Frage an Jürgen Menzel von Stefan G. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Menzel,
meine Frage betrifft ebenfalls die Stromerzeugung in der Zukunft. Grundsätzlich befürworte ich die Förderung von regenerativen Energien. Allerdings habe ich Bedenken, was passiert, wenn der Wind einmal nicht bläßt und die Sonne gerade nicht scheint: wie kann eine stabile Stromversorgung garantiert werden, wenn der Strom zu 100% aus erneuerbaren Energien erzeugt wird?
Sehr geehrter Herr Stefan Grunwald,
Extremwetterereignisse wie die vergangenen Hagelschäden in Baden-Württemberg mit Versicherungsschäden von über 600 Mio. Euro oder dem vergangenen Hochwasser mit über 1 Mrd. Euro zeigen drastisch, dass die Nutzung fossiler Energieträger auf Null zurückgeführt werden muss. Für unsere Versorgungssicherheit ist deshalb der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien existentiell. Dazu muss Strom verstärkt dezentral dort erzeugt werden, wo er auch verbraucht wird. Gleichzeitig müssen die Stromnetze ausgebaut und Speichertechnologien wie die Batterietechnik und „power to gas“ voran gebracht werden, um in Zeiten zu hoher Wind- und Sonnenstromerzeugung diese als Methangas in unseren Erdgasnetzen speichern zu können (In Baden-Württemberg sind wir hierzu ganz vorne mit dabei). In stromarmen Zeiten kann so mit flexiblen Gaskraftwerken erneuerbar zu jedem Zeitpunkt die Versorgungssicherheit für unsere Wirtschaft und unsere Haushalte gewährt werden. Auch die hohen Jahreslaufleistungen von Offshore-Windrädern muss genutzt werden, erfordert aber einen Ausbau der Übertragungsnetze von Nord nach Süd, der verträglich und unter Bürgerbeteiligung voran getrieben werden muss.
Heute durch geringe Betriebsstunden unwirtschaftlich werdende Gaskraftwerke müssen durch ein neues Marktdesign erhalten, anstatt abgeschaltet werden. Jedes neue Kohlekraftwerk behindert hingegen die Energiewende, da es die nächsten 50 Jahre klimaschädlich Kohle verfeuern will.
Der Verbrauch von Strom muss über Preisregularien mit der Erzeugung harmonisiert werden. Also: In Zeiten hohen Stromangebots, niedriger Strompreis, in Zeiten niedrigen Stromangebots, hoher Strompreis. Hierzu müssen unsere Stromnetze intelligenter werden. Trotz aller Erneuerbarer Energien liegen aber im Bereich der Energieeinsparung immer noch sehr große Potentiale einfach nur brach, die endlich erschlossen werden müssen.
Damit die Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 nach unserer Vorstellung einen Anteil von 100% erreichen, muss der Ausbau in allen Bereichen zügig vorangetrieben werden. Im Strombereich müssen die schwarz-gelben Erschwernisse beim EEG wieder zurückgenommen werden. Damit der Stromtarif jedoch nicht immer teurer wird, müssen die Lasten der Energiewende gerechter verteilt werden. Die gerade in den letzten Jahren extrem angestiegenen Befreiungen der Industrie von der EEG-Umlage wollen wir wieder auf ein notwendiges Maß zurückführen.
Das EEG muss novelliert werden. Das Paradoxon, dass immer mehr Erneuerbarer Strom und dadurch sinkende Börsenstrompreise automatisch die EEG-Umlage und damit die Verbraucherstrompreise erhöht, muss korrigiert werden.
Verunsicherungen durch die aktuelle Bundesregierung, in die EEG-Vergütung von Bestandsanlagen eingreifen zu wollen, darf es nicht mehr geben, weil dies die Investitionssicherheit nachhaltig geschädigt hat. Das EEG muss erhalten und für einen veränderten Markt mit zunehmenden Erneuerbarer Energien weiterentwickelt werden. Der Einspeisevorrang für erneuerbare Energie muss erhalten bleiben. Die kostendeckende Einspeisevergütung darf nicht auf wenige Erzeugungsarten reduziert werden, da jede Technik seine Qualitäten hat und zum Teil auch durch Speicherfähigkeit zum Gelingen der Energiewende beiträgt.
Für eine Beschleunigung der Sanierung von Bestandsgebäuden muss das bislang steuerfinanzierte Fördersysteme durch haushaltsunabhängige, verursacherfinanzierte Fördermechanismus ersetzt werden. Dies schafft Verlässlichkeit und Planungssicherheit für Bauherren und Handwerksbetriebe. Mit einem Heizstoffsteuer-finanzierten Prämienmodell – ähnlich der EEG-Umlage im Strombereich – ließen sich Anreize und Lenkungswirkungen für verschiedenste Energiesparmaßnahmen und den Einsatz Erneuerbarer Energien im Wärmebereich schaffen. Ergänzt durch ein Quotenmodell für konkrete Einsparziele lassen sich zusätzlich die verschiedenen Marktakteure wie Energieversorger und Endenergielieferanten in die Pflicht nehmen.
Im Wärmebereich muss auf der Verbrauchsseite eine Novelle der EnEV endlich die Effizienzgewinne im Gebäudebereich weiter voranbringen. Auf der Erzeugerseite muss energieeffiziente Heizungstechnik nach dem Top-Runner-Prinzip durch Einführung entsprechender Obergrenzen zunächst Vorreiter und dann Standard werden.
Die Entwicklung im Fahrzeugbereich zu energieeffizienteren Fahrzeuge ist zwar zu begrüßen, solange aber mit den Effizienzgewinnen immer noch mehr Fahrzeuggewicht und mehr Fahrdynamik kompensiert werden, läuft etwas falsch. Es müssen daher Anreize geschaffen werden, den absoluten Verbrauch aller Fahrzeuge zu reduzieren. Ganz wichtig ist aber, dass der Umweltverbund, bestehend aus Fußgänger-, Rad-, Bus- und Bahnverkehr attraktiv und verlässlich ausgebaut wird und so zu einem klimafreundlichen Verkehrsverhalten einlädt.
Im Verkehrssektor können die öffentlichen Verwaltungen bei der Neuausschreibung von Fahrzeugbeschaffungen mit dem Setzen von Qualitätsstandards zum Einsatz nachhaltiger Biokraftstoffe und von Elektrofahrzeugen Einfluss auf eine positive Marktentwicklung nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Menzel