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Johannes Wagner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Anja R. •

Warum wird das von unserer Regierung immernoch zugelassen?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

wir tierliebenden Menschen fordern:

Verbot von Langstrecken-Tiertransporte in Länder außerhalb der EU
Verbot von Amputationen, um Tiere an landwirtschaftliche Haltungssysteme anzupassen
Verbot jeglicher Form der Anbindehaltung, darunter auch die saisonale Anbindehaltung von Rindern und die Anbindehaltung von Greifvögeln
Verbot der Privathaltung exotischer Wildtiere wie Affen, Tiger und Reptilien als „Haustiere“
Verbot aller Wildtierarten im Zirkus – und dies ohne Einzelfall-Schlupfloch
Verbot des Verkaufs von Welpen und anderer Tiere über Online-Plattformen. Die Tierheime sind voll!
Verbot von Qualzuchten in der Landwirtschaft und im Heimtierbereich

Bitte setzen sie sich für diese Verbote ein.

MfG
Anja R. .aus Coburg

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau R.

Vielen Dank für Ihr Engagement für den Tierschutz, den ich persönlich und auch politisch voll unterstütze. Mit der Tierschutzgesetznovelle wollen wir viele der Missstände, die Sie angesprochen haben, beheben. Sie wurde dieses Jahr von Cem Özdemir ins Kabinett eingebracht und steht nun vor dem parlamentarischen Verfahren im Bundestag. In der vergangenen Sitzungswoche (26.09.2024) stand die Novelle des Tierschutzgesetzes zur Ersten Lesung auf der Tagesordnung im Plenum.   

Gerne will ich aber auch nochmal im Detail auf die von Ihnen genannten Forderungen eingehen. 

  1. Langstrecken Tiertransporte  

Bereits 2022 wurden durch Landwirtschaftsminister Özdemir die Tiertransporte aus Deutschland in Länder außerhalb der EU deutlich eingeschränkt. Die aktuellen Transportzahlen sind durch diese Maßnahmen deutlich gesunken, d.h. weniger Tiere wurden direkt aus Deutschland in Drittstaaten transportiert. Durch das Zurückziehen der Veterinärbescheinigungen für Langzeit-Transporte von lebenden Wiederkäuern wurde endlich die Lücke in den bisherigen, lückenhaften Regelungen der Bundesländer geschlossen. Wir wollen national als auch europaweit gegen die qualvollen Langstreckentransporte von Tieren entschlossen vorgehen. Deutschland nimmt mit dieser Maßnahme eine Vorreiterrolle ein und setzt sich aktiv für eine Überarbeitung der EU-Tierschutz-Transport-Verordnung ein. Die EU-Kommission hat Ende 2023 einen Vorschlag für strengere Regelungen bei Tiertransporten vorgelegt. Die Bundesregierung prüft diese Vorschläge und setzt sich im nun laufenden Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene in Brüssel für ambitionierte Regelungen ein, auch um bestehende Lücken beim Tierschutz zu schließen und ein EU-weit hohes Tierschutzniveau sicherzustellen. 

In den anstehenden parlamentarischen Beratungen über das von der Bundesregierung eingebrachte Tierschutzgesetz wird auch geprüft werden, inwiefern Regelungen für ein umfassendes Verbot von Tiertransporten in Drittländer in das Gesetz aufgenommen werden können. 

2. Verbot von Amputationen 

Um die Haltung von zu vielen Tieren in viel zu kleinen Ställen zu ermöglichen, werden immer noch Amputationen an den Tieren durchgeführt. So werden z.B. bei Küken Schnäbel gekürzt, bei Ferkeln Schwänze amputiert und bei Kälbern Hörner ausgebrannt. Eigentlich verbietet eine EU-Richtlinie routinemäßige Amputationen schon seit mehr als zwanzig Jahren. Amputationen, so regelt es auch die nationale Haltungsverordnung, sind nur im Einzelfall erlaubt, um die Tiere zu schützen. Diese theoretische Einzelfall-Regelung aber ist in Deutschland tatsächlicher Standard und findet jährlich millionenfach Anwendung. Das ist unserer Meinung nach kein haltbarer Zustand. Da die Amputationen dienen meiner Meinung nach lediglich zur Bekämpfung von Symptomen eines fehlerhaften Systems, das wir verändern müssen. Wir wollen daher die Tierhaltung grundlegend umbauen und somit allen Tieren ein würdiges Leben ermöglichen. Eine Haltung, die das möglich macht, wollen wir gezielt fördern und die gesetzlichen Regeln verbessern. Tiere brauchen mehr Platz, Auslauf, Licht und Beschäftigung. Amputationen und Qualzucht wollen wir beenden. Für eine tiergerechtere Haltung ist also beides nötig: der Verzicht auf die schmerzhaften Eingriffe bei gleichzeitiger Verbesserung der Haltungsbedingungen, die arttypische Verhaltensweisen der Tiere zulassen. 

Dass bessere Haltungsbedingungen helfen, zeigen z.B. Untersuchungen mit Rindern. Durch ein großzügiges Platzangebot in modernen Laufställen kann auch die Konkurrenzsituation innerhalb der Herden minimiert werden – auch das sorgt für mehr Ruhe und Sicherheit im Kuhstall. Auch bei Schweinen kann man Verbesserungen beobachten. Viele Landwirte arbeiten daran, die Ringelschwänze der Schweine intakt zu lassen. Das erfordert mehr Aufwand. Experimente zeigen: Sobald mehr Beschäftigungsmaterial vorhanden ist, das Futter die richtige Zusammensetzung hat und der Landwirt mehrmals am Tag das Befinden seiner Tiere kontrolliert, sinkt das Risiko für Kannibalismus. Auch für den Landwirt hat es Vorteile, wenn das Schwein intakt bleibt: Der Ringelschwanz ist das Frühwarnsystem in der Schweinehaltung. Schon kleine Veränderungen zeigen: Hier stimmt etwas nicht. Entzündliche Veränderungen, Krankheiten und damit auch Ausfälle für den Landwirt können so umgangen werden.  

3. Verbot Anbindehaltung  

Zusammen mit SPD und FDP haben wir vereinbart, die Anbindehaltung spätestens in zehn Jahren zu beenden. Für uns als Grüne Bundestagsfraktion schließt das sowohl die ganzjährige als auch die saisonale Anbindehaltung mit ein. 

In der Anbindehaltung können Milchkühe nur liegen oder stehen. Jegliche Bewegung darüber hinaus ist nur schwer möglich. Rechtlich ist festzustellen, dass es keine ausdrückliche Erlaubnis der Anbindehaltung gibt, diese lässt auch keine tiergerechte Bewegung im Sinne des Tierschutzgesetzes zu. Daher muss sie in absehbarer Zeit besseren Haltungsformen weichen. Mit einer Novelle des Tierschutzgesetzes wollen wir diese und weitere tierquälerischen Praktiken beenden. 

Der Umbau der Tierhaltung ist insbesondere für kleinere Höfe mit Herausforderungen verbunden, welche für die Artenvielfalt und Pflege der Kulturlandschaften mit ihren traditionellen Nutzungsweisen von Grünland als Weiden und Wiesen wichtig sind. Deshalb müssen auch Perspektiven für die kleinsten Betriebe und die Familien mit ihren Höfen entwickelt werden. Betriebe, die ihre Ställe anpassen oder umbauen wollen, sollen unterstützt werden. Die Bundesregierung stellt in den nächsten Jahren eine Milliarde an Anschubfinanzierung für den klima- und tiergerechten Umbau der Haltung bereit. Diese Milliarde kann für uns Grüne jedoch nur der Anfang sein. 

4. Verbot von Privathaltung exotischer Wildtiere  

Auch zu Hause gilt: Tierschutz ist keine reine Privatangelegenheit. Auch hier gilt das Gesetz. Meiner Ansicht nach wird die Haustierhaltung in Deutschland viel zu wenig thematisiert, obwohl da eklatante Vergehen passieren. Jährlich werden Millionen Wildtiere, viele davon illegal, zur Haltung als Haustier nach Deutschland eingeführt. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes werden jährlich allein zwischen 440.000 und 850.000 lebende Reptilien nach Deutschland importiert. Importzahlen für Meereszierfische, Amphibien oder nichtheimische Säugetiere für den Heimtierhandel werden nicht erfasst. Zunehmend problematisch ist hier für die kommunalen Amtsveterinär*innen das immer breiter werdende Artenspektrum, das sie fachlich beurteilen müssen. 

Es gibt keine offiziellen Statistiken über die Anzahl der in Privathand gehaltenen Tiere wild lebender Arten. Nach Schätzungen des Deutschen Tierschutzbundes leben in deutschen Haushalten etwa 200.000 Würgeschlangen, 10.000 Giftschlangen, 10.000 Warane, Pfeilgiftfrösche, Chamäleons und Tausende weiterer Tiere wild lebender Arten. Durch das von Wildtieren mitunter ausgehende Gefährdungspotential und deren theoretischer Lebenserwartung von bis zu 100 Jahren z. B. bei Landschildkröten und Papageien besteht unaufschiebbarer Handlungsbedarf. Sehr sinnvoll finde ich die Forderungen der Grünen Niedersachsen dahingehend, dass: 

  • dem Modell Belgien/Niederlande folgend in einer „Positivliste“ geregelt wird, welche Tiere als Heimtiere aufgrund ihrer artspezifischen Bedürfnisse bedenkenlos und artgerecht in deutschen Haushalten gehalten werden können. Für alle anderen Arten fordern wir ein Haltungsverbot für Privathaushalte. 
  • Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für exotische Wildtiere. 
  • klare und bundesweit verbindliche einheitliche Rahmenregelungen für die Haltung von exotischen Wildtieren in jeder Haltungsform (Privat/Zoo/Zirkus) erlassen werden. Diese sollen auf Basis eines zeitgemäßen Tierschutzes und wissenschaftlicher Erkenntnisse über die spezifischen Bedürfnisse einzelner Tierarten erstellt werden. 
  • ein verpflichtender Sachkundenachweis für jede Tierart für den Erwerb und die Haltung von exotischen Tieren in Privathaushalten eingeführt wird. 
  • einheitliche Regularien erstellt werden für ein verpflichtendes ausführliches Beratungsgespräch vor dem Verkauf durch fachkundiges Verkaufspersonal, um Spontankäufe zukünftig zu verhindern. Jeder einzelne Verkäufer muss über einen Sachkundenachweis für die jeweilige Tierart verfügen. Die schriftliche Beratungspflicht soll analog Finanzgeschäfte bei Banken und Versicherungen erfolgen. Bei gefährlichen Exoten soll das Haftungsrisiko durch den Verkäufer getragen werden. 
  • eine Rücknahmepflicht des Handels innerhalb einer festzulegenden Frist eingeführt wird. 
  • der Handel von Wildtieren auf Börsen verboten wird. 
  • der Handel mit bedrohten Arten im Internet mit geeigneten Maßnahmen unterbunden wird. 
  • kommerzielle Importe von exotischen Wildtieren verboten werden. 

 5. Verbot aller Wildtierarten im Zirkus  

Bereits 2019 haben wir im Agrarausschuss des Bundestages einen Antrag gestellt, Wildtiere im Zirkus zu verbieten, der damals jedoch abgelehnt wurde. Jetzt in der Regierungsverantwortung wollen wir dies Vorhaben mit der Tierschutznovelle nun endgültig umsetzen. Wir wollen erreichen, dass exotische Tiere nicht länger in Zirkussen gehalten werden dürfen. 

Das Haltungsverbot soll laut Antrag bundesweit für Elefanten, Primaten, Großbären, Flusspferde, Giraffen, Großkatzen, Robben und Reptilien gelten. Das geplante Verbot richtet sich ausdrücklich an Zirkusse - Zoos sind ausgenommen. Zirkusse könnten exotischen Tieren im Gegensatz zu Zoos keine artgerechte Haltung bieten. Bundesweit gibt es noch 40 bis 50 Zirkusse, die mit Exoten arbeiten. Für Tiere, die schon jahrelang in einem Zirkus leben, soll es eine Übergangszeit geben - kein Tier soll aus der Umgebung rausgerissen werden. Neuanschaffungen sollen komplett verboten werden.  

6. Verbot Onlinehandel mit Tieren 

Beim Onlinehandel mit Tieren bin ich etwas gespalten. Einerseits birgt der Onlinehandel durch Anonymität sowohl von Käufer als auch Verkäufer und damit auch keine Registrierung bei öffentlichen Stellen, große Risiken. Man kann weder nachvollziehen, woher das Tier kommt, noch inwiefern der Käufer in der Lage ist, sich gut das Tier zu kümmern etc. Andererseits finden so viele Tiere ein gutes zu Hause, ohne dass sie evtl. ausgesetzt oder in das Tierheim gegeben werden. Daher plädieren wir für eine verpflichtende Identitätsprüfung für den Onlinehandel mit Heimtieren.  

7. Verbot von Qualzuchten 

Der Gesetzesentwurf zur Tierschutznovelle beinhaltet das Verbot der Zucht, Ausstellung und Werbung von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen.  

Fazit 

Cem Özdemir verschafft mit dem Vorschlag für eine Tierschutzgesetznovelle dem Verfassungsziel des Tierschutzes endlich eine angemessene Geltung. Dieses Thema wurde von Vorgängerregierungen lang genug ignoriert, es ist längst überfällig Fortschritt zu wagen und den Tierschutz zu verbessern. 

Der Entwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), der am 24. Mai vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, verspricht Verbesserungen in allen Bereichen, für Heim- und Zirkustiere, genauso wie für landwirtschaftlich genutzte Tiere. Wir bekämpfen das Geschäft mit Tieren mit Qualzuchtmerkmalen ebenso wie den illegalen Tierhandel. Qualvolle Verstümmelungen sollen gänzlich verboten werden. Viele Wildtierarten sollen künftig nicht mehr in Zirkussen gehalten werden dürfen. Tierquälerische Verstöße sollen durch höhere Straf- und Bußgeldrahmen und Videoüberwachung in Schlachthöfen besser erkannt und härter bestraft werden. 

Der Gesetzesentwurf beinhaltet so gut wie alle Punkte, die Sie in Ihrem Schreiben aufgeführt haben. Der Anspruch dieses umfangreichen Gesetzesentwurfs ist deutlich: Lücken im Tierschutz sollen geschlossen werden, der Verfassungsauftrag zum Schutz der Tiere soll erfüllt und der Tierschutz sowohl rechtlich als auch institutionell gestärkt werden. Die geplanten Maßnahmen signalisieren einen entschlossenen Kampf gegen Tierleid und sollen einen präventiven Effekt haben, indem sie klarstellen, dass Tierquälerei kein Bagatelldelikt ist. 

Tierschützer*innen im ganzen Land haben lange auf dieses Gesetz gewartet. Der vorgelegte Entwurf ist sehr umfassend und enthält viele wichtige Maßnahmen. In dem anstehenden parlamentarischen Prozess gilt es nun, weitere Erfolge für den Tierschutz zu verhandeln. Wir arbeiten weiter daran, Missstände zu beheben und gesetzliche Lücken zu schließen. Zum Wohle der Menschen und der Tiere. 

 

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