Frage an Jutta Lieske von Christian B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lieske,
neben vielen anderen Bürgern bin auch ich Betroffener der sog. Altanschließerbeiträge. Ich bin absolut empört über diese Art, Bürger nach bis zu 25 Jahren mit solchen Forderungen - von unangenehm über schmerzhaft bis ruinös - zu belasten. Von einer gerechten Gleichbehandlung der Alt- und Neunschließer, wie argumentiert wird, kann keine Rede sein. Neben vielen, bereits oft geäußerten Gegenargumenten möchte ich vor allem betonen: Wie gerecht kann etwas sein, dass nur in Brandenburg, aber keinem anderen Bundesland als grerecht angesehen wird? Etwas, dass nach Jahrzehnten plötzlich für nötig erachtet wird? Etwas, dass selbst unter Juristen höchst umstritten ist? Etwas, dass Bürgern (von denen etliche noch den Immobilienkauf auf Kredit zu schultern haben), Beträge von etlichen hundert oder sogar Tausende von Euro binnen vier Wochen(!) abverlangt? Etwas, das Abwasser nach Grundstücksgröße, nicht nach Zahl der Abwasserproduzenten = Menschen bemisst? Wie ist Ihre (persönliche, nicht Fraktions-) Meinung dazu?
Mit freundlichem Gruß
Ch. B.
Sehr geehrter Herr Brunnert,
nachdem wir Ihr Anliegen im persönlichen Gespräch erörtert haben, auf
diesem Wege noch ein für alle einsehbare Antwort:
Selbstverständlich verstehe ich Ihren Unmut. Auf der kommunalen Ebene
wird in diesem Bereich mitunter sehr unterschiedlich verfahren. Unsere
Aufgabe als Parlamentarier des Landes Brandenburg ist es, den
Rechtsrahmen für die Erhebung von Gebühren und Beiträgen festzulegen.
Unsere Landesverfassung unterstreicht die Wichtigkeit der kommunalen
Selbstverwaltung. Die Kommunen müssen als ihre ureigensten
Angelegenheiten selbst entscheiden können. Zu diesem Bereich gehört die
Ausgestaltung der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung. Dies betrifft
sowohl die Entscheidung darüber, wie und in welchem Umfang der Ausbau
der Anlagen erfolgen soll als auch die Frage, wie die hierdurch
entstandenen Kosten umgelegt werden sollen. Die Kommunen, die sich zur
Erfüllung dieser Aufgabe in der Regel zu Zweckverbänden
zusammengeschlossen haben, entscheiden darüber, ob Gebühren oder
Beiträge erhoben werden sollen oder ob eine Mischkalkulation
stattfindet. Auch sie legen schlussendlich fest, ob alle bereits
erhobenen Beiträge, wie Sie es fordern, zurückgezahlt werden.
Selbst dann, wenn sich herausstellt, dass die Beitragserhebung der
kommunalen Aufgabenträger rechtswidrig war, eben weil ihre
Beitragssatzung unwirksam war, besteht keine Pflicht auf Aufhebung der
Bescheide. Ebenso wenig besteht ein Rechtsanspruch des Bürgers auf
Aufhebung der Bescheide und Rückzahlung der Anschlussbeiträge. Einige
Zweckverbände haben sich gleichwohl für die Rückzahlung der
Anschlussbeiträge und eine vollständige Umstellung auf ein
Gebührenmodell entschieden. Diese Entscheidung können jedoch, wie
bereits ausgeführt, nur die kommunalen Aufgabenträger vor Ort treffen.
Es ist dem Landtag verwehrt, in die Entscheidungskompetenz der Kommunen
einzugreifen. Dies wäre verfassungswidrig.
Wir als Landespolitiker haben uns aber dazu entschlossen, die Kommunen
und die Aufgabenträger mit einem Hilfspaket in einem Umfang von
insgesamt 250 Mio. Euro finanziell zu unterstützen. Im Rahmen dessen
stellt das Land auf unsere Initiative hin den Kommunen zinslose Darlehen
in einer Gesamthöhe von bis zu 200 Mio. Euro zur Verfügung. Das Land
unterstützt bei künftig anfallenden Investitionsmaßnahmen und beteiligt
sich an den entstandenen nicht umlagefähigen Verwaltungskosten. Dieses
Hilfsprogramm, das wir im Jahr 2016 initiiert haben, werden wir um
weitere zwei Jahre bis Ende 2020 verlängern. Diese Verlängerungsoption
haben wir in den letzten Wochen diskutiert und im September 2018 im
Plenum beschlossen. Damit verschaffen wir den Aufgabenträgern weitere
Handlungsspielräume und hoffen, dass damit ein wenig mehr Rechtsfrieden
in der kommunalen Ebene einziehen kann.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen und für ein
wenig Verständnis werben konnte.
Mit freundlichen Grüßen
--
Jutta Lieske
Mitglied des Landtages Brandenburg