Unterstützen Sie den Antrag die AFD vom BVerfG verbieten zu lassen?
Nach den Ereignissen in Thüringen und den Ausführungen im Buch "Es ist 5 vor 1933" von Philipp Ruch ist ein Parteiverbotsverfahren m.E. dringend erforderlich.
Sehr geehrter Herr V.
vielen Dank für Ihre Nachricht und dafür, dass Sie sich in dieser sehr wichtigen Angelegenheit gemeldet haben. Sie sprechen ein äußerst sensibles Thema an, das viele Menschen in Deutschland derzeit bewegt: die wachsende Bedrohung durch die AfD und die Frage nach einem möglichen Parteiverbot. Auch ich teile Ihre Besorgnis und Ihre Empörung über die menschenfeindliche, rechtsextreme und aus meiner Sicht in der Tat demokratiefeindliche Politik dieser Partei.
Die AfD stellt nach meinem Dafürhalten tatsächlich eine Gefahr für die demokratischen Grundwerte dar, auf denen unser Land basiert: Würde, Freiheit, Respekt und Toleranz. Ihre populistische Hetze und die fortschreitende Radikalisierung, die wir vor allem in ihren Äußerungen und Handlungen in Thüringen und anderswo beobachten können, machen deutlich, dass die AfD unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung untergräbt. Das Grundgesetz sieht hierfür mit Artikel 21 Absatz 2 GG ein starkes Instrument vor: das Parteiverbotsverfahren. Dieses stellt das „schärfste Schwert“ unserer wehrhaften Demokratie dar, aber es ist auch an sehr hohe Hürden geknüpft.
Ein Verbot der AfD mag aus verständlicher Sichtweise wie eine einfache und schnelle Lösung erscheinen. Doch ich möchte betonen, dass ein solches Verbot nur dann möglich ist, wenn umfassende Beweise vorliegen, die nachweisen, dass die Partei nicht nur verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, sondern auch aktiv und mit Aussicht auf Erfolg daran arbeitet, diese Ziele zu erreichen. Allein die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen reicht für ein Verbot nicht aus. Es muss eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ gegenüber der Demokratie vorliegen, und es muss realistisch sein, dass diese Haltung das politische System gefährden könnte.
Entscheidend hierbei ist die laufende Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die AfD wird derzeit als „Verdachtsfall“ eingestuft, was bereits eine klare Warnung und einen deutlichen Schritt in Richtung eines möglichen Parteiverbotsverfahrens darstellt. Das bedeutet, dass sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden kann, weil der Verdacht besteht, dass die Partei als Ganzes verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Allerdings hat die AfD gegen diese Einstufung geklagt, und erst nach einer abschließenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine gesicherte Einschätzung des Verfassungsschutzes erwartet werden, ob die AfD endgültig als rechtsextrem eingestuft wird.
Was die Dauer eines möglichen Verbotsverfahrens betrifft, so ist auch hier Geduld gefragt. Ein Parteiverbotsverfahren ist ein langwieriger Prozess. Nach den bisherigen Erfahrungen – etwa im Fall des NPD-Verbots – wissen wir, dass solche Verfahren mehrere Jahre in Anspruch nehmen können. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht das Verfahren mit Priorität behandelt, ist realistischerweise mit einer Verfahrensdauer von mindestens einem Jahr ab der vollständigen Antragstellung zu rechnen. Der Grund dafür liegt in der Komplexität des Verfahrens: Es müssen umfassende Beweismittel gesammelt, ausgewertet und vor Gericht überzeugend dargelegt werden. Dabei geht es nicht nur um die öffentlichen Äußerungen der AfD, sondern auch um verdeckte Aktivitäten, die durch nachrichtendienstliche Mittel nachgewiesen werden müssen. Solch eine Beweissammlung kann viele Monate dauern.
Zusätzlich müssen formale Anforderungen penibel eingehalten werden, um das Risiko zu minimieren, dass der Antrag aufgrund von Verfahrensfehlern abgewiesen wird. Ein Parteiverbotsverfahren kann nur dann erfolgreich sein, wenn alle rechtlichen und verfahrensmäßigen Hürden überwunden werden. Es darf nichts überstürzt oder unzureichend vorbereitet werden, da dies der AfD nur in die Hände spielen und ihr eine zusätzliche Bühne bieten könnte.
Deshalb setzt die SPD – neben der rechtlichen Prüfung eines Parteiverbots – vor allem auf politische Auseinandersetzung. Die AfD muss durch entschlossene, klare und transparente Politik entlarvt werden. Sie bietet keine Lösungen für die drängenden Fragen unserer Zeit, sondern spaltet unsere Gesellschaft mit Hass und Vorurteilen. Wir müssen inhaltlich gegenhalten, die Lügen und die Heuchelei der AfD aufdecken und den Bürgerinnen und Bürgern klarmachen, welche fatalen Folgen eine von der AfD geführte Politik hätte. Die Bekämpfung von Rechtsextremismus muss in erster Linie auf dem Feld der politischen Bildung und der öffentlichen Debatte stattfinden.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Ein Parteiverbotsverfahren allein wird das rechtsextreme Gedankengut nicht aus unserer Gesellschaft entfernen. Wir müssen langfristig daran arbeiten, die Ursachen für die Radikalisierung zu bekämpfen – durch bessere Bildung, sozialen Zusammenhalt und den Ausbau von Demokratieförderprogrammen. Auch hierfür setzen wir uns mit Nachdruck ein.
In Bezug auf ein konkretes Parteiverbotsverfahren gegen die AfD werden meine Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion und ich die laufende Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sehr genau verfolgen und auf Grundlage der gesammelten Informationen abwägen, ob ein solches Verfahren Aussicht auf Erfolg hat. Die Entscheidung, einen Verbotsantrag zu stellen, darf nicht leichtfertig getroffen werden. Sie erfordert eine umfassende und sorgfältige Vorbereitung, damit das Verfahren tatsächlich die gewünschte Wirkung erzielt.
Ich danke Ihnen noch einmal für Ihre Anfrage und möchte Sie ermutigen, weiter aktiv zu bleiben und sich für unsere demokratischen Werte einzusetzen. Dieses Engagement ist entscheidend, um den Extremismus in unserem Land zu bekämpfen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Schraps