Frage an Johannes Kahrs von Helmut S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr verehrte Herr Kahrs,
heute Morgen mußte ich lesen, daß CDU-Politiker den Ausschluß Rußlands aus der G8 gefordert haben. Dazu meine ich: Ich halte die europäischen Proteste gegen Rußland für Heuchelei.
Man sollte nicht unter den Tisch kehren, daß vor allem die USA, aber eben auch die anderen NATO-Staaten Herrn Saakaschwili dazu ermuntert haben, militärisch gegen das abtrünnige Süd-Ossetien vorzugehen. Insofern kann man schon sagen, Rußland habe seinen bedrohten Bürgern geholfen.
Offensichtlich wollen die Abchasen und Osseten nicht mehr mit den Georgiern in einem Staat zusammenleben. Solche Dinge sollte man mit Volksabstimmungen friedlich regeln; wenn dies denn möglich wäre. Und: Die Russen haben Recht, wenn sie vom Selbstbestimmungsrecht der Völker reden - was im Kosovo Recht war, sollte in Abchasien und Ossetien auch gelten.
Die OSZE wäre das geeignete Gremium die Fragen in Verhandlungen zu lösen - ein G8-Ausschluß wäre das ganz falsche Signal.
Die Ängste der noch vor 20 Jahren sowjetisch besetzten baltischen Staaten, Polens, Tschechiens und der Slowakei kann ich durchaus verstehen. Sie sind aber unbegründet, denn die Staaten sind jetzt in der NATO - wo Georgien noch lange nicht hingehört!
Frau Merkel und die anderen Berliner Politiker sollten sich nicht so kritiklos vor den Karren der US Interessen spannen lassen.
Nachdem ich Ihnen meine Meinung dargelegt habe, frage ich Sie:
Welche Haltung vertreten Sie im Georgien-Rußland-Konflikt?
Mit freundlichem Gruß
Helmut Schibath
Sehr geehrter Herr Schibath,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Das Vorgehen Georgiens im jüngsten Konflikt um Abchasien und Südossetien halte ich für falsch. Präsident Saakaschwili hätte wissen müssen, dass Russland einer Gefährdung seiner Bürger – und bekanntermaßen haben viele Südosseten und Abchasier neben der georgischen auch die russische Staatsangehörigkeit – nicht tatenlos hinnehmen würde.
Andererseits halte ich aber die Reaktion Russlands für überzogen. Russland hat mit seinem militärischen Vorgehen überreagiert; der Verbleib russischer Truppen in Georgien trägt nicht zur Entspannung der Lage bei. Auch die einseitige Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens ist falsch und eindeutig völkerrechtswidrig.
Hier muß sich jedoch auch der Westen Vorwürfe machen. Sie haben ganz recht, wenn Sie meinen, dass die Anerkennung des Kosovo einen riskanten Präzedenzfall geschaffen hat. Es stimmt allerdings nicht, dass die USA Georgien zu militärischem Vorgehen ermuntert hätten – allen mir vorliegenden Informationen zufolge haben die USA Präsident Saakaschwili von einer Intervention dieser Art eindringlich abgeraten. Alle Beteiligte des Konfliktes haben Fehler gemacht.
Wenn nun aus einigen Teilen der CDU/CSU Forderungen nach einem raschen NATO-Beitritt Georgiens ertönen (auch Angela Merkel äußerte sich ja schon dahingehend), dann kann ich davor nur warnen. Gerade die jetzige Situation zeigt doch, dass dies ein schwerer Fehler wäre.
Bei jedem innergeorgischen Konflikt, in den sich Russland einschaltete, käme es zum Bündnisfall und damit zu einer Konfrontation zwischen der NATO und Russland. Das kann wohl kaum im Interesse einer vernünftigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Kahrs