Portrait von Julia Klöckner
Julia Klöckner
CDU
99 %
96 / 97 Fragen beantwortet
Frage von Paul W. •

Frage an Julia Klöckner von Paul W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Klöckner,

am 09. Nov. diesen Jahres wurde unter Ihrer Zustimmung das Gesetz zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Bereits jetzt werden in beziehungsweise durch Überwachungsmaßnahmen Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen. Ich möchte Ihnen kurz schildern was mir beziehungsweise einem Freund (also so zu sagen uns) widerfahren ist. Ich habe Kontakt zu einem Drogenhändler gehabt über das Handy eines Freundes (Nur nebenbei ich wusste nicht einmal, dass dieser mit Drogen handelt). Das Handy des Freundes ist angemeldet gewesen auf seinen Vater, dieser erhielt Post von der Kriminalpolizei mit der Einladung zu einer Beschuldigtenvernehmung wegen Besitz von Cannabisprodukten.

Falls es nun zu dem von Ihnen abgesegneten Gesetz kommt sind noch deutlichere Auswirkungen zu erwarten, aber die Einwände werden Ihnen ja bekannt sein.

Nun wüsste ich gerne wieso Sie für diese Reduktion der Bürgerrechte gestimmt haben.

Portrait von Julia Klöckner
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Weller,

danke für Ihre Frage, in der Sie Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ansprechen. Sicher kein einfaches Thema, Kopf und Bauch, wenn ich es so schlicht ausdrücken darf, gehen da sicher nicht immer zusammen – auch bei mir oft nicht.

Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann. Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Ermittlungsinstrumente sollten deshalb aus rechtspolitischer Sicht – zumindest aus unserer CDU/CSU-Bundestagsfraktion - nicht weiter beschränkt werden, als dies verfassungsrechtlich geboten ist.

Die so genannte Vorratsdatenspeicherung ist ein solches Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. In der Diskussion wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen. Gesprächsinhalte dürfen insoweit nicht gespeichert werden. Auch ist die Anordnung der Erteilung einer Auskunft an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung so genannter „Flatratetarife“, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbe-sondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein.

Nicht zuletzt diese Erwägungen haben die Bundesregierung bewogen, der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zuzustimmen. Die Bundesregierung hat dies mit Unterstützung des Deutschen Bundestages getan. In dem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 7. Februar 2006 (BT- Drs. 16/545), der mit der Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundestages angenommen wurde, wurde die Bundesregierung aufgefordert, dem Text der Richtlinie bei der abschließenden Befassung des Rates der Europäischen Union zuzustimmen (Nr. II. 1 der Beschlussempfehlung). Auch der Deutsche Bundestag hat in diesem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, und bei mittels Telekommunikation begangenen Straftaten unverzichtbar ist (Nr. I. 5 und 6 der Beschlussempfehlung).

Dem Deutschen Bundestag war dabei bewusst, dass das hierfür gewählte Instrument der Richtlinie möglicherweise nicht ganz frei von kompetenzrechtlichen Risiken ist (I. 13 der Beschlussempfehlung). Er hat sich dennoch dafür ausgesprochen, weil es sich insoweit um einen Kompromiss der EU-Mitgliedstaaten gehandelt hat und es jedenfalls gelungen ist, in der Richtlinie Regelungen mit Augenmaß (z. B. keine Speicherung von Gesprächsinhalten, Beschränkung der Speicherungsfrist auf sechs Monate, Datenabfrage nur bei Verdacht erheb-licher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten) zu erreichen. Eine anderweitige Verwendung dieser Daten ist nur zu Zwecken der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit möglich, wenn dies gesetzlich unter Beachtung der Verwendungsbeschränkungen im Telekommunikationsgesetz festgelegt ist. Eine Verwendung beispielsweise zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist nicht zulässig! Und genau das ist mir besonders wichtig!

Ich hoffe, mit meinen Ausführungen zur Klärung Ihres Anliegens beigetragen zu haben.

Beste Grüße,
Julia Klöckner

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Julia Klöckner
Julia Klöckner
CDU