichtlich genehmigten Demonstrationen aufrufen?
3. Welche Maßnahmen sollte die EU gegen Deutschland ergreifen, wenn der Vizepräsident des Deutschen Bundestages zu einer Gegendemonstration aufruft, die eine gerichtlich genehmigte Demonstration erfolgreich verhindert?
Mit freundlichen Grüßen
Klara Schütz
Sehr geehrte Frau Schütz,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne beantworte ich Ihre Fragen zu diesem äußerst wichtigen Thema.
Ich stehe uneingeschränkt hinter dem im Deutschen Grundgesetz und dem darin verankerten Demonstrationsrecht. Das Grundrecht verleiht Ihnen und jedem anderen Bundesbürger das Recht zu demonstrieren. Demonstrationen rechtsextremer Gruppen dürfen nach deutschem Recht nicht automatisch verboten werden. Aufgrund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind sie jedoch mit Auflagen versehen. Beispielsweise erhalten Demonstrationen rechtsextremer Bürger oft Polizeischutz, um die Sicherheit der Demonstranten zu gewährleisten. Wenn jedoch aufgrund einer großen Gegendemonstration zu befürchten ist, dass Menschen zu Schaden kommen, so müssen entsprechende Maßnahmen unternommen werden. Diese können bis zu einer Nicht-Genehmigung der rechtsextremen Demonstration reichen.
Die Demonstrationsfreiheit legitimiert eben auch die Ankündigung von Gegendemonstrationen. So können unsere Bürger ihre Empörung und Wut über die Aufmärsche rechtsextremer Gruppierungen äußern. Bürger, die für einen friedlichen und respektvollen Umgang aller Mitmenschen, egal welcher Religion oder Rasse sie angehören, kämpfen. Ich stehe gerade auch deshalb uneingeschränkt hinter dem deutschen Demonstrationsrecht, denn gerade dieses Recht erlaubt es unseren Bürgern für den Kampf gegen Diskriminierung jeglicher Art auf die Straße zu gehen.
Zur Beantwortung Ihrer zweiten Frage möchte ich mich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Wenn ein Bürger zu einer Gegendemonstration aufruft, so verleiht ihm die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit das Recht dies zu tun. Jeder Bürger hat das Recht seinen politischen Überzeugungen entsprechend zu Gegendemonstrationen aufzurufen. Gegen Personen, die zu Gegendemonstrationen aufrufen, kann und darf der Staat aufgrund der Meinungsfreiheit keine Maßnahmen ergreifen.
Dem schließt sich auch die dritte Frage nach den Maßnahmen durch die Europäische Union an. In der europäischen Charta der Grundrechte sind die Meinungsfreiheit (Art.11 der Grundrechte-Charta) und die Versammlungsfreiheit (Art.12 Grundrechte-Charta) rechtlich fest verankert. Demzufolge kann und darf auch die Europäische Union keine Maßnahmen gegen deutsche Politiker ergreifen, die von ihrem Recht, ihre Meinung frei zu äußern, Gebrauch machen.
In der Grundrechte-Charta steht aber auch, das kein Mensch diskriminiert werden darf. Artikel 21 in der Grundrechte-Charta der Europäischen Union verbietet Diskriminierungen aufgrund der Rasse, Staatsangehörigkeit, Hautfarbe, Sprache, Religion, Weltanschauung etc. Die Grundrechte-Charta der Europäischen Union finden Sie hier: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf
Das Motto der Europäischen Union lautet "Einheit durch Vielfalt". Damit ist die Vielfalt aller Menschen in Europa gemeint. Die Europäische Union steht zu der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, für ein friedliches Europa, in dem Völker und Menschen unterschiedlichster Herkunft miteinander leben ohne diskriminiert zu werden.
Ich hoffe ich konnte dir mit meiner Antwort weiterhelfen und bin jederzeit für weitere Fragen verfügbar.
Mit freundlichen Grüßen,
Jutta Steinruck