Julian Thomsen
ÖDP
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Frage von Elke O. •

Frage an Julian Thomsen von Elke O. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Thomsen,

ich würde gerne wissen wie Sie über die Streuner- und Heimtierproblematik innerhalb der EU denken.
Wäre es aus Ihrer Sicht wünschenswert durch einheitliche Kastrationsprogramme und ein einheitliches EU Tierschutzgesetz dort endlich eine Änderung herbeizurufen? Noch wird dieses Problem in den meisten Ländern durch Massentötungen der Tiere beseitigt.

Mit freundlichem Gruß
Elke Otte

Antwort von
ÖDP

Sehr geehrte Frau Otte,

Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, bedanke ich mich für ihr Engagement auf Kandidatenwatch. Ich bin der Ansicht, dass solche Plattformen eine echte Chance sind, Politik und Gesellschaft ein Stückchen mehr zu harmonisieren.

Ihre Frage selbst ist sehr interessant und stellt mich zugleich vor gewisse Schwierigkeiten. Die Problematik heimatloser Haustiere, die nicht zuletzt durch Medienmeldungen aus Südeuropa in die hiesigen Schlagzeilen geriet, ist in bestimmter Hinsicht ein politisches Problem, in vielfacher Hinsicht jedoch auch sicherlich ein Dilemma in der Beziehung zwischen Mensch und Tier.

Heimatlose, streunende Tiere resultieren in den meisten Fällen aus völliger Fehleinschätzung von überforderten Tierhaltern, die sich mit Aussetzung ihrer abermals "Liebsten" eines Problems entledigen. Dies ist nach deutschen Gesetz natürlich verboten, jegliche Tierhalterpflichten werden verletzt. Aber machen wir uns nichts vor - wie soll eine effektive staatliche Kontrolle aussehen und greifen? Selbst das "Ansiedeln" eines gezüchteten oder aufgezogenen Tieres, man beachte den Unterschied, in einer für ihn nicht angemessenen Umwelt ist strafbar. Keine Frage - Haustiere, wie sie in Deutschland gehalten werden, genügen diesen Kriterien in der Regel nicht.

Ich persönlich ärger mich sehr über solche gewissenlose, tierverachtende Taten. Denn wie Sie richtig angesprochen haben, ist das Schicksal solcher Lebewesen auf traurige Weise determiniert...

Man mag sich Fragen, ob der Vertrag von Lissabon durch grundlegende Erweiterungen zum europäischen Kapitel Tierschutz etwas beisteuert. Jedoch sind Abhilfe schaffende verfassungstechnische Grundlagen nicht erkennbar. Dies ist ein Schwachpunkt der Reformverträge, den die ödp und viele Tierschutzverbände geißeln. Tierschutz darf sich nicht darauf beschränken, einen Wettbewerbsrahmen für den freien Handel mit Tieren und Tierprodukten zu schaffen. Auch wenn von Tieren als "fühlende Wesen" gesprochen wird - mit diesem Gefühl ist es nicht sehr weit her!

Deshalb bin ich der Meinung, dass wir den Tierschutz in Europa scharf in der Verfassung verankern sollten - Tierschutz um des Tierschutzes Willen. So könnte eine Tierzucht, die, wie im deutschen Gesetz verankert, zahlenmäig im Sinne von Individuenzahlen nicht "Maß" hält, also eine artungerechte, unwürdige Massenzüchtung betätigt, beschränkt werden. Wenngleich ich den Wortlaut meines nächsten Satzes selbst nicht gern höre: das Problem voller Tierheime und ungebundener Tierhorden ist und bleibt ein Problem der "Überproduktion", um im Jargon der EU-Verfassung zu sprechen.

Zu einheitlichen Kastrationsprogrammen zur Lösung der Problematik habe ich eine klare Meinung: Massenkastration bekämpft eventuell die Symptome, die Ursachen bleiben wohl unberührt. Unser Gesetz sieht so zum Beispiel eine "Unfruchtbarmachung" von Wirbeltieren nur in drastischen Fällen erblicher Folgen der Nachkommen betroffener Individuen vor. Solche Maßnahmen europaweit einzusetzen, um der angesprochenen Lage Herr zu werden, halte ich für bedenklich - auch Tiere haben eine Würde, und ein solches allgemeines Gesetz würde diese empfindlich treffen. 

Ich denke, nur durch Einbindung des Tierschutzes als anerkannten Teil der Kulturordnung Europas politischerseits und durch ein Umdenken der Menschen zu ihrem Verhältnis zu Tieren andererseits ist eine mögliche Lösung greifbar. Ich würde es mir wünschen.

Liebe Grüße,

Julian Thomsen