Frage an Johannes Kahrs von Miriam S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Kahrs!
Vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage vom 11.8.05.
Sie schreiben, dass vor allem die schwache Binnennachfrage Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit ist. Ja, das scheint ein wesentlicher Punkt zu sein.
Allerdings frage ich mich auch: haben wir nicht mittlerweile einen Wohlstand erreicht,
der ständiges Konsumieren gar nicht mehr notwendig macht? Viele Dinge verbrauchen
sich, wie Lebensmittel, Kleidung etc. Aber welche Familie hat heute nicht ein bis zwei Autos, einen Fernseher, Computer und all diese Dinge? Da ist der Markt doch, wenn man ehrlich ist, ziemlich gesättigt.
Die Wirtschaft hat kein Interesse daran, Arbeitsplätze zu schaffen. Warum sollte sie auch? Selbst wenn es beispielsweise überhaupt keine Lohnnebenkosten gäbe, würden Unternehmer doch nicht mehr Leute einstellen, als sie tatsächlich brauchen. Sie brauchen einfach nicht mehr so viele Arbeitskräfte, denn wir leben bereits im Überfluss. Und trotzdem haben die Menschen in diesem Land immer weniger Geld. Bald werden wahrscheinlich Menschen verhungern, obwohl wir im Überfluss leben.
Die Arbeitslosen kosten zu viel, die Rentner kosten zu viel, Beamte kosten zu viel, Arztkosten sind allgemein zu hoch, Medikamente sind zu teuer,...
Immer ist nur die Rede von zu hohen Kosten.
Ja, Menschen kosten Geld bzw. haben Bedürfnisse. Dabei ist doch alles da, was sie brauchen. Sie haben nur kein Geld mehr, um dafür zu bezahlen. Das einzige, was sie bieten können, ihre Arbeitskraft, wird nicht mehr gebraucht. Und das wirft man ihnen sogar noch vor.
Meiner Meinung nach sollte in der Politik wieder mehr konstruktiv diskutiert werden, anstatt den politischen Gegner kategorisch abzulehnen oder ihm Inkompetenz vorzuwerfen. Das gilt für alle Parteien. Ich denke, man sollte darüber nachdenken, wie man das ganze System neu ordnen kann und nicht, wie man ein System, das sich "totgelaufen" hat, künstlich aufrecht erhalten kann.
Schöne Grüße
Miriam Sowa
Sehr geehrte Frau Sowa,
vielen Dank für Ihre erneute Nachfrage zum Thema „Arbeit“. Sie äußern sich angesichts des erreichten Wohlstandsniveaus sehr pessimistisch über die Auswirkungen der Binnennachfrage und der Kaufneigung der Bürger auf die Wirtschaftsentwicklung, vor allem, was Investitionen in langlebige Konsumgüter wie Autos oder Haushaltsgeräte angeht. Ich stimme Ihnen zu, dass die grundsätzliche Nachfrage nach derartigen Produkten im Sinne einer unbedingten Notwendigkeit in einer hoch entwickelten und nach wie vor wohlhabenden Industrienation wohl zunächst eher als gering erscheinen mag.
Dennoch bestehen auch in einem auf den ersten Blick gesättigt erscheinenden Markt auch weiterhin Absatzmöglichkeiten für alle möglichen Arten von Produkten, bei denen durch Produktinnovationen und -verbesserungen, die dadurch den Wohlstand erhöhen und so natürlich immer wieder neue Kaufanreize entstehen lassen. Gerade das ist ja der Antrieb für Wirtschaftswachstum, von dem nicht nur die Schaffung, sondern vielmehr noch der Erhalt von Arbeitsplätzen abhängt. Allerdings hängt die letztendliche Kaufentscheidung des einzelnen Konsumenten maßgeblich von der gesamtgesellschaftlichen Stimmung und den Zukunftserwartungen des einzelnen Individuums ab. Hier kann und muss die Politik ansetzen und durch vernünftige und vertrauenswürdige Maßnahmen Zukunfts- und Planungssicherheit für die Menschen zu schaffen. Die soziale Marktwirtschaft bietet hier doch gerade das beste und gerechteste Ordnungssystem. Dies ist ja gerade auch der Grund, warum wir uns als SPD dafür einsetzen, dass diese so erhalten bleibt, während andere Parteien in diesem Land von dieser grundsätzlichen Entscheidung gerne abrücken würden.
Mit den Reformen der Agenda 2010 hat die SPD richtige und notwendige Maßnahmen eingeleitet, um unser Land fit für die gegenwärtigen Herausforderungen und die Zukunft zu machen. Ich bin überzeugt, dass sich dadurch auch wieder größeres Vertrauen bei der Bevölkerung in die Verlässlichkeit der Politik durchsetzt. Nur wenn die Menschen wieder Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands haben – die uns mittlerweile von immer mehr ausländischen Beobachtern bescheinigt wird – wird sich die Beschäftigungssituation und damit das Konsumverhalten ändern.
Ihrem Vorwurf, in der Politik werde nicht mehr konstruktiv diskutiert, kann ich so nicht nachvollziehen. Aus meinen alltäglichen politischen Erfahrungen sowohl in Hamburg als auch in Berlin, kann ich Ihnen versichern, dass wir dort nichts anderes tun. Wieso Sie dies anders sehen, können wir wohl am besten in einem persönlichen Gespräch in meinem Wahlkreisbüro klären. Rufen Sie doch einfach mal dort an, um einen Termin zu vereinbaren: 040/280 555 55.
Mit freundlichem Gruß
Ihr Johannes Kahrs