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Jürgen Heike
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Frage von Sebastian G. •

Frage an Jürgen Heike von Sebastian G. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Heike,

sind Sie der Meinung, dass das neue Versammlungsgesetz Bayerns nur die (rechts-)extremistischen Demonstrationen erschwert und die Kundgebungen von demokratischen Vereinen und Partein davon nicht beeinträchtig werden?

Wie stehen Sie zu einem Verbot der NPD? Es ist doch effektiver die NPD zu verbieten, anstatt ein Versammlungsgesetz zu Lasten der gesamten Bevölkerung zu erlassen.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Geiger

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Geiger,

ich teile Ihre Befürchtung nicht, dass das Bayerische Versammlungsgesetz Demonstrationen allgemein erschwert. Im Gegenteil: klares Ziel des Gesetzes ist es nur, die Reaktionsmöglichkeiten gegenüber extremistischen Versammlungen zu verbessern:

- So schützen wir insbesondere Tage und Orte, die an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft erinnern, vor rechtsextremistischen Versammlungen. Voraussetzung ist, dass diese Versammlungen jeweils die Würde der Opfer das Nationalsozialismus oder grundlegende soziale oder ethische Anschauungen zu verletzen drohen. Weiter ermöglicht es das Gesetz, Versammlungen zu verbieten, die die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen, falls sie die Würde der Opfer des Nationalsozialismus beeinträchtigen. Dies ist im Vergleich zum bisher geltenden Bundesrecht ein deutlicher Fortschritt. Ich gestehe zu, dass wir unsere verfassungsrechtlichen Möglichkeiten hier bis an die Grenzen ausloten, halte dies aber auch für geboten, um rechtsextremistischen Umtrieben besser begegnen zu können.

- Eine Antwort auf Besorgnis erregende Entwicklungen bei rechts-, vor allem aber bei linksextremistischen Versammlungen ist auch das neue allgemeine Militanzverbot. Es will paramilitärische oder sonst den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermittelnde Versammlungen verhindern. Damit wollen wir rechts- und linksextremistische Chaoten, die sich in "Schwarzen Blöcken" zusammenschließen, daran erinnern, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nur friedliche Versammlungen schützt. Wir dulden in Bayern keine gewalttätigen Demonstrationen, sondern schreiten konsequent ein. Ich sehe es als klaren Erfolg unserer Strategie, dass wir Krawalle, wie sie in Berlin oder in Hamburg z. B. zum 1. Mai leider üblich geworden sind, in Bayern verhindern konnten. Das allgemeine Militanzverbot bietet hier künftig eine noch bessere Grundlage.

- Kundgebungen demokratischer Parteien oder Organisationen sind von diesen neuen Befugnissen nicht betroffen. Weder beeinträchtigen sie die Würde der Opfer des Nationalsozialismus, noch erwecken sie einen paramilitärischen oder sonst Gewaltbereitschaft vermittelnden Eindruck. Im Gegenteil entspricht es voll und ganz den Zielen des Bayerischen Versammlungsgesetzes, wenn sich couragierte Bürger - wie erst vor kurzem wieder in Wunsiedel, Gräfenberg oder Warmensteinach - rechtsextremistischen Versammlungen immer wieder mit eigenen Kundgebungen entgegenstellen.

- Über die Befugnisse für extremistische Versammlungen hinaus setzt das Bayerische Versammlungsgesetz nur die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um und greift Entwicklungen der Rechtspraxis auf. Es verschärft das Versammlungsrecht aber nicht. Stattdessen regelt es beispielsweise die von der Rechtsprechung entwickelten Erleichterungen für Eil- und Spontanversammlungen erstmals ausdrücklich. Weiter schränkt es etwa das bisher weit reichende Uniformierungsverbot künftig auf solche Uniformierungen ein, die einschüchternd wirken. Auch stuft das Bayerische Versammlungsgesetz eine Reihe von bisherigen Straftaten zu bloßen Ordnungswidrigkeiten herab. Ich bedauere es, dass diese Aspekte in der Diskussion um das Bayerische Versammlungsgesetz nicht wahrgenommen wurden. Die Diskussion war leider nur zu oft von Pauschalurteilen geprägt, die die nötige vorurteilsfreie, differenzierte Betrachtung vermissen ließen. Leider gilt das auch für Ihre Unterstellung, das Bayerische Versammlungsgesetz gehe "zu Lasten der gesamten Bevölkerung". Das Gegenteil ist richtig.

Wenn Sie sich weiter über die Einzelheiten des Bayerischen Versammlungsgesetzes informieren möchten, empfehle ich Ihnen die Materialien, die das Bayerische Staatsministerium des Innern auf seiner homepage zum Abruf eingestellt hat. Dort finden Sie u. a. auch eine FAQ-Liste mit Antworten zu oft gestellten Fragen (http://www.innenministerium-bayern.de/sicherheit/verfassungsschutz/extremismus/detail/16824).

Was die NPD betrifft, so halte ich sie zwar für eine eindeutig verfassungsfeindliche Partei. Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass ich sie lieber heute als morgen verbieten würde. Dennoch müssen wir derzeit von einem neuen Verbotsverfahren absehen. Im Jahr 2003 scheiterte das damalige Verbotsverfahren, weil das Bundesverfassungsgericht den Einsatz von V-Leuten des Verfassungsschutzes auf den Führungsebenen der NPD als unbehebbares Prozesshindernis ansah. Dieses Prozesshindernis besteht unverändert fort, weil ein Verzicht auf V-Leute in diesem Bereich aus Gründen der inneren Sicherheit nicht zu verantworten wäre. Die NPD ist zu gefährlich, als dass der Verfassungschutz sich ihr gegenüber über Jahre bis zum - ungewissen - Ausgang eines Verbotsverfahrens faktisch blind stellen darf. Im übrigen wäre völlig ungewiss, ob nach einem Rückzug der V-Leute hinreichend neue offene Erkenntnisse für ein Verbotsverfahren anfallen würden, weil zu erwarten wäre, dass sich die NPD natürlich taktisch verhalten würde, um keine Verbotsgründe zu schaffen.

Ich warne schließlich auch davor, sich von einem NPD-Verbot allzu viel für das Vorgehen gegen rechtsextremistische Versammlungen zu erwarten. Das Versammlungsrecht ist - auch nach dem neuen Bayerischen Versammlungsgesetz - ein Jedermannsrecht, d. h. jeder kann eine Versammlung veranstalten. Ein NPD-Verbot würde in diesem Zusammenhang absehbar kaum Erleichterungen bringen, weil die Versammlung dann statt von einem NPD-Kreisverband künftig schlicht von einer Privatperson veranstaltet würde. So tritt eines der führenden Mitglieder der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern 2003 verbotenen "Fränkischen Aktionsfront" immer wieder als Veranstalter der rechtsextremistischen Versammlungen in Gräfenberg auf, ohne dass dies gegen das FAF-Verbot verstößt oder versammlungsrechtlich verhindert werden kann. Erwartungen, ein NPD-Verbot würde das Problem rechtsextremistischer Versammlungen z. B. in Gräfenberg lösen, sind leider unrealistisch.

Ich hoffe, damit Ihre Fragen hinreichend beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen W. Heike
Staatssekretär