Frage an Jürgen Fischer von Bob F. bezüglich Bildung und Erziehung
vielen Dank für Ihre umfangreichen Antworten.
Sie sagen, dass Sie wert auf Privatsphäre und Datenschutz legen. Warum verlangen Sie dann von jedem hier Name und Adresse zu veröffentlichen? Sie als Politiker stehen ja im öffentlichen Raum und sind somit mehr oder weniger gezwungen einen Teil ihre Identität offen zu legen. Aber warum soll ich das?
Ihre Argumentation zu den Studiengebühren ärgert mich. Waren Sie denn schon mal an einer Universität? Ich studiere an der TU Dresden. Die technische Ausstattung ist exzellent. Wir haben moderne Gebäude eine hervorragende Infrastruktur und eine wirklich phantastische Bibliothek. Ich war schon an diversen ausländischen Universitäten und kann höchstens von wenigen Eliteeinrichtungen behaupten, dass sie bessere Bedingungen bieten. Vielleicht ist ja die ein- oder andere Lehrveranstaltung überfüllt aber ob daran Studiengebühren etwas ändern ist fraglich. Oft heißt es z.B. auch, dass die Bibliotheken dann mehr Bücher anschaffen könnten. Aber da kauf ich mir doch lieber meine Bücher selbst als sie indirekt über Studiengebühren zu finanzieren.
Schon jetzt arbeite ich 60h/Monat. Wenn ich Gebühren bezahlen müsste, dann könnte ich wohl gar nicht mehr studieren. So geht es vielen. Daran können auch Stipendien u.ä. nichts ändern. Denn wie man beim Bafög sieht ist so was ein riesiger bürokratischer Aufwand und die wenigsten bekommen am Ende etwas raus. Man kann auf jeden Fall zu Anfang des Studiums nicht sicher sagen ob man das ganze finanziell durchsteht. Davor werden viele zurück schrecken.
Es mag auch sein, dass der Meister teuer ist. Aber eine normale Ausbildung ist ja i.A. auch kostenfrei. Außerdem profitieren alle Schichten der Gesellschaft von einer offenen wissenschaftlichen Ausbildung weshalb ich solche plakativen Aussagen für gefährlich halte. Akademische Ausbildung stellt doch den Nährboden für die dringend benötigten Innovationen in diesem Land dar. Studiengebühren werden zu einem Rückgang der ohnehin zu geringen Studierendenquote führen und mehr Abiturienten werden auf den beruflichen Ausbildungsmarkt drängen.
Das Argument der langen Studiendauern mag populistisch gut ankommen ist aber nicht durch Studiengebühren zu lösen. Hier müssen vor allem strukturelle Reformen gemacht werden. Ein regulären Studium dauert nun mal 10 Semester also 5 Jahre. Die meisten schaffen es in dieser Zeit zumal auch zukünftige Arbeitgeber sehr darauf achten und es eine Höchstgrenze bei 14 Semestern gibt – dann wird es jetzt schon teuer. Weiterhin ist die oft geforderte Auslandserfahrung nur schwer anrechenbar wodurch zusätzlich Zeit verloren geht.
Die von Ihnen genannten Länder haben auch nur eine 12-jährige Schulausbildung und keinen Wehrdienst. Mir ist nicht nachvollziehbar wie diese Diskrepanzen durch Studiengebühren gelöst werden sollen.
Der freie Hochschulzugang ist meiner Meinung nach eine hohe Errungenschaft, die wir vielen Ländern voraushaben. Er sollte nicht leichtsinnig geopfert werden.
viele Grüße,
Bob Foster
Sehr geehrte(r)Herr Foster,
Es ist schon ein Riesenunterschied ob man in einer politischen Debatte einige stichpunktartige Angaben zur eigenen Person (Nachname, m/w, Alter, Beruf reicht doch schon aus) macht (danke für Ihren Hinweis zur TU Dresden, da kann ich Sie besser einordnen)oder bei diversen Ämtern, in Banken , bei Versicherungen oder sonstwo datenmäßig die Hosen vollständig runter lässt. Gegen diese Art der Überwachung ist die FDP ganz bestimmt. Sie sehen, ich antworte Ihnen trotzdem und tue das auch mit Freude. Denn nichts ist spannender als eine, auf Argumenten basierende, sachliche Diskussion. Nur dann kann es bei den Beteiligten auch mal zu einem AHA-Erlebnis kommen, kann man eigene Positionen korrigieren oder diese, wenn man meint es zu müssen, auch vehement verteidigen.
Doch zur Sache:
Wenn Ihre Befürchtungen bzgl. Der Wirkungen und negativen Auswirkungen bei Einführung von Studiengebühren an den Universitäten wirklich zutreffen würden, müssten viele Länder, in denen vergleichbare Modelle erfolgreich praktiziert werden, keine oder nur noch ganz wenige Studenten haben, müsste es einen gravierenden Einbruch bei wissenschaftlichen Leistungen u.s.w. geben. Probleme von heute lasen sich nicht mit den Vorstellungen und Methoden des vorigen Jahrhunderts lösen. Und wenn unser derzeitiges System wirklich so erfolgreich wäre wie Ihre Anmerkungen vermuten lassen, dann frage ich mich warum dann erfolgreiche wissenschaftliche Leistungen von
Deutschen zunehmend im Ausland erbracht werden. Wann wurde an einer deutschen UNI zuletzt eine wissenschaftliche Spitzenleistung erbracht die in einen Nobelpreis mündete? Desweiteren kenne ich die Sorgen und Nöte z.B. vieler Mittelständler ganz genau, die oft vergeblich den für ihren Bedarf notwendigen Fachkräftenachwuchs von den Universitäten nicht "beziehen" können. Hinsichtlich der Regelstudienzeit sollte wir Beide in der Diskussion auf das statistische Bundesamt und auf die statistischen Ämter der
Bundesländer vertrauen. Diese Erhebungen, deren Wahrheitsgehalt nicht anzuzweifeln ist, sprechen schon seit Jahren ein ganz, ganz deutliche Sprache.
Ihr Hinweis auf die TU Dresden zeichnet ein sehr selektives, aus Ihrer Sicht wohl aber täglich "erlebtes" Bild. Ich kenne die "Verhältnisse" an Großuniversitäten wie Bochum, Leipzig, Frankfurt u.a.. Reden Sie einmal mit betroffenen Wissenschaftlern und Studenten vor Ort und machen Sie sich ein objektives Bild, frei von jeglichen ideologischen Bezügen. Sie werden zu völlig neuen Erkenntnissen kommen. Ich könnte hier mit einer langen Reihe von Beispielen aufwarten.
Wir wollen mehr Qualität im Studium. Wir wollen schnelle, zielführende Abschlüsse. Wir wollen jedem seine Chance zum Studium geben. Wir wollen, das unsere Studenten und unsere Absolventen Spitzenleistungen erbringen können. Die Einführung von Studiengebühren (ich verweise nochmals auf "nachgelagerte" Erhebung) ist nur ein Aspekt dieser dringend notwendigen Veränderungen. Es ist eine Chance, kein Allheilmittel. Dazu sind noch weitere, wichtige Schritte notwendigerweise zu tun. Und ob wir hieraus eine einfache, verständliche und praktikable Regelung oder wieder nur ein neues Bürokratiemonster machen (wozu wir Deutschen leider immer neigen) liegt an
uns, an der Sitzverteilung und der Kompetenz im neuen Bundestag. Deshalb kämpfe ich für ein Mandat.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Fischer