Frage an Jürgen Scharf von Wolfgang T. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Scharf,
mit Interesse habe ich Ihren Wahlflyer gelesen. Dazu habe ich 2 Fragen:
1. Sie verweisen auf erfolgreiche Ansiedlungen in der Wirtschaft und mehr Arbeitsplätze. Dies ist m.E. nur über die Zahlung von Dumpinglöhnen gelungen. So hat unser Bundes- land zwar die höchste Arbeitsproduktivität in Ostdeutschland, aber gleichzeitig die niedrigsten Löhne und die längsten Arbeitszeiten. Dieses Missverhältnis kann nur mit der Einführung allgemein-verbindlicher Mindestlöhne per Gesetz beendet werden. Wie stehen Sie zur Einführung solcher Mindestlöhne ?
2. Seit 1976 sind Sie Mitglied der CDU und waren auch Abgeordneter einer Stadtbezirksver- sammlung. Nun war ja die damalige Ost-CDU in der DDR eine gleichgeschaltete Block- Partei, die die Beschlüsse der SED auf allen Ebenen mitgetragen hat. Wie sehen Sie heute die Rolle der CDU in der ehemaligen DDR ?
Mit freundlichen Grßen
Wolfgang Tonn
Sehr geehrter Herr Tonn
Zu Frage 1
Unser Grundsatz ist, dass Arbeit sich lohnen muss. Die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen, auskömmlich bezahlten Arbeitsplätzen hat für die CDU höchste Priorität. Für uns gilt: Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft. Auch wer gering qualifizierte Arbeit verrichtet, muss deshalb so gestellt sein, dass er davon sich und seine Familie ernähren kann. Und wir kennen die Problemlagen von Familien mit zum Teil sehr niedrigen Einkommen.
Genauso wie sich Arbeit nach unserer Ansicht lohnen muss, muss es sich lohnen in Arbeitsplätze zu investieren. Eine wichtige Kostenkomponente, insbesondere im Dienstleistungssektor, ist der Lohn. Deshalb treten wir für moderate Lohnsteigerungen ein, die durch Fortschritte in der Produktivität gedeckt werden können. Die Lohnfindung selber soll aber nicht staatliche Aufgabe sein, sondern möglichst durch die Tarifpartner erfolgen. Gleichzeitig soll das Finden fairer Löhne durch Anwendung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung und des Arbeitnehmerentsendegesetzes unterstützt werden. Regionale sowie branchenbezogene Lohnuntergrenzen sollten von den Tarifpartnern bestimmt werden, denn nur sie wissen, welche Löhne sowohl für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer vertretbar sind. Wir setzen uns daher für eine Stärkung der Tarifpartner und deren Organisation ein, um ihnen die Möglichkeit zu geben, faire Lohnverhandlungen zu führen.
Langfristig müssen wir alles tun, damit unser Land wieder bei Innovationen, Bildung und Forschung eine Spitzenposition innehat. Und gute Arbeitsmarktpolitik ist auf den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet. Mit diversen Programmen, z.B. zur Berufsorientierung, zur Bindung junger Fachkräfte an das Land (Stipendien, PFIFF) sowie zur Unterstützung der Integration in den ersten Arbeitsmarkt (Einstiegsgeld), hat die CDU-geführte Landesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, der Wirtschaft sowie den Sozialpartnern den Arbeitsmarkt wieder belebt und ihn fit für die Zukunft gemacht. Wir sind zuversichtlich, dass der im Juni 2010 unterzeichnete Fachkräftesicherungspakt helfen wird, den zukünftigen Fachkräftebedarf und somit auch das weitere Wachstum unserer Wirtschaft zu sichern. Und mit diesem Wachstum, wachsen die Löhne für junge gut ausgebildete Fachkräfte und somit die Standortvorteile für Sachsen-Anhalt.
Und noch ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen sowie das Lohn- und Gehaltsgefüge in Sachsen-Anhalt. Sachsen-Anhalt hat in den letzten Jahren über 80.000 neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. Der erneute Anstieg der Erwerbstätigkeit in Sachsen-Anhalt ist ein deutlicher Beleg für den klaren Aufwärtstrend der Wirtschaft unseres Landes, der sich weiter positiv auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt. Danach hat die Erwerbstätigkeit in Sachsen-Anhalt laut kürzlich veröffentlichten Berechnungen des Statistischen Landesamtes im Vergleich zum Vorjahresquartal zum zweiten Mal in Folge zugenommen. Dieser Anstieg ist hauptsächlich auf die Zunahme der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zurückzuführen.
Laut Statistischem Landesamt hatten im dritten Quartal 2010 1,021 Millionen Erwerbstätige ihren Arbeitsplatz in Sachsen-Anhalt. Das waren 7.100 Personen oder 0,7 Prozent mehr als im dritten Quartal 2009. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2010 nahm die Erwerbstätigkeit in Sachsen-Anhalt sogar um 15.100 Personen oder 1,5 Prozent zu.
Und in kaum einem Land wurde mehr investiert als hierzulande. Mit 336 Investitionsprojekten im Jahr 2010 hat das Land die höchste Anzahl seit 2004 gefördert und konnte mit einem Investitionsvolumen von 1,6 Milliarden Euro das zweithöchste seit 2006 erzielen. Von Januar bis November 2010 gab es hierzulande insgesamt rund 20 Prozent weniger Insolvenzen als im Vorjahreszeitraum. Im Vergleich aller Bundesländer haben wir damit den höchsten Rückgang. Diese Entwicklung hält mittlerweile seit Jahren an.
Auch beim Thema Lohn und Gehalt ist ein Aufwärtstrend zu verzeichnen.
Weder bei der Betrachtung des durchschnittlichen Bruttostundenlohns noch bei der des Medianeinkommens entsprechend der Bruttoarbeitsentgeltstatistik der BA kann Sachsen-Anhalt als Niedriglohnland bestätigt werden.
Tatsächlich unterschieden sich die durchschnittlichen Stundenlöhne in den neuen Bundesländern im Jahr 2009 nur sehr gering und liegen in einem Bereich zwischen 16,01 Euro in Mecklenburg-Vorpommern und 17,06 Euro in Brandenburg. Sachsen-Anhalt hält hier einen mittleren ostdeutschen Platz mit 16,56 Euro. Dies sah in 2001, dem letzten Jahr, in dem die Linkspartei in Sachsen-Anhalt mehr oder weniger Verantwortung trug noch anders aus. Damals trennten unser Bundesland nur 7 Cent vom letzten Platz den damals wie heute Mecklenburg-Vorpommern mit 13,43 Euro inne hatte.
Aber auch unter Verteilungsgesichtspunkten ist Sachsen-Anhalt unter den neuen Bundesländern durchaus nicht ein Sinnbild für einen ausgeprägten Niedriglohnbereich. Laut der Bruttoarbeitsentgeltstatistik der BA liegt das Medianeinkommen der sv-pflichtigen Vollzeitbeschäftigten in Sachsen-Anhalt bei 1.989 Euro im Monat. Das heißt, dass die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten mehr als dieses Arbeitseinkommen beziehen. Damit liegt Sachsen-Anhalt unter den fünf neuen Bundesländern hinter Brandenburg (2.004 Euro), aber vor Sachsen (1.931 Euro), Thüringen (1.914 Euro) und Mecklenburg-Vorpommern (1.907 Euro). Auch die Betrachtung der Grenze zwischen 1. und 2. Quintil zeigt, dass 80 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Sachsen-Anhalt über 1.318 Euro im Monat erhalten. Wiederum liegt dieser Wert nur in Brandenburg höher (1.335 Euro). In Thüringen (1.310), Sachsen (1.300) und Mecklenburg-Vorpommern (1.288) liegt der das Monatseinkommen, dass die 20 Prozent mit den niedrigsten Einkommen vom Rest abgrenzt, unter bzw. zum Teil deutlich unter dem Wert in Sachsen-Anhalt.
Unter den CDU-geführten Landesregierungen sind die Bruttolöhne nirgendwo so stark angestiegen, wie in Sachsen-Anhalt. Während sie hier um 25,9 Prozent anstiegen, betrug der Anstieg in den alten Bundesländern nur 14,4 Prozent. Tatsächlich waren im Juni 2009 (lediglich) 2,4 Prozent und im Juni 2010 3,1 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Leih- oder Zeitarbeit beschäftigt. 2,9 Prozent aller in Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdienten weniger als 7,50 Euro.
Zu Frage 2
Die CDU in der ehemaligen DDR war eine seit Anfang der fünfziger Jahre gleichgeschaltete Blockpartei. Ein eigenständiges Handeln, insbesondere ein eigenes Parteiprogramm war ihr verboten. Mehrere Verhaftungswellen unter CDU-Mitgliedern haben diesen Weg erzwungen. Für die CDU-Mitglieder stellte sich die Frage, ob angesichts dieser Einschränkungen eine Mitarbeit in der CDU nicht unweigerlich zu einer nicht hinnehmbaren Anpassung an die Forderungen der SED bedeutete. Viele Mitglieder haben deshalb die CDU verlassen. Es sind jedoch andere trotz der bestehenden Einschränkungen in der CDU geblieben und auch neu in die CDU eingetreten. Für dieses Verhalten gab es verschiedene Gründe. Nach meiner Einschätzung wollten eine Reihe der eingetretenen CDU-Mitglieder Ruhe vor der Nötigung haben, in die SED einzutreten, andere, so auch ich, versuchten die vorhandenen Freiräume zu nutzen, ohne für sich zu große persönliche Kompromisse machen zu müssen. Mir selber war aber der politische Preis der "großen Linie der SED" prinzipiell zustimmen zu müssen, um im Kleinen etwas auf Stadtbezirksebene erreichen zu können, auf Dauer zu hoch, so dass ich gar nicht ein zweites mal versucht habe, für die Stadtbezirksversammlung Magdeburg Südost als Abgeordneter zu kandidieren.
Näheres über meine Einschätzung der Arbeit der CDU zu DDR-Zeiten und über meinen Weg in den Landtag finden Sie auf meiner persönlichen Homepage www.JuergenScharf.de unter der Navigation "Veröffentlichungen" und dort in den Beiträgen "CDU-Programmarbeit als Selbstverständigung und Angebot" (Einige Aspekte der CDU-Programmarbeit in ihrer Gründungsphase, in der DDR und 1989/90, schriftliche Fassung eines Vortrages auf einer Veranstaltung des CDU-Kreisverbandes Magdeburg am 7.Oktober 2000) und "Mein Weg in den Landtag" (Aus einer Schriftenreihe der CDU-Fraktion, Oktober 1992).
Mit freundlichen Grüßen
J. Scharf