Frage an Johannes Kahrs von Rene C. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Kahrs,
in einem Antrag (16/4845) hat die Linksfraktion die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohn gefordert.
Nun gehen die Meinungen zum Mindestlohn, auch innerhalb der SPD, weit auseinander. Als mein Abgeordneter wüsste ich gern von Ihnen, wie Sie zu dem Thema stehen und warum.
Stehen Sie einem Mindestlohn positiv gegenüber, welche Höhe halten Sie für erstrebenswert und mit welchen Mitteln versuchen Sie, Ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen?
Lehnen Sie einen Mindestlohn ab, warum? Wie wollen Sie einer Friseurin erklären, dass sie von rund 3 EUR/Stunde ihre Familie ernähren soll?
Was sehen Sie im Fall einer Ablehnung des Mindestlohns für Alternativen? Ein Zuschuss vom Staat halte ich für unangebracht, da dann die Tendenz der meisten Durchschnittsverdienerjobs in die Richtung gehen wird und der Staat, anstatt Steuern einnehmen zu können, reguläre Jobs bezuschussen muss, was sicherlich nicht förderlich für den Bundeshaushalt ist, oder?
Meiner Meinung nach sollte der Mindestlohn von rund 8 EUR sogar nur der Anfang sein. Ich denke, dass über eine entsprechende Lohnsteuerungspolitik den Menschen die Möglichkeit zum stärkeren Konsum eröffnet werden sollte, in Zukunft der Mindestlohn also relativ zur Inflationsrate deutlich steigen sollte.
Was kleinere Betriebe betrifft, die damit ungelogen Probleme bekommen könnten, halte ich es für unbedingt erforderlich, eine Unternehmenssteuerreform auf den Weg zu bringen, die die kleinen Betriebe deutlich entlastet und die grösseren Betriebe zum Zwecke des Allgemeinwohls (vgl §14 GG Absatz 2) stärker belastet.
Herr Kahrs, ich danke Ihnen für die Zeit, die Sie zur Beantwortung meiner Fragen aufwenden und hoffe, Sie unterstützen den Antrag, und wenn nicht den Antrag, dann zumindest das Ansinnen!
Mit freundlichen Grüssen,
Rene Caspari
Sehr geehrter Herr Caspari,
vielen Dank für Ihr Schreiben zur derzeit allerorten vieldiskutierten Frage des Mindestlohns. Grundsätzlich stehe ich der Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen positiv gegenüber. 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte beziehen derzeit Armutslöhne, die weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens betragen. Solche Löhne sind zweifellos sittenwidrig. Ich meine, Arbeitsleistung muss anerkannt und gerecht entlohnt werden.
Zugleich halte ich die Tarifautonomie für ein hohes und zu bewahrendes Gut. Es ist grundsätzlich schwierig, wenn der Staat die Aufgaben der Tarifparteien übernimmt. Angesichts tarifvertraglicher Stundenlöhne von unter vier Euro einerseits und einer insgesamt immer geringeren Tarifbindung andererseits besteht jedoch dringender politischer Handlungsbedarf.
Grundsätzlich befürworte und favorisiere ich tarifvertragliche Lösungen. Eine Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Wirtschaftsbereiche ist deswegen eine gute Lösung. So wären branchenspezifische Mindestlöhne bspw. im Hotel- und Gaststättengewerbe möglich. Gleichzeitig aber brauchen wir in Branchen, in denen tarifliche Lösungen nicht greifen oder Tariflöhne ein Mindestniveau unterschreiten, einen gesetzlichen Mindestlohn. Hier können wir sicher auf die Erfahrungen unserer europäischen Nachbarländer mit einem Mindestlohn zurückgreifen. Einen flächendeckenden einheitlichen Mindestlohn hingegen halte ich nicht für sinnvoll, vielmehr muss nach Branche und Region differenziert werden.
Mit fröhlichem Gruß,
Johannes Kahrs