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Frage von Bernd W. •

Frage an Johannes Kahrs von Bernd W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kahrs,

erst einmal möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie dem Bürger auf diesem Weg die Möglichkeit geben, mit Ihnen in Kontakt zu treten um sich den Fragen und Anregungen der Bürger direkt zu stellen.Ich möchte auf Ihre sehr lange Antwort auf die Frage von Herrn Ebrahim-Nesbat eingehen. In dieser schreiben Sie:
„...Wir befinden uns nicht in einem Polizei- und Überwachungsstaat und die Vorratsdatenspeicherung wird daran nichts ändern. ...“
Diese Aussage erhält man von vielen Politikern und diese Aussage ist sicherlich richtig und entspricht den Tatsachen. Das möchte ich nicht anzweifeln. Doch finde ich es etwas beängstigend, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Aussage getroffen wird. Wer definiert ob ein Staat ein Überwachungsstaat ist oder nicht? Der Politiker, der Bürger, das Ausland? Ist es ein Naturgesetz, dass die BRD nie wieder zu einem solchen wird? Die Vorratsdatenspeicherung lässt die BRD sicherlich nicht zum Überwachungsstaat werden, zumindest nicht nach meiner Definition. Aber sie ist definitiv ein Mittel eines solchen.
Das Thema währe vielleicht nicht so prekär, wenn es eine konkrete Bedrohung gäbe, welche nur durch dieses Mittel abgewandt werden könne. Allerdings gibt es diese in meinen Augen nicht. Nicht das es keinen real existierenden Terrorismus oder organisierte Kriminalität gäbe. Nein, ich möchte nur aufzeigen, dass es diesen Organisationen durchaus möglich ist, durch das Netz der Vorratsdatenspeicherung zu schlüpfen. Sei es, dass die Kommunikation auf dem Postweg stattfindet oder dass die elektronische Kommunikation verschleiert wird (z.b. TOR). SIM Karten sind austauschbar. Wie sehen sie als Entscheidungsträger also den tatsächlichen Nutzen einer solchen Maßnahme mit dem Wissen, dass es großen Organisationen durchaus möglich ist, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wie rechtfertigen Sie mit diesem Wissen die enormen Ausgaben dieser Maßnahme und den großen Einschnitt in die Bürgerrechte?

Mit freundlichen Grüßen,
Bernd Wolff

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Wolff,

vielen Dank für Ihre Mail vom 14. November. Ich habe die juristische Komponente zur Vorratsdatenspeicherung und auch meine persönliche Einstellung in der von Ihnen zitierten Mail dargelegt. Aus diesem Grunde möchte ich auf Ihre Frage nach dem Nutzen und der Finanzierung ganz grundsätzlich antworten. Ich stimme Ihnen zu: Den vollkommenen Schutz vor terroristischen Aktionen gibt es nicht. Und selbstverständlich kosten eben diese Maßnahmen Geld. Aber das beides kann in meinen Augen kein Argument gegen die Verbesserung bestehender Schutzmechanismen sein.

Selbstverständlich soll diese Argumentation nicht Tür und Tor allen nur erdenklichen Maßnahmen öffnen. Im Falle der Vorratsdatenspeicherung werden Gespräche nicht aufgezeichnet und E-Mails nicht inhaltlich erfasst, sondern nur der Gesprächsort bei Gesprächsbeginn und der Verbindungsteilnehmer. Wenn wie durch die Umsetzung der europäischen Gesetzgebung in deutsches Recht hierzulande Bürgerrechte tangiert sind, möchte ich als Abgeordneter Sorge tragen, dass dies unsere Bürgerrechte nicht einschränkt. Meiner Ansicht nach schränkt das Gesetz die Rechte nicht ein, wenn sichergestellt wird, dass die Daten vor Missbrauch geschützt sind: Die Speicherung findet wie bisher ausschließlich durch die Telekommunikationsunternehmen statt. Ebenfalls wie bisher haben Polizei und Staatsanwaltschaft auch in Zukunft nur dann Zugriff auf die Daten, wenn das ein richterlicher Beschluss erlaubt. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt und wird beibehalten.

Selbstverständlich sind die Kosten neben den inhaltlichen Bedenken auch für mich von Interesse. Diese können nicht die Telekommunikationsunternehmen tragen. Die Große Koalition hat deshalb zugesagt, zeitnah die Entschädigung der Unternehmen zu regeln. Mehrkosten für die Unternehmung werden kompensiert und somit ist eine befürchtete Abwälzung auf die Endkonsumenten ausgeschlossen. Die Preise für Telekommunikationsdienstleistungen sind hiervon also nicht berührt. Trotzdem: Um die Sicherheit eines jeden zu erhöhen, muss die Gesellschaft gemeinsam die Kosten dafür übernehmen. Wer allerdings bei der Bewertung der Kosten-Nutzen-Relation nur die prognostizierten Anwendungen im Sinn hat, unterschlägt die Präventionsleistung der neuen Gesetzgebung. Und unterbliebene terroristische Aktionen sind sicherlich ebenso schwer monetär zu bewerten wie ein Menschenleben, das durch das neue Gesetz gerettet werden kann.

Mit freundlichem Gruß aus Berlin,
Johannes Kahrs