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Johannes Vogel
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Frage von Angelika H. •

Frage an Johannes Vogel von Angelika H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Vogel,
gestern abend am 30.10.2010 in der Sendung bei M. Illner sprachen Sie wieder die Hinzuverdienstmöglichkeiten für HartzIV-Empfänger an und meinten, diese noch zu erhöhen, um den Arbeitslosen schrittweise den Einstieg in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu ermöglichen. Theoretisch klingt das gut, praktisch führt dies nach meinen Erfahrungen zur Ausbeutung des Arbeitslosen, zu Schwarzarbeit, zur Ausbeutung des Sozialsystems, zur Verzerrung des Marktes - und nicht zur Festeinstellung. Ich arbeite in einem Handwerksbetrieb.

Seit ca. 10 Jahren merken wir, dass unsere Konkurrenz ihre Festangestellten immer mehr gegen Arbeitslose mit Hinzuverdienst austauschte. Festangestellten muß man täglich Lohn und Arbeit geben, Arbeitslosen nicht. Leider ist es so im Handwerk, dass nicht kontinuierlich Aufträge eingehen. Seit der Möglichkeit, Arbeitslose mit Hinzuverdienst auf dem Bau/Ausbau zu beschäftigen, wird dies gnadenlos ausgenutzt. Nach dem Motto: Ihr bekommt doch Stütze! werden Arbeitsstunden mit 4 € abgegolten, alles was über die 100/150 €-Hinzuverdienstgrenze geht, wird schwarz ausgezahlt. Als Konkurrent mit Festangestellten nach Tarif steht man dem machtlos gegenüber, denn der Zoll kontrolliert nur die Meldung des Hinzuverdienstes an die ARGE, nicht aber die tatsächlichen Stunden, welche der Arbeitslose monatlich arbeitet. Das Hinzuverdienergesetz ist daher ein Gesetz, welches nicht kontrollierbar ist, denn es beruht auf Freiwilligkeit der Angaben. Größtenteils werden diese Arbeitslosen nach meiner Beobachtung nicht eingestellt.

Unsere Meinung als Handwerker: Arbeitslose gehören nicht auf die Baustelle!!!! Es ist kein Problem, für größere Aufträge einen befristeten Arbeitsvertrag auszuhandeln!!!
Meine Frage an Sie: Ist dieses Problem im Bundestag nicht bekannt?

Mit freundlichen Grüßen aus Sachsen
Angelika Hörner

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Sehr geehrte Frau Hörner,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Über den von Ihnen geschilderten Fall, dass im Baugewerbe Arbeitsstunden teilweise mit 4 Euro je Stunde abgegolten werden, bin ich empört! Denn sollte der Fall so liegen, würde schlichtweg gegen geltendes Recht verstoßen. Sollte Ihnen also konkrete Vorfälle bekannt sein, so informieren sie bitte die zuständigen Behörden. Dazu können sie entweder die Zollverwaltung oder die Bundesagentur für Arbeit benachrichtigen.
Generell aber hält die FDP-Bundestagsfraktion nach wie vor an ihrer Position fest, die Hinzuverdienstmöglichkeiten im ALG II-Bereich auszuweiten. Jetzt haben wir vereinbart, bei Einkommen zwischen 800 und 1000 Euro den Freibetrag zu verdoppeln.

Das ist weniger als die FDP ursprünglich wollte, aber angesichts der Haushaltslage dennoch ein Schritt in die richtige Richtung. Wir erleichtern damit den Übergang in voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. 2012 wird die Koalition die Zuverdienstregelungen dann noch einmal grundsätzlich angehen.

Ganz entschieden widersprechen möchte ich Ihrer Aussage, wonach die Rückführung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt mithilfe von Zuverdienstmöglichkeiten Tür und Tor öffnet für die Ausnutzung der Leistungsempfänger, Schwarzarbeit und so schließlich zur Ausbeutung des Sozialsystems führt. Vor Rechtsbruch ist niemand gefeit. Es gilt ihn, entschieden zu bekämpfen.

Die Anmerkung, dass es zu einer Ausnutzung der ALG II- Bezieher kommen kann, ist anhand des von Ihnen geschilderten Beispiels mehr als nachvollziehbar, stellt aber nicht den Regelfall dar. Gegen diese These spricht vieles: Wir haben zum Beispiel nach wie vor ein sehr hohes Lohnniveau in Deutschland und gleichzeitig noch viele Langzeitarbeitslose. Wenn es für Arbeitgeber tatsächlich so Gewinn versprechend wäre, ALG II-Bezieher zu beschäftigen, dürfte wir ja kaum noch nicht-erwerbstätige Langzeitarbeitslose haben. De facto hat die Mehrheit der ALG II-Bezieher jedoch keinerlei Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Und bei den sogenannten Aufstockern zeigen die Zahlen auch ganz deutlich, dass es in Deutschland kein Lohnproblem gibt. Die Zahl derjenigen Aufstocker, die trotz Vollzeitstelle nicht für sich selbst sorgen können - anders gesprochen: wo die Lohnhöhe der Grund für den fortgesetzten Hartz IV-Bezug ist -, ist verschwindend gering. Das Problem entsteht hauptsächlich durch Teilzeitarbeit und Größe der gegebenenfalls zu versorgenden Familie.

Andererseits sehen wir auch, dass zugleich noch einiges zur Eindämmung der Schwarzarbeit getan werden muss. Unser Anliegen ist es, eine engere Vernetzung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) an. Um die Kontrollen wirksamer werden zu lassen, muss die Zusammenarbeitsvereinbarung für den Rechtskreis des SGB II umgesetzt werden. Darüber hinaus halten wir eine zusätzliche Bereitstellung von Zoll-Verbindungsbeamten für sehr sinnvoll., was jetzt im Zusammenhang mit der Zeitarbeit aber auch schon geschehen ist. Diese könnten den Mitarbeitern der Sozialverwaltungen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. auch auf diese Weise könnte Schwarzarbeit in Deutschland endlich unattraktiver werden und mehr Arbeitsplätze könnten in die Legalität überführt werden.

Mir ist vollkommen bewusst, dass sich in diesem Bereich noch viel tun muss, aber ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen und danke Ihnen für die wichtigen Hinweise aus der Praxis vor Ort.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Vogel

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