Frage an Johannes Vogel von Manfred B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Vogel,
Sie sind noch jung an Jahren, und deshalb bin ich schon sehr erstaunt über Ihr Loblied auf die Zeitarbeit, so wie gestern am 10.Januar bei "Anne Will" gesungen.
Denn schließlich haben Sie doch noch nie in einem Unternehmen in der freien Wirtschaft arbeiten müssen, wie ich Ihrer Vita bei Wikipedia entnommen habe.
Deshalb meine Fragen:
Woher haben Sie Ihre Erkenntnisse?
Haben Sie schon einmal ein Unternehmen besucht das Leiharbeiter beschäftigt und sich mit diesen ausführlich über deren Sorgen und Nöte unterhalten?
Kennen Sie die Regeln der Leiharbeit bspw. in Frankreich und in der Schweiz, und was ist daran so schlecht für die Leiharbeiter dass sich das nicht auch in Deutschland umsetzen ließe?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
in der Sendung vom 10. Januar habe ich mich gegen die pauschale Verteufelung von Zeitarbeit ausgesprochen. Dabei bleibe ich ausdrücklich.
Meine Kenntnis der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik speist sich aus ganz unterschiedlichen Quellen. Hauptsächlich durch den Austausch mit Arbeitnehmern - auch solchen, die im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung tätig sind -, Arbeitgebern, Gewerkschaften, Mitarbeitern in Arbeitsagenturen, aber auch durch die intensive Auseinandersetzung mit Statistiken, Studien und wissenschaftlichen Arbeiten. Darüber hinaus ist es mir wichtig, durch Unternehmensbesuche und Praktika immer wieder den Blick in ganz unterschiedliche Bereiche der Arbeitswelt aufrecht zu erhalten. Während meines Studiums habe ich zudem natürlich auch selbst sozialversicherungspflichtig gejobbt. Schließlich habe ich als Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen bereits mehrere Jahre quasi eine Vollzeitstelle ausgefüllt, allerdings ehrenamtlich und nicht bezahlt.
Die gesetzlichen Regelungen der Zeitarbeit im Ausland sind mir gut bekannt. Es ist aber nicht so, dass man einfach die Schweizer oder französische Regelung in Deutschland übernehmen könnte. In Frankreich beispielsweise werden die Arbeitnehmer in der Zeitarbeit in aller Regel ausschließlich für die Zeit der Vermittlung angestellt und bezahlt, während sie sonst arbeitslos sind. Dies stellt für mich keine bessere Alternative zu der Situation in Deutschland dar, wo die Zeitarbeit eben eine echte Branche mit eigenen Tariflöhnen ist. Abgesehen davon müssen aber gesetzliche Lücken geschlossen werden, um zu verhindern, dass die Arbeitnehmerüberlassung ausschließlich zum Unterlaufen eines bestehenden Tarifvertrags in einem Entleihunternehmen genutzt und damit einfach missbraucht wird. Die FDP hat daher kürzlich eine Fristenregelung vorgeschlagen, wonach die fortgesetzte Arbeitnehmerüberlassung eines Zeitarbeiters an dasselbe Unternehmen ab einem bestimmten Zeitpunkt nach dem Grundsatz des equal pay entlohnt werden muss. So würden wir Missbrauch verhindern, eine potenzielle Gerechtigkeitslücke bei sehr langen Verleihdauern schließen und dennoch, und das ist für mich sehr wichtig, die erfolgreiche Brückenfunktion der Zeitarbeit in den Arbeitsmarkt, insbesondere für junge Arbeitssuchende, erhalten. Zeitarbeit ist also nicht generell abzulehnen, im Gegenteil. Denn: Sie fördert Beschäftigung. Bei einer grundlegenden Abkehr vom spezifischen deutschen Zeitarbeitsmodell würde dieser wichtige arbeitsmarktpolitische Effekt mit großer Sicherheit verschwinden. Damit wäre niemandem geholfen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Vogel