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Julia Verlinden
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael L. •

Frage an Julia Verlinden von Michael L. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Verlinden,

die GRÜNEN hatten im Bundestag einen Antrag gegen die Zulassung der Genmaislinie 1507 gestellt. Die Behandlung dieses Antrags erfolgte etwas verwirrend gleichzeitig mit der Abstimmung über die Beschlussempfehlung eines federführenden Ausschusses, sodass mir einfach unklar blieb, worin die Empfehlung des Ausschusses lag und wofür/-gegen sich der Antrag der GRÜNEN wendete.

Als Ergebnis ist mir insoweit bekannt, dass sich die Bundesrepublik auf EU-Ebene bei einer Abstimmung enthielt und offenbar Genmais zukünftig angebaut werden könnte.

Bevölkerungsteile und Landwirte sind von der Gefährlichkeit eines Genmaisanbaus überzeugt.

Meine Frage: würden Sie mir freundlicherweise erklären, worum es bei der Ausschussempfehlung im Bundestag einerseits und dem Antrag der GRÜNEN andererseits ging und ob man sagen könnte, durch die Abstimmung auf EU-Ebene wurde gegen den Widerstand in D-land für die Zulassung von Genmais ein Weg eröffnet ?

Mit freundlichem Gruß
Langer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Langer,

fast niemand will Gentechnik auf dem Teller oder auf dem Acker. 88 Prozent der Menschen in unserem Land lehnen sie einer neuen Umfrage zufolge ab. Auch Union und SPD erkennen das in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich an. Trotzdem könnte bald zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder Genmais auf unseren Feldern erlaubt werden. Die Regierungen der EU-Staaten stimmten 11. Februar in Brüssel darüber ab. Die Enthaltung Deutschlands hat faktisch wie ein Ja zum Genmais gewirkt und wesentlich dazu beigetragen, dass bei der Abstimmung am 11. Februar keine ausreichende Mehrheit gegen die Anbauzulassung erreicht wurde. Die Bundesregierung hat damit die wichtige Chance verpasst, Deutschlands Gewicht in Europa zu nutzen und zusammen mit Frankreich und Italien eine klare Mehrheit gegen die Zulassung zu schmieden. Das wäre durchaus möglich gewesen, weil nur fünf von 28 EU-Mitgliedsstaaten für den Genmais waren und sogar bislang gentechnikfreundliche Staaten wie die Niederlande und Rumänien mit Nein gestimmt haben.

Noch ist der Genmais aber nicht zugelassen. Zwölf Mitgliedsstaaten haben an die EU-Kommission appelliert, die große Mehrheit gegen „1507“ bei der Brüsseler Abstimmung letzte Woche nicht einfach zu ignorieren. Dem sollte Angela Merkel sich anschließen, statt die Verantwortung für die unpopuläre Genmais-Zulassung auf die EU abzuschieben und zu behaupten, das eigene Stimmverhalten habe keine Rolle gespielt. Mit solchen Aussagen und mit ihrem Mangel an eigener Haltung leistet die Kanzlerin verantwortungslos einer Europaverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger Vorschub.

Wir Grüne hatten einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der vorsah, die Bundesregierung auf ein Nein zum Genmais 1507 zu verpflichten.
In unserem Antrag "Keine Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 für den Anbau in der EU" (Bundestagsdrucksache Nr. 18/180) heißt es:
"Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Beschluss des Rates über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten, gegen bestimmte Lepidopteren resistenten Maisprodukts (Zea mays L. Linie 1507) für den Anbau gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates abzulehnen."
Leider haben nur fünf Unions-Abgeordnete, davon einer von der CSU, für unseren Antrag gestimmt. Die SPD und der Rest der Unionsabgeordneten haben mit großer Mehrheit gegen unseren Antrag gestimmt - obwohl die SPD sich in ihrem Wahlprogramm klar gentechnikkritisch geäußert hat und die CSU keine Gelegenheit auslässt, sich öffentlich gegen die Gentechnik auf dem Acker auszusprechen.
Bundeskanzlerin Merkel und ihre Regierung haben gegen den klaren Willen der breiten Bevölkerungsmehrheit gehandelt, die keine Agrogentechnik auf Acker oder Teller will. Auch das Europäische Parlament, die meisten Agrarminister der Bundesländer, der Deutsche Bauernverband und die Umweltverbände haben sich gegen die Zulassung ausgesprochen. Offenbar war es Kanzlerin Merkel wichtiger, Rücksicht auf die Gentechlobby zu nehmen und gegenüber den USA gute Stimmung für die laufenden Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen zu machen.

Das Verhalten der SPD-Abgeordneten steht im klaren Widerspruch zur Position der SPD, die sich in den letzten Jahren stets gegen die Agrogentechnik ausgesprochen hat. Erst wenige Tage zuvor hatte Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel erklärt, er sei selbstverständlich klar gegen die Genmais-Zulassung. Ich frage mich, wie die Bundestagsabgeordneten der SPD es ihren Wählerinnen und Wählern erklären wollen, wenn demnächst tatsächlich Genmais bei in ihrer Region angebaut wird. Es ist eine Illusion, Deutschland könne dauerhaft gentechnikfrei bleiben, wenn die SPD gleichzeitig die Zulassung neuer Gentech-Pflanzen auf EU-Ebene mit durchwinkt. Das fehlende Rückgrat der SPD und ihres Vizekanzlers, Parteivorsitzenden und Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel gegenüber der gentechnikfreundlichen CDU und Angela Merkel setzt die Gentechnikfreiheit Deutschlands aufs Spiel. Hier wäre es notwendig gewesen, klare Kante zu zeigen und nicht zuzulassen, dass Frau Merkel sich hinter der Aussage versteckt, ein Nein von Deutschland ändere ohnehin nichts.

Zu Ihrer Verfahrensfrage:
Anträge werden vor der Abstimmung im Bundestagsplenum in den zuständigen Ausschüssen beraten. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde im federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft mit der Mehrheit der großen Koalition abgelehnt. Diese Ablehnung des Ausschusses war somit Inhalt der sogenannten Beschlussempfehlung des Ausschusses an den Bundestag (Bundestagdrucksache Nr. 18/397).
Die Beschlussempfehlung (auf Ablehnung unseres Antrags) stand am 30.1. auf der Plenartagesordnung. Wer also mit "Ja" für diese Beschlussempfehlung gestimmt hat, stimmte gegen unseren Grünen Antrag. Durch die mehrheitliche Annahme der Beschlussempfehlung war unser grüner Antrag also leider abgelehnt.

Mit besten Grüßen
Julia Verlinden MdB

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