Frage an Johannes Vogel von Siegfried S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Vogel,
erwerbstätige Ehepartner hatten bislang die Möglichkeit, frei zwischen den Steuerklassenkombinationen vier/vier und drei/fünf zu wählen. Bei Letzterem gibt es zudem die Möglichkeit des Faktorverfahrens, womit eine zielgenauere monatliche Besteuerung entsprechend des Verhältnisses der erzielten Einkommen ermöglicht wird.
Wie kürzlich dem Handelsblatt zu entnehmen war, ist die FDP der Auffassung, dass diese freie Wahl Frauen, die erwerbstätig sein wollen, bestrafe (Johannes Vogel). Für Frauen müsse es sich finanziell lohnen, nach familienbedingter Unterbrechung in den Beruf zurück zu kehren (Nicole Bracht-Bendt). Nach dem Beschluss des 61.Bundesparteitages will die FDP die Steuerklasse V abschaffen. „Die Liberalen wollen ihre Reforminitiative möglichst noch vor der Bundestagswahl umsetzen“ teilte das „MitMachZenrum“ auf Anfrage mit.
Abgesehen davon, dass für dieses Zentrum in der FDP-Bundesgeschäftsstelle offensichtlich das Faktorverfahren kein Begriff ist, halte ich es für bemerkenswert, dass nicht die tatsächliche Steuerlast sondern „die psychologische Bedeutung des Blicks auf die eigene monatliche Gehaltsabrechnung“ entscheidend für das Handeln der FDP ist.
Umso wichtiger wird es für diese psychologische Bedeutung aber sein, ehrlich mit den Betroffenen umzugehen. Leider erteilt das MitMach-Zentrum keine Antwort auf die Fragen:
1. Betrachtet die FDP eine Besteuerung von Ehepartnern in gleicher Höhe wie Alleinstehende für finanziell lohnend?
2. Warum werden nicht einfach die Steuerklassen für Verheiratete ganz abgeschafft? Die Steuer in der Klasse Vier (verheiratet) ist exakt so hoch wie in der Steuerklasse 1 (ledig).
3. Fürchtet sich die FDP vor so viel Klarheit bei ihrem Engagement für „bestrafte“ Ehepartner?
Vielleicht könnten Sie diese Fragen beantworten?
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Stresing
Vater von 5 Kinder
Steuerklassen drei/fünf
Sehr geehrter Herr Stresing,
vielen Dank für Ihre Fragen. Zunächst ist es richtig, dass sich ein Ehepaar durch die Abschaffung der Steuerklasse V am Jahresende weder besser noch schlechter stellt. Nach Einschätzung von Arbeitsmarktexperten ist die Steuerklasse V jedoch oftmals Hinderungsgrund für die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Die psychologische Bedeutung des Blicks auf die monatliche Gehaltsabrechnung darf deswegen nicht unterschätzt werden. Die Abschaffung der Steuerklasse V würde dazu führen, dass in Zwei-Verdiener-Ehen dann eben von vorneherein nur noch die Steuerklassen IV oder IV mit Faktor (auf die sie zurecht hinweisen) gewählt werden könnten.
Bei einem verheirateten Paar mit unterschiedlich hohen Einkommen, die sich auf die Steuerklassen III und V aufteilen, ist der unterjährige monatliche Steuerabzug in der Steuerklasse V extrem hoch. In vielen Fällen sind davon heute Frauen betroffen. In der gemeinsamen Steuererklärung gleichen sich unterschiedlich hohe Steuerabzüge zwar wieder aus, dennoch haben viele Personen in der Steuerklasse V zunächst einmal das Gefühl, dass sich ihre Arbeit kaum "lohnt" und fühlen diese weniger wertgeschätzt - dies höre ich immer und immer wieder von ganz vielen unterschiedlichen Menschen, meist davon selbst betroffene Frauen. Das ist natürlich vor allem ein psychologischer Effekt, dessen Rationalität mir gegenüber immer wieder in Zweifel gezogen wird. Das kann man machen, allerdings ist auch ein psychologischer Effekt in seiner Auswirkung nun einmal real und in meinen Augen schädlich. Denn die Steuerklasse V lenkt fast unbemerkt. Das ist aus meiner Sicht auch eine Form der staatlichen Bevormundung.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Vogel