Frage an Johannes Kahrs von Helmut S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Kahrs,
vielen Dank für Ihre Antwort vom 16. Juni!
Einige Fragen sind bei mir offen geblieben, die wichtigste ist die nach dem Mohn- also Opiumanbau.
Meinem Kenntnisstand nach verhält es sich so, daß in Afghanistan schon seit Jahrzehnten viel Schlafmohn angebaut wird.
Nach einem Einbruch unter der Herrschaft der Taliban "wurden im Jahr 2006 über 6.000 Tonnen Opium geerntet, das entspricht 92 Prozent der gesamten Weltproduktion." [ http://de.wikipedia.org/wiki/Afghanistan#Schattenwirtschaft ] Diese Zahl bedeutet etwa eine Verzwanzigfachung der geernteten Opiummenge in den wenigen Jahren nach dem Ende der Talibanherrschaft.
Es liegt auf der Hand, daß das dort geerntete Opium zu Heroin verarbeitet wird und auch hier in Deutschland massiv auf die Straße gebracht wird, also durch das reichliche Angebot Heroin immer billiger wird. Ob dies, wie zu erwarten, auch zu einem vermehrten Konsum führt, weiß ich allerdings nicht, wäre eine Anfrage wert. In jedem Fall ist dies reichliche Heroin der ideale Nährboden für Kriminalität aller Art.
Nun frage ich Sie, ob und ggf. welche ernsthaften und wirksamen Maßnahmen ergriffen werden bzw. werden sollen, um diesen Übelstand in den Griff zu bekommen.
Konkret gefragt: Ist geplant die Opiumernte durch bspw. Abbrennen der Felder teilweise zu vernichten, was m.E. rechtlich geboten wäre oder durch finanzielle Anreize (in welcher Höhe?) den Anbau von Getreide, Obst und Gemüse sowie die Viehhaltung zu fördern?
Sehr geehrter Herr Schibath,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des Problems der Opiumproduktion in Afghanistan.
Vorweg: der Anbau von Schlafmohn und die Gewinnung von Opium haben in
Afghanistan eine sehr lange Tradition. Dies soll nicht als
Rechtfertigung dienen, zeigt aber, dass es eine Herausforderung ist, die
ländliche Bevölkerung von einer Abkehr vom Schlafmohnanbau zu
überzeugen. Denn um Überzeugung durch das Angebot von Alternativen geht es.
Mit dem von Ihnen angesprochenen Abbrennen von Mohnfeldern ist es leider nicht getan. Die Vereinigten Staaten verfolgen diese Strategie bereits seit den 80er Jahren in Kolumbien. Dort wurden und werden im großen Maßstab Kokaplantagen vernichtet, um die Produktion von Kokain zu unterbinden. Trotz eines immensen finanziellen und logistischen Aufwandes hat diese Strategie offenkundig nicht geholfen. Die Zerstörung großer Anbauflächen hat nicht nur nicht zu weniger Drogenproduktion geführt, sie hatte nicht einmal Auswirkungen auf den Straßenpreis von Kokain und seiner Derivate. Im Gegenteil: diese Drogen sind heute weltweit so billig wie nie, und die Anbauflächen für Koka haben sich in Kolumbien sogar noch vergrößert. Dort wie in Afghanistan liegt das Problem vor allem darin, dass die Produktion von Koka bzw. Opium für viele Bauern oft die einzige Quelle für Bargeld (d.h. eine sogenannte cash crop) darstellt, weil sie aufgrund mangelnder Infrastruktur kaum Zugang zu Märkten haben, um andere Produkte zu verkaufen. Solange ein wirtschaftlicher Anreiz dazu besteht, solange werden Koka bzw. Schlafmohn auch angebaut werden.
Ein Ende des Schlafmohnanbaus wird nur durch lange und intensive Arbeit vor allem der Entwicklungshilfeorganisationen zu erreichen sein, militärisches Vorgehen wird nichts nützen. Daß es gelingen kann, die Bevölkerung von Alternativen zur Opiumproduktion zu überzeugen, zeigt das Beispiel Thailand. Thailand war noch vor 30 Jahren einer der weltgrößten Opiumproduzenten. Inzwischen wird Schlafmohn im thailändischen Teil des berüchtigten „Goldenen Dreiecks“ höchstens noch zur traditionellen medizinischen Nutzung, aber kaum für den illegalen Export, angebaut. Folgende Lehren können aus dem Beispiel Thailand gezogen werden:
1. Die afghanische Regierung muß die arme Landbevölkerung mit finanzieller Unterstützung umfassend stärken. Voraussetzung dafür ist Zugang zu Märkten, ausreichend Ackerland, Darlehen und lukrative Einkommensalternativen. Dabei muß die Bevölkerung aktiv in diesen Prozeß eingebunden werden.
2. Die afghanische Regierung muß ihre Polizeikräfte und die Gerichtsbarkeit stärken und reformieren. Drogenhändler, korrupte Beamte und diejenigen, die aus Rohopium Heroin herstellen, müssen verfolgt und bestraft werden. Die Regionen mit dem verbreitetsten Anbau sind mithin die, in denen die Staatsmacht und die Wirtschaft am schwächsten ist. Wo es relativen Wohlstand und eine relativ starke Staatsgewalt gibt, gibt es dagegen kaum Mohnanbau.
3. Alle diese Maßnahmen müssen unter Beteiligung der Landbevölkerung erfolgen. Man darf z.B. nicht einfach den Bauern „befehlen“, statt Mohn anzubauen fortan Ziegen zu züchten. Die Bauern müssen die Alternativen zum Mohn selbst annehmen wollen.
Zu guter Letzt: Drogen sind in erster Linie ein Problem in den „Verbraucherländern“. Mehr noch als bei anderen Gütern folgt das Angebot bei harten Drogen der Nachfrage. Eine Verknappung des Angebots führt zu höheren Straßenpreisen, aber die Süchtigen und Abhängigen werden sich davon nicht vom Konsum abhalten lassen. Die beste Möglichkeit, die Nachfrage zu mindern, besteht in stärkerer Aufklärung, Prävention und Therapiemöglichkeiten hierzulande. Dafür setze ich mich auch in meinem Wahlkreis in Hamburg immer ein.
Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet zu haben und verbleibe mit fröhlichem
Gruß,
Johannes Kahrs