Frage an Jürgen Roth von Sven H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Roth,
auch diesen Sommer erreichen uns wieder schlechte Nachrichten über die Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche. Wie kann aus Ihrer Sicht das angebot aus Ausbildungsplätzen verbessert werden bzw. den Jugendlichen eine Ausbildungsmöglichkeit geboten werden. Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zu einer Ausbildungsplatzabgabe der Unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen,
Sven Harmsen
Sehr geehrter Herr Harmsen,
Ich danke für Ihre Fragen in einem Kernbereich unserer Zukunftsgestaltung.
Am Beginn des neuen Ausbildungsjahres müssen wir das Scheitern des Ausbildungspaktes feststellen. Einige zehntausend Jugendliche werden keinen Ausbildungsplatz bekommen. Es ist zu befürchten, dass viele von ihnen letztlich in der Sackgasse einer ungelernten Arbeit landen oder sogar auf Dauer arbeitslos bleiben.
Berlin muss endlich alles tun, um die hohe Zahl von Jungen und Mädchen ohne Berufsabschluss erheblich und nachhaltig zu reduzieren. Die Bildungspolitik Land muss endlich dafür sorgen, dass Jungendliche überhaupt einen Schulabschluss haben und so die Qualifikation für die Aufnahme einer Ausbildung mitbringen.
Ein Grundproblem der Berufsausbildung ist seit langem, dass nur die Hälfte der Betriebe überhaupt ausbildet. Das Land ist hier in der Pflicht, Betriebe besser zu beraten und bei der Ausbildung zu unterstützen. Gerade junge Firmen könnten hier ermutigt werden, durch Ausbildung in ihre eigene Zukunft zu investieren. Auch die Kammern können verstärkt Dienstleistungen übernehmen. Sinnvoll wäre es auch, wenn bestimmte Kosten von allen Betrieben übernommen würden, die der Kammer angeschlossen sind. Hier sind wir an einem weiteren Kernproblem, der besseren Verteilung der Ausbildungskosten zwischen den ausbildenden Betrieben und denen, die nicht ausbilden. Die Tarifparteien sind hier verstärkt in der Pflicht.
Klar ist: wer nicht ausbildet, soll zahlen. Wer ausbildet, soll auch (aber nicht nur!)finanziell unterstützt werden! Im Ergebnis halte ich aber branchen- und regionalspezifische Umlagesysteme für zielführender und flexibler als einen monströsen Bundesfonds. Der erinnert mich an den gruseligen Gesundheitsfonds, aus dem ebenfalls keine Reformimpulse sondern nur mehr Bürokratie und höhere Verwaltungskosen entstehen werden.
Nötig ist die bessere Verzahnung schon Schule und Wirtschaft. Praktika müssen noch mehr in den schulischen Alltag integriert werden. Ganz wichtig ist hier die Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Sie müssen eine wichtigere Rolle bei der beruflichen Orientierung der Schülerinnen und Schüler spielen als bisher.
Seit der Vergaberichtlinie der EU aus dem Jahre 2004 ist es rechtlich möglich, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Betriebe zu bevorzugen, die ausbilden. Das ist nötig und auch erforderlich, um weitere Anreize für die Betriebe zu schaffen, ihrer Ausbildungsverpflichtung nachzukommen. Hier gilt wie in so vielen anderen Politikfeldern das weise Wort von Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes - außer man tut es".
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Roth