Frage an Josef Winkler von Michael S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Winkler,
meine Frage richtet sich an Sie, da ich aufgrund Ihrer Funktion als Beauftragter für Kirche und interreligiösen Dialog in Ihrer Fraktion ein Interesse an Fragen von Religion und Gesellschaft voraussetze: Vor einiger Zeit haben Jugendliche in einer von der Bundeszentrale für politische Bildung veranworteten und vom Bundespresseamt mit finanzierten Zeitschrift "Q-rage" sehr kritische Fragen an die evangelikalen Strömungen innerhalb der evangelischen Kirche gerichtet. Für den Beitrag der Jugendlichen wurde die Bundeszentrale selbst scharf angegriffen, namentlich ihr Vorsitzender Thomas Krüger, dies auch nach einer inhaltlichen Distanzierung.
Meine Frage: Wäre es nicht angebracht, als Abgeordneter des Deutschen Bundestags die Freiheit der Bundeszentrale für politische Bildung auch öffentlich zu verteidigen, einschließlich der Freiheit, dass Jugendliche eine Meinung veröffentlichen dürfen, über die sich trefflich streiten lässt? Wäre es nicht angebracht, aus grundsätzlichen Erwägungen öffentlichen Druck von Interessensgruppen abzuwehren?
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Steck
Sehr geehrter Herr Steck,
es sind hier zwei Dinge voneinander zu trennen. Zum einen das Schreiben des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung an alle deutschen Schulen und zum anderen die Zeitschrift, die mit diesem Schreiben beworben wurde.
Wenn ein Präsident einer Bundesbehörde in einem dienstlichen Schreiben Islamisten und evangelikale Christen in einem Atemzug nennt, ist die Empörung der Betroffenen für mich nachvollziehbar. Die Rücknahme einer solchen Äußerung und eine entsprechende Klarstellung ist inzwischen erfolgt, Hr. Präsident Krüger hat es als "Versehen" bezeichnet, daß ihm diese Formulierung unterlaufen ist. Wieso sollte ich mich jetzt dafür einsetzen, daß er weiter sagen darf, was er gar nicht gesagt haben will?
Bezüglich der Zeitschrift stellt sich der Sachverhalt etwas anders dar. Die Zeitung Q-Rage kann selbstverständlich die Pressefreiheit für sich in Anspruch nehmen. Insofern kann man sich als Betroffener darüber ärgern, was dort behauptet wird und im Zweifel fordern die öffentliche Förderung einzustellen. Im übrigen genau das, was wir im letzten Jahr bezüglich der öffentlichen Förderung des "Christival" angemahnt haben. Die pauschale Formulierung: "Die Erzkonservativen, zum Teil verfassungsfeindlichen Ideologien werden [von den Evangelikalen] da fast nebenbei vermittelt" ist eigentlich nicht recht verständlich. Welche Regelungen der Verfassung denn genau gemeint sind, wird nicht klar. Damit werden alle Christinnen und Christen die sich einer evangelikalen Strömung zuordnen (und dieser Begriff ist alles andere als genau) in Ihrem Tun als "zum Teil verfassungsfeindlich" deklariert. Das ist ein ernster Vorwurf, den man wenn schon präziser und nachvollziehbarer ausformulieren müßte.
Von einem liberalen und pluralistischen Standpunkt aus gibt es viele Vorstellungen und Überzeugungen die man an einigen oder auch allen Gruppen der "Evangelikalen" ablehnen und an denen man natürlich auch Kritik äußern darf. Aber diese Kritik sollte immer auch mit konkreten Argumenten untermauert sein, sachlich bleiben und auch nicht verallgemeinert von einigen wenigen innerhalb einer "Fraktion" auf die gesamte Gruppe schließen. Und das sollte diese Kritik in besonderer Weise, wenn sie von einer staatlichen Organisation gefördert wird. Man kann im Rahmen der Pressefreiheit aber sicher auch eine solche Auffassung vertreten, wie sie in dem Artikel zu lesen war. Eine etwas ausdifferenziertere Argumentation wäre aber sicherlich hilfreich gewesen. Ein Wort zum Schluß: Da man die beiden Autoren des Artikels ja inzwischen durch eine gezielte Rufmordkampagne auf den einschlägigen Internet-Seiten und sogar durch Veröffentlichung ihrer Adressen und Fotos versucht hat einzuschüchtern, komme ich in der Abwägung zum Schluß, daß die Gefährdung der Pressefreiheit, die inzwischen festzustellen ist durch diese Kampagne, mindest gleich schwer, wenn nicht schwerer wiegt als die schutzwürdigen Interessen namentlich nicht genannter Evangelikaler Gruppen und Personen. Eher wäre eine Solidaritätsadresse des Journalistenbunds bzw. der Bundespressekonferenz mit Ihren jungen Kollegen anzuregen. Eine etwa angedachte breitere Veröffentlichung zu diesem Thema würde ich wieder genau diesen Journalisten anvertrauen -- mit mehr Platz für Ihre Argumente und Fakten und womöglich dann mit einem Artikel ergänzt, der eine andere Auffassung wiedergibt.
Mit freundlichen Grüßen,
Josef Winkler