Portrait von Johannes Wagner
Johannes Wagner
Bündnis 90/Die Grünen
95 %
18 / 19 Fragen beantwortet
Frage von Reinhard G. •

Könnten Impfstoffe, die nicht an neue Virusvarianten angepasst sind, das Virus stärker machen und zu weiteren "Fluchtmutationen" am Spike-Protein führen?

Sehr geehrter Herr Wagner,

es gibt, auch bei 3-fach Geimpften, besonders bei Omikron, viele Impfdurchbrüche und Virusübertragungen. Könnten Omikron dann auch Virusvarianten folgen, die sich schneller verbreiten, aber wieder zu schwereren Verläufen führen?
Könnten Genesene nicht besser geschützt sein, besonders, wenn sie sich mit aktuellen Virusvarianten infiziert haben? Bildet ihr Immunsystem eigentlich vielfältigere Antikörper aus, die Viren an unterschiedlichen Stellen angreifen können und nicht nur am Spike-Protein? Sind sie dann vielleicht auch besser gegen weitere neue Virusvarianten geschützt?
Könnte Omikron vielleicht doch eine Chance sein? Kann und soll man die Verbreitung wirklich verhindern?

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Johannes Wagner
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre vielen interessanten Fragen. Für deren Beantwortung werde ich auf einige Studien zurückgreifen müssen, die ich Ihnen bei Interesse gern zukommen lasse.

Vorab möchte ich betonen, dass die Zahl der Impfdurchbrüche immer anteilig vor dem Hintergrund unserer relativ hohen Impfquote bewertet werden sollte. Denn, je mehr Menschen geimpft sind, desto häufiger sind auch Impfdurchbrüche. Und wichtig ist dabei auch, dass bei einer hohen Impfquote deutlich weniger Menschen (schwer) erkranken, als bei einer niedrigeren Impfquote.

Um Ihre Frage nach weiteren Virusvarianten zu beantworten muss ich ein klein wenig ausholen und erläutern, wie neue Virus-Mutationen entstehen. Man kann sich das so vorstellen, dass der Virus eine Körperzelle befällt und diese dazu zwingt ihr Virus-Genom herzustellen. Die Zelle stellt massenhaft Kopien des Virus her, und dabei passieren natürlicherweise Fehler. So werden fehlerhafte Bausteine in den neuen Virus eingebaut. Diese Fehler können entweder vom Virus erkannt und repariert werden, oder sorgen für eine neue Variante des Virus. Diese Prozesse passieren aber erst mal rein zufällig und haben nicht direkt etwas mit dem Immunsystem zu tun. Antikörper haben aber die Möglichkeit Viren schon vor dem Eindringen in die Körperzelle abzufangen und damit den Kopier-Prozess von vornherein zu verhindern.
Ob und wie gut sich eine neue Variante letztendlich ausbreitet, und wie gefährlich diese ist, hängt von der Mutation ab, und ist damit auch rein zufällig. Ob Genesene besser geschützt sind, lässt sich nicht ganz pauschal beantworten. Zahlen aus den U.S.A. legen nahe, dass eine mRNA-Impfung in den ersten Monaten deutlich besser vor COVID-19 schützt als eine frühere Infektion. Das war besonders deutlich bei der Gruppe der über 65-jährigen. Zahlen aus Israel zeigen aber, dass besonders 6 Monate nach der Impfung eine frühere Infektion den besseren Schutz bietet. Hier wurde aber die Wirkung der Booster noch nicht in Betracht gezogen. Eine noch aktuellere Studie aus Südafrika zeigt, dass die Rate an Zweitinfektionen in der Omikron-Welle höher ist als je zuvor. Es wurden auch mehrere hundert Drittinfektionen und vereinzelt sogar Viertinfektionen vermerkt. Klar ist damit also, dass sich auch (mehrfach) Genesene anstecken können, da auch ihre Immunität nachlässt bzw. keinen 100%igen Schutz gegen neue Varianten bietet. In der Studie heißt es: "Auf Bevölkerungsebene sieht es so aus, als habe die Omikron-Variante eine deutliche Fähigkeit, die Immunität durch eine vorangegangene Infektion zu überwinden."

Dennoch, wie zuvor kurz angemerkt, scheint eine Immunität (egal, ob durch Genesung und Impfung) vor schweren Verläufen zu schützen. Nun zu Ihrer Frage zur Vielfältigkeit der Antikörper. Antikörper richten sich immer gegen Strukturen und Proteine, die an der Oberfläche des Virus liegen, da sie diese erreichen und fest binden können müssen. Bei Geimpften wurde dafür eine ganz spezifische Konformität des Spike-Proteins gewählt. Bei Genesenen können dagegen auch Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein, das Spikeprotein S1 und S2 und die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des Spike-Proteins nachgewiesen werden. Untersuchungen haben auch gezeigt, dass Genesene eine größere Vielfalt Spike-spezifischer Antikörper im Vergleich zu Comirnaty-Geimpften besitzen. Außerdem liegen besonders T-Zell-Epitope nicht nur im Spike, sondern überall im Virus. Dennoch ist eine Impfung der Infektion überlegen, denn bei einer (Erst-)Infektion besteht immer die Gefahr eines schweren Verlaufs, und auch eines Long-Covid-Syndroms. Und in Deutschland gibt es viele Menschen, die noch nicht geimpft sind - diese wären bei einer Verbreitung des Virus stark gefährdet. Außerdem ist die Impfung deutlich konstanter und unterliegt in der Antigen-Menge keinen natürlichen Schwankungen. Bei einer Infektionen können auch nur ganz kleine Virusmengen aufgenommen werden, die eine weniger starke Immunität hinterlassen können. Symptomatische Infektionen scheinen dabei einen besseren Schutz zu bieten, als asymptomatische. Bei einer Impfung ist die Menge des Impfstoffs dagegen erprobt und immer gleich.

Ich möchte Ihnen zum Abschluss noch sehr die Website des Paul Ehrlich Instituts (pei.de) ans Herz legen. Es befasst sich unter anderem mit der Beantwortung genau dieser Fragen und könnte Ihnen in Zukunft verlässliche und vertrauenswürdige Informationen bieten.

Mit freundlichen Grüßen,
Joannes Wagner, MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Johannes Wagner
Johannes Wagner
Bündnis 90/Die Grünen