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Frage von Liv S. •

Frage an Johannes Kahrs von Liv S. bezüglich Deutsche Einheit / Innerdeutsche Beziehungen (bis 1990)

Lieber Herr Kahrs,
mich interessiert sehr, welche Vorstellungen Sie persönlich von einem weiteren Aufbau Ost haben.
Hamburg ist ja eine Stadt, die wirtschaftlich gesehen bundesweit insgesamt recht gut dasteht. dennoch erlebe ich täglich im bereich Kinder- und jugendarbeit (ich arbeite in einer fachklinik für süchtige jugendliche) massivste kürzungen und beschränkungen, wobei jugendliche z.b. aus schleswig-holstein regelrecht unterversorgt werden, was z.b. mit der schlechten wirtschaftlichen lage der städte/des landes begründet wird.
im gegenzug dazu schüttten jugendämter aus den neuen bundesländern das geld über jugendliche regelrecht *aus*, hauptsache den jugendlichen wird *geholfen*, und am besten sollen wir sie nach beendigung der behandlung auch gleich hier im westen behalten (das jugendamt übernimmt dann teilweise die ambulante betreuung weiter). ob letzteres verhalten bei schwierigen jugendlichen pädagogisch sinnvoll ist sei dahingestellt...
dies ist für die ost-west problematik nur EIN beispiel aus meinem arbeitsbereich.
wie kann es aber sein, dass im osten, der ja angeblich immer noch - nach 16 jahren! - den solidaritätszuschlag dringend benötigt, soviel geld ausgegeben werden kann, während bei uns das geld fehlt? ich höre von verwandten und freunden ähnliche beispiele aus ihren arbeits- und lebensumfeldern.
wie also soll es weiter gehen im aufbau ost?
mit freundlichen grüßen

liv schindler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Schindler,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Aufbau Ost“.
Sie sprechen ein Thema an, dass zahlreiche Bürgerinnen und Bürger – vor allem in den so genannten alten Bundesländern – beschäftigt. Tatsächlich sind in den vergangenen 15 Jahren enorme Geldmengen in die neuen Bundesländer geflossen. Angesichts der bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in ganz Deutschland fragen sich viele Menschen zu Recht, wie die Förderung der neuen Bundesländer in Zukunft aussehen soll. Seit Jahresbeginn 2005 ist der Solidarpakt II in Kraft, nach dem bis zum Jahr 2019 insgesamt 156,1 Mrd. Euro an Hilfen aus Bundesmitteln an die ostdeutschen Länder gezahlt werden sollen. Nach den zum Teil ernüchternden Erfahrungen mit der Mittelverwendung aus dem Solidarpakt I wurde für den Solidarpakt II eine Regelung gefunden, mit der ein zielgerichteter Einsatz der Fördermittel erreicht werden soll. Die von der Förderung betroffenen Länder erhalten zur eigenen Verwendung Mittel in Höhe von insgesamt 105,3 Mrd. Euro. Die verbleibenden 51,2 Mrd. Euro werden vom Bund als Wirtschaftsförderung vergeben. Hier kann die Bundesregierung deutlich Akzente in der Förderung setzen. Nach den Plänen der SPD kommt es im Bereich der Bundesförderung zu einem spürbaren Wechsel in der Förderpolitik: Es werden nicht mehr alle Branchen in allen Regionen zu gleichen Teilen gefördert. Vielmehr werden die Fördermaßnahmen der wirtschaftlichen Realität in den neuen Ländern Rechnung tragen. Denn hier haben sich längst regionale und sektorale Schwerpunkte herausgebildet, beispielsweise im Schiffbau, in der Optoelektronik, in der Computerindustrie, in der Automobil- und Zulieferindustrie oder in der Biotechnologie. Diese sind bereits heute international wettbewerbsfähig und weisen eine hohe Produktivität auf. Meiner Ansicht nach sind finanzielle Zuwendungen hier nur dann sinnvoll, wenn sie Projekte betreffen, die angesichts der regionalen Wirtschaftsstruktur folgerichtig und zukunftsfähig erscheinen. Nur so investieren wir die bereitgestellten Gelder mit Aussicht auf Erfolg. Allerdings kann keine Bundesregierung den Ländern vorschreiben, wie sie mit den ihnen zur Verfügungen stehenden Mitteln aus dem Solidarpakt II verfahren. Hier muss auf die Einsicht und den wirtschaftlichen Erfolg schwerpunktgebundener Förderung gesetzt werden.

Zum von Ihnen angeführten Beispiel aus der Jugendhilfe möchte ich Folgendes
anmerken:
Ich kann Ihre Besorgnisse hinsichtlich der ungleichen Aufwendungen für die Jugendlichen persönlich gut nachvollziehen, da ich selbst Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses im Bezirk Hamburg-Mitte bin. Als Ihr Bundestagsabgeordneter muss ich Sie allerdings darauf hinweisen, dass die Jugendhilfe nach § 69 Abs. 1 SGB VIII eindeutig eine Aufgaben der Kommunen bzw. Landkreise ist. Sie werden in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach § 69 Abs. 2 SGB VIII von den Landesjugendämtern überwacht. Der Bund hat hier eindeutig keine Möglichkeit, in die Gestaltung der Jugendhilfe einzugreifen. Die von Ihnen geschilderten Zustände können demnach stark zwischen den Kommunen variieren. Die Städte und Landkreise in den neuen Bundesländern können unter Aufsicht der Länder selbst entscheiden, in welcher Höhe sie Finanzmittel zur Betreuung suchtkranker Jugendlicher zur Verfügung stellen. In meiner Funktion als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses Hamburg-Mitte setze ich mich jedoch dafür ein, dass in Hamburg die nötigen Mittel für eine sinnvolle Unterstützung suchtkranker Jugendlicher bereitgestellt werden. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen. Sollten Sie weitere Fragen haben, können Sie sich gerne an mich wenden.

Mit freundlichem Gruß

Ihr Johannes Kahrs