Frage an Johannes Vogel von Thorben L. bezüglich Finanzen
Hallo Johannes,
als Mitglied der Jungen Liberalen wende ich mich an Dich als ehemaligen Vorsitzenden der JuLis und der Vorsitzender der Jungen Gruppe der FDP-Bundestagsfraktion.
Momentan bin ich als Liberaler sehr enttäuscht von meiner Partei und vor allem von den 17 JuLis, die in den Bundestag eingezogen sind. Mich ärgern Beschlüsse wie die Mehrwertsteuersenkung für eine Branche, anstelle eine echte Reform durchzuführen. Mich ärgert es, dass es immer noch ein Entwicklungsministerium gibt, welches man vor der Wahl abschaffen wollte. Die Krönung ist nun, dass von 93 FDP Abgeordneten sich lediglich drei gegen die Finanztransaktionssteuer stellen. Kein einziger davon ist JuLi!!! Ich frage mich wie kommt das? Was bewegt Dich für diese Steuer zu stimmen?
Außerdem würde mich interessieren, was bisher vom JuLi- Wahrprogramm umgesetzt wurde bzw. auf dem Weg ist umgesetzt zu werden?
Mit liberalen Grüßen
Thorben
Lieber Thorben,
vielen Dank für Deine Frage. Ich kann sehr gut verstehen, dass Du als Junger Liberaler enttäuscht bist. Wir haben uns vor der Wahl viel vorgenommen, ein historisches Ergebnis erzielt und 17 JuLis in den Bundestag gebracht. Dann ist der Start von Schwarz-Gelb sehr holprig ausgefallen, es wurden Fehler gemacht, es gab eine Menge Streiterei und viele der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele und Projekte sind eben noch nicht umgesetzt. Hier bleibt in der Tat noch viel für uns zu tun, gerade für die JuLis im Bundestag!
Aber zu Deinen konkreten Fragen: Die JuLis haben auf dem Bundesparteitag der FDP, auf dem das Wahlprogramm beschlossen wurde, mit einem Änderungsantrag, den ich damals als Bundesvorsitzender persönlich begründet habe, gegen die Forderung nach einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die Hotellerie gekämpft. Ich halte die Schaffung einer weiteren Ausnahme vor der Gesamtreform des unübersichtlichen Systems der ermäßigten Mehrwertsteuersätze auch weiterhin für falsch. Wir beide müssen aber auch akzeptieren: Die Mehrheit hat es auf dem Bundesparteitag anders gesehen und so ist die Forderung Teil des Wahlprogramms und später des Koalitionsvertrages geworden (übrigens vor allem aufgrund der großen Unterstützung der CSU) und daher dann auch beschlossen worden. Das war sicherlich ein Fehler, damit muss man als guter Demokrat aber umgehen können.
Bezüglich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die FDP gefordert, es in das Auswärtige Amt zu integrieren, um eine Außenpolitik aus einem Guss zu erreichen. Als Ergebnis der Koalitionsverhandlungen gibt es jetzt weiterhin zwei Ministerien, aber zumindest eine gut abgestimmte Außenpolitik von Guido Westerwelle und Dirk Niebel. Da kann man natürlich die Ansicht vertreten, dass die FDP sich an dieser Stelle nicht genügend durchgesetzt habe. Dir als JuLi, der gerade auch auf das JuLi-Wahlprogramm pocht, müsste das aber gut gefallen: Die JuLis waren immer gegen die Zusammenlegung der beiden Ministerien, konnten sich aber auch an dieser Stelle in der FDP nicht durchsetzen.
Bei der Finanztransaktionssteuer muss ich Dir aber widersprechen: Die von Dir genannte Abstimmung bezog sich auf den Eurorettungsschirm. Hier kann man ja anderer Meinung sein, aber ich habe dies für absolut richtig gehalten. Das sage ich gerade als JuLi, denn wir haben immer begeistert für eine weitere Europäische Integration gekämpft. Zur Finanztransaktionssteuer gibt es bisher keinen konkreten Gesetzesentwurf, sie ist jedoch Teil der Überlegungen, den Bankensektor an der Krise zu beteiligen. Dieses Anliegen halte ich auch für richtig, selbst wenn ich eine Finanzaktivitätssteuer auf die Gewinne der Banken (das hat der IWF vorgeschlagen) für das bessere Instrument halte. Vor allem aber bin ich grundsätzlich der Meinung, dass ein solches Vorhaben nur funktioniert, wenn es international abgestimmt wird. Diesem Ziel hat sich meiner Meinung nach auch die Wahl des konkreten Instrumentes unterzuordnen.
Das JuLi-Wahlprogramm ist vor allem eine Zusammenfassung unserer Forderungen und Positionen. Es hat dazu gedient Einfluss auf das FDP-Wahlprogramm zu nehmen und bleibt eine Orientierung. Auch wenn für das Handeln der Koalition der Koalitionsvertrag und das FDP-Wahlprogramm sicher eine höhere Bedeutung haben, kannst Du Dir sicher sein, dass die Ziele der JuLis gerade von der Jungen Gruppe in der Fraktion konsequent verfolgt werden - auch wenn man natürlich bei dem einen schneller als bei dem anderen vorankommt. Ich will Dich daher zum Schluss darauf hinweisen, dass es zum Glück auch bei einigen JuLi-Herzensangelegenheiten schon vorangeht oder zumindest erhebliche Fortschritte vereinbart sind: beispielsweise bei der Haushaltskonsolidierung, der Reform der Kranken- und Pflegeversicherung, der Rücknahme der Internetzensur, der Einführung von Elementen des liberalen Bürgergeldes in der Sozialpolitik und der Wehrpflicht!
Viele Grüße
Johannes Vogel