Frage an Jürgen Roth von Alexandra N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Roth,
Sie sind Direktkandidat in meinem Wahlkreis und haben auf Ihrer Webseite das Motto ‚Fair Grün Roth’. Ich möchte Ihnen hier Fragen zur Innerparteilichen Demokratie stellen. Anlass ist folgender Vorgang im Kreisvorstand Tempelhof-Schöneberg, dem Sie angehören:
Der Kreisvorstand hat im Sommer 2006 entschieden, einem Mitglied der grünen Fraktion in der BVV von Tempelhof-Schöneberg die Zahlung einer Honorarforderung zu verweigern, für eine Leistung, die im Auftrag des Vorstandes erbracht wurde.
Die Verweigerung der Honorarzahlung wird damit begründet, dass die betroffene Fraktionärin mit ihren ‚freiwilligen Abgaben’ an die Partei im Rückstand sei.
Ich möchte von Ihnen wissen
-finden Sie es richtig, das eine demokratische Partei gegen den Willen der betroffenen Person‚ ‚freiwillige Abgaben’ mit Honorarforderungen verrechnet?
-auf welche Rechtsgrundlage stützt sich dieses Vorgehen?
-wie verantworten und wie beurteilen Sie als Stellvertretender Kreisvorsitzender von Tempelhof-Schöneberg das Vorgehen Ihres Kreisvorstandes?
Ich frage mich auch, mit welchen Konsequenzen diejenigen Fraktionären/Innen rechnen müssen, die ihre ‚freiwilligen Abgaben’ nicht regelmäßig in gewünschter Höhe leisten können.
-Ist die Verplichtung zu freiwilligen Abgaben bei Bündnis90 / Die Grünen Vorraussetzung, um sich für ein Mandat nominieren zu lassen?
Mich interessiert sehr, wie Sie als Kandidat für das Abgeordnetenhaus zum Grundsatz des freien Mandats stehen und was Sie zur Freiwilligkeit von Parteispenden zu sagen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. A. Nietsch
Sehr geehrte Frau Nietsch,
Ich stehe ohne Wenn und Aber zum freien Mandat - und zugleich zur Einhaltung getroffener Absprachen. Das betrifft auch die Zahlung freiwilliger Leitungen, die sich aus der einvernehmlich getroffenen Beschlusslage der Partei im Rahmen aller Mitgliedervollversammlungen der vergangenen Jahre ergeben. Wer etwas verspricht, sollte wie im Privatleben dazu stehen - oder ehrlich begründen, warum es nicht geht. Nicht nur die Grünen -auch alle anderen demokratischen Parteien und Organisationen- leben vom ehrenamtlichen Engagement der Mitglieder und von der Bereitschaft, einen finanziellen Beitrag zu leisten. Die Alternative wäre eine völlig vom Staat abhängige Partei - das widerspricht aber unserem Demokratieverständnis.
Der Kreisvorstand, dem ich angehöre, hat im Übrigen keine berechtigten Honorarforderungen verweigert, insofern ist Ihre Darstellung unrichtig. Der Vorstand ist aber zur sorgsamen Haushaltführung verpflichtet. Dazu gehört auch die sorgfältige Prüfung der Frage, ob Zahlungen gerade an Mitglieder der eigenen Partei, in jedem Einzelfall gerechtfertigt sind oder nicht. Intransparente Finanzmauscheleien innerhalb der Parteien, zuletzt in der Affäre Kohl, haben in der Vergangenheit das Vertrauen in alle Parteien tief und nachhaltig erschüttert. Es sei daran erinnert, dass Parteien stets Empfänger öffentlicher Leistungen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind. Nach Artikel 21 Abs. 1 Satz 2 sind sie zur öffentlichen Rechenschaftslegung verpflichtet. Alles andere wäre eine Untreue im Sinne des § 266 des Strafgesetzbuchs.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Roth