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Jürgen Friedrich
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Frage von A. R. •

Frage an Jürgen Friedrich von A. R. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Friedrich,

Sie sind Landschaftsplaner. Ich habe eine Frage. Laufen die Grünen mit ihren Konzepten der regenerativen Energien nicht in die Sackgasse?
Klar, die Grünen stellen fest: die Rohstoffe werden knapp und der Energiehunger der Welt steigt. Das sehe ich auch so. Aber, stellen Sie sich jetzt bitte einmal beim boomenden China vor:

a) wenn jeder Chinese einmal pro Woche sein Auto volltanken würde, rechnen Sie jetzt nach,
b) wenn bei einer Milliarde neuer Autos jedes Auto - ich überschlage mal - zwei Meter lang ist,

reicht die Schlange 2,5 Mal zum Mond und wieder zurück. Dazu kommt der Energieverbrauch für Heizung, Wirtschaft und so.
Ist es jetzt nicht an der Zeit, dass auch die Grünen endlich der Kernenergie den Vorrang geben und sie nicht immer dogmatisch ablehnen? Könnten regenerative Energien überhaupt jemals so viel Energie erzeugen?
Unvorstellbar für mich, wie viele Windparks und Rapsfelder wir dann bräuchten?
Muß Deutschland bei diesen unfassbaren Vorstellungen nicht dringend neue Atomkraftwerke bauen und bei den alten die Laufzeiten verlängern anstatt Atomkraftwerke wie Stade abzuschalten? Ist bei diesen unvorstellbaren Größen die Kernenergie nicht die billigere Energie und wären wir dann nicht energiepolitisch unabhängiger? Würde der CO2-Ausstoß nicht signifkant verringert?
Auf Ihre Antwort bin ich gespannt und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Alexander Rose

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rose,

gerne beantworte ich Ihre Frage, die jedoch nicht mit wenigen Worten zu beantworten ist.

Ihre Rechnung ist schon außergewöhnlich. Ich verstehe Sie so, dass Sie mit Ihrer Darstellung den zukünftigen "Energiehunger" deutlich machen möchten. Zu Ihrer ersten Frage muss ich entgegnen, dass wir mit unseren energiepolitischen Konzepten auf dem richtigen Weg sind und dieser Weg ist keine Sackgasse. Warum? Eine Vielzahl von Argumenten spricht eindeutig gegen einen erneuten Einstieg in die Atomenergie. Das enorme Risiko von Unfällen aufgrund technischer Mängel oder menschlichen Versagens bleibt nach wie vor ein zentrales Argument für den Ausstieg aus der Atomenergie. Nie auszuschließen werden Reaktorunfälle sein und ihre Folgen können zu unkalkulierbaren Schäden für ganze Regionen führen. Das Atomkraftwerk in Forsmark (Schweden) ist ein aktuelles Beispiel. Dort gab es am 25. Juli 2006 einen Kurzschluß und zwei der vier Notstromaggregate fielen anschließend aus. Und nur großes Glück verhinderte den Supergau. Dabei gilt das Umweltrisiko nicht nur für den Betrieb von Reaktoren, sondern für den gesamten Brennstoffzyklus. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass schon die Uranerzgewinnung ganze Landstriche verseucht. Auch der Transport und die Lagerung radioaktiver Materialien bergen unvertretbare Risiken.
Nun wird für Sie sicherlich vorstellbar, warum die GRÜNEN für regenerative Energien eintreten und keine Vorrangpolitik für die Atomenergie befürworten, die Sie in Erwägung ziehen. Nun komme ich zu den erneuerbaren Energien aus Ihrer 2.Frage. Das Potential der erneuerbaren Energien ist unendlich. Mehrfach könnte man technisch den Energiebedarf der Erde mit ihnen decken. Denken sie nur an das große Potenzial der Sonnenenergie und die Menge an Hausdächern.Heute ist es allein eine Frage der Kosten, die kurzfristig gesehen noch höher liegen als bei konventionellen Energieträgern, weil andere Energieträger z.T. hochsubventioniert (Kohle, Atom) sind bzw. deren externe Effekte (Umwelt-, Klimafolgekosten, Gesundheitskosten etc.) sich nicht in deren Preisen widerspiegeln.

In Mecklenburg-Vorpommern erzeugen wir inzwischen rund 30 % unseres Strombedarfs mit regenerativen Energien. BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN setzen sich für ein "Energiekonzept M-V 2020" ein, das eine komplette Deckung des Strom- sowie 25 % des Wärme und Treibstoffbedarfs unseres Landes aus regenerativen Energien bis zum Jahre 2020 anstrebt. Dies lässt sich durch die Erhöhung der Energieeffizienz und den Ausbau regenerativer Energien erreichen.

Zu Ihrer Frage der energiepolitischen Unabhängigkeit und billige Energie. Es gibt keine unabhängigen Energieträger, außer den regenerativen Energieträgern (Wasser, Wind, Sonne und Biomasse). Letztendlich ist auch der Brennstoff Uran nur noch wenige Jahrzehnte (ca. 50 Jahre bei gleich bleibendem Verbrauch) verfügbar und auch dieser Brennstoff muss eingeführt werden. Spätestens in 10 - 15 Jahren rechnen Experten aufgrund der Knappheit mit Preissprüngen. Kaum vorstellbar, welche Kosten der Ausbau der Kernenergie verursachen würde. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Staat die Atomenergie mit über 100 Milliarden Euro aus Steuergeldern subventioniert. Sie ist bis heute nicht wettbewerbsfähig, denn bis heute genießen die Betreiber Steuerfreiheit für die Entsorgungsrückstellungen und Rabatte bei der Versicherung von möglichen Schäden. Externe Effekte der Atomenergie, also Kosten für Umweltverschmutzungen, radioaktive Verseuchung und Gesundheitsgefährdungen bleiben hier noch unberücksichtigt.

Die wesentliche Ursache für steigende Strompreise, die Sie in Ihrer Frage auch ansprechen, liegt im brachliegenden Wettbewerb, im Stromvertrieb und einem Strommarkt, der zu 90 % bei der Erzeugung von vier Marktführern beherrscht wird, die den Börsenpreis diktieren und alljährlich Traumrenditen im Stromgeschäft abschöpfen können.

Zuguterletzt noch einige Worte zur Laufzeitverlängerung im Hinblick auf den CO2-Ausstoß. Die Laufzeitverlängerung ist eine Investitionsbremse für Investitionen in erneuerbare Energien, in effiziente Technologien und in innovative Energiedienstleistungen, die dafür sorgen, dass Energie intelligenter genutzt und weniger verschwendet wird. Eine solche Investitionsbremse verhindert über Jahre die notwendigen Klimaschutztechnologien und gleichzeitig viele neue Arbeitsplätze: während im Bereich der Atomenergie die Zahl der Beschäftigten für Jahre bei etwa 38.000 bliebe, könnten allein im Bereich der Erneuerbaren Energien nach Berechnungen des BMU bis 2020 etwa 400.000 Arbeitsplätze entstehen. Die Zukunft gehört den Erneuerbaren Energien. Entgegen dem allgemeinen Trend sind in Deutschland in den letzten Jahren tatsächlich 150.000 zusätzlicher Arbeitsplätze geschaffen worden. Davon allein 130.000 in der Windenergieindustrie.

Atomkraft als Mittel gegen den Klimakollaps funktioniert ebenfalls nicht. Auch Atomkraftwerke produzieren über die gesamte Produktions- und Entsorgungskette CO2-Mengen. Selbst wenn ab sofort weltweit alle verfügbaren Mittel in den Ausbau der Atomenergie gelenkt würden, wäre der Effekt auf den globalen Treibhausgas-Ausstoß marginal (Der Anteil der Atomenergie an der Energieversorgung beträgt weltweit lediglich 7 Prozent).

Sie erwähnten die zukünftig steigende Anzahl von Kraftfahrzeugen in wachstumsstarken Ländern, wie China. Ein Ausbau der Atomenergie, könnte diesen wachsenden Energiebedarf nicht ausgleichen. Die Atomenergie ist nur für den Strombereich relevant. Ansonsten setzen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Verkehrsbereich auf den Ausbau der öffentlichen Nah- und Fernverkehrssysteme, der Verkehrsvermeidung sowie auf einer zunehmenden Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Besonders wichtig ist die Steigerung der Effizienz, die zum Energiesparen beiträgt und die Nutzung alternativer Kraftstoffe.

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Friedrich