Frage an Jürgen Scharf von Bernd A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Scharf,
die Magdeburger CDU befürwortet das "Magdeburger Lohnmodel" das nur den Arbeitnehmern wieder Steuergelder in die Tasche spülen will! Was halten SIe von meinem Modell: Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst von Sachsen-Anhalt:
Wir brauchen eine drastische Arbeitszeitverkürzung auch im öffentlichen Dienst, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, zumindest der Produktivbereiche, (Krankenschwestern, Ärzte, Polizei, Feuerwehr, Müllentsorgung usw.) arbeiten schon heute mehr als 40 Stunden, weil es überall an Personal fehlt. Statt den Kapitalunternehmen unsere Steuergelder in den Rachen zuwerfen, sollte das Geld dafür genutzt werden, um genau bei diesen Beschäftigten die Arbeitszeit drastisch zu senken. Eine wöchentliche Arbeitszeit von max. 30 Stunden für die produktiven Bereiche wäre ausreichend. Besser wären noch 25 Std. wöchentliche Arbeitszeit. Dann können wir die Arbeit teilen und schaffen erhebliche neue Arbeitsplätze in all diesen Bereichen. Das wäre ein Magdeburger Modell, das deutschlandweit genutzt werden könnte.
Angesichts einer ständig steigenden "Verlagerung von Arbeitsplätzen in die neuen EU-Mitgliedstaaten wie zum Beispiel zuletzt bei AEG von Nürnberg nach Polen" kritisiere ich "die Subventionierung reiner Arbeitsplatzverlagerungen mit EU-Geldern, die mit einem Beitrag von mindestens 23 Milliarden Euro von Arbeitnehmern aus Deutschland gezahlt werden". Unsere Steuergelder müssen in Deutschland bleiben und nur so, können wir neue Arbeit schaffen und die Kaufkraft anschieben.
Es werden sonst keine weiteren zusätzlichen Arbeitsplätze mehr kommen! Das wäre eine erste Lösung um wirkliche Arbeitsplätze zu schaffen. Unterstützen Sie meine Darstellung? Das gegenwärtige Magdeburger Modell hatten wir schon Mitte der 90ziger Jahre!
Freundliche Grüße
Bernd Albrecht
Sehr geehrter Herr Albrecht,
vielen Dank für Ihre Frage hinsichtlich einer weiteren Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst. Nach meinem Dafürhalten sind Ihre Vorstellungen über Arbeitszeitverkürzungen nicht geeignet, den öffentlichen Dienst wettbewerbsfähig zu halten oder gar dauerhaft neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Eine Arbeitszeitverkürzung ist für mich nur statthaft, sofern nach Einbeziehung der Tarifpartner die Verkürzung befristet wird und dadurch betriebsbedingte Kündigungen aufgrund eines bestehenden Personalüberhangs vermieden werden können. Diesen Ansatz verfolgt auch das Land Sachsen-Anhalt, indem es die Arbeitszeit und die Bezahlung der Landesbediensteten (Angestellte und Arbeiter) in Abhängigkeit von der Vergütungsgruppe um bis zu 7,5 % befristet abgesenkt hat.
Grundsätzlich erscheint mir eine generelle Arbeitszeitverkürzung aber ungeeignet, die Personalkosten der öffentlichen Hand abzusenken, da die notwendige Neueinstellung von Arbeitnehmern zur Aufrechterhaltung der Aufgabenerfüllung zur Kostensteigerung führt:
® Lohnausgleich, wenn kein Lohnverzicht (steigert die Lohnkosten um 14,3 % bei einer Verkürzung von 40 auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich).
® Fixkosten der Arbeit (abhängig von der Zahl der Beschäftigten): z. B. Verwaltungsaufwand, Weiterbildungsmaßnahmen, soziale Leistungen, Einarbeitungskosten; evtl. mehr Betriebsärzte; mehr Pflichtplätze für Behinderte etc. nötig.
Ferner möchte ich zu bedenken geben, dass, bis Umstrukturierungsmaßnahmen getroffen sind, Mehrarbeit (Überstunden) als Übergangslösung angeordnet werden kann. Zur Aufrechterhaltung der Aufgabenerfüllung kann die Arbeitszeitverkürzung durch Überstunden kompensiert werden. Auch hier wäre die Folge, dass kein Beschäftigungseffekt eintritt und sogar Mehrkosten durch Überstundenzuschläge (falls keine Arbeitszeitflexibilisierung) anfallen könnten.
Des Weiteren würde auch der öffentliche Dienst gezwungen sein, Rationalisierungsinvestitionen vorzunehmen, um eine Kompensation der durch die tarifliche Arbeitszeitverkürzung induzierten Kostenexpansion zu erreichen.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass im es Falle der Umsetzung Ihres „Modells“ zu einer weiteren Verstärkung des „Outsourcing“ oder der „Leiharbeit/Fremdpersonaleinsatz“ im öffentlichen Dienst kommen würde und dies zu einem negativen Beschäftigungseffekt führen würde.
Sie bedenken auch nicht, dass in einigen Bereichen des öffentlichen Dienstes schon jetzt ein Fachkräftemangel zu beobachten ist, der sich bei einer Arbeitszeitverkürzung verstärken würde. Ich möchte auch zu bedenken geben, dass die mit Lohnkürzungen verbundenen Arbeitszeitverkürzungen bisweilen von den Arbeitnehmern teilweise abgelehnt werden. Die Folge sind Unzufriedenheit, geringere Arbeitsmotivation, höherer Krankenstand, geringere Fertigungsqualität (so die Beobachtung der Volkswagen AG nach Einführung der 4-Tage-Woche).
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Scharf