Frage an Johannes Kahrs von Gabi T. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Kahrs,
die wenigen Verbesserungen der Gesundheitsreform werden von allen Politikern immer sehr
in den Vordergrund gestellt.
Was aber bringt sie den vielen chronisch Kranken in unserem Land, die sich ihre Krankheit nicht aussuchen, wir wurden völlig vergessen.
Durch die weiter bestehende Budgetierung der Ärzte im Arznei- und Heilmittelbereich werden wir Kassenpatient/innen künftig nur noch die billigsten Medikamente erhalten.
Eine finanziell geförderte integrierte Versorgung bedeutet nichts anderes als eine 0815-Behandlung nach Schema F – also für alle gleich.
Wir sind aber Menschen, die alle ihre individuelle Behandlung benötigen - auch wenn eine Krankheit den gleichen Namen trägt.
Was nützen uns Wahltarife, wenn wir sie uns finanziell nicht leisten können?
Pech gehabt? Ist das noch sozial?
Ist Ihnen eigentlich bekannt, das in unserem Land schon Menschen wie z.B. Julia Längsfeld im Alter von nur 37 Jahren sterben müssen, weil Ihnen von den Kassen, dem MDK und dem Gemeinsamen Bundesausschuss - nachweislich lebenserhaltende Therapien - verweigert werden und gegen ein eindeutiges Urteil des Bundesgerichtshofes verstoßen wird?
Oder der Fall des 49jährigen Rainer Nowak. Er hat einen bösartigen Gehirntumor, eine Wärmebehandlung hat diesen nachweislich schrumpfen lassen – trotzdem werden die Behandlungskosten verweigert. Seine finanziellen Mittel sind ausgeschöpft – auch er wird sterben müssen wenn die Behandlung abgebrochen werden muss.
Das ist die grausame Realität wenn man unverschuldet krank wird.
Politiker werden kaum in den "Genuss" dieser von Ihnen allen verabschiedeten Reform kommen - denn sie können sich locker eine private Krankenversicherung leisten und werden
diese Auswirkungen niemals selbst zu spüren bekommen.
Wo bleibt die Menschlichkeit bei unseren so genannten Volksvertretern? - alles dreht sich nur ums Geld.
Mit freundlichen Grüßen
Gabi Thiess
Sehr geehrte Frau Thiess,
vielen Dank für Ihre E-Mail, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Gerne nehme ich zu den von Ihnen angesprochenen Themen im Gesundheitswesen und zur Gesundheitsreform 2007 Stellung. Gestatten Sie mir vorab eine Bemerkung: Grundsätzlich hat eine Budgetierung nicht das Ziel, einer bestimmten Gruppe von Patientinnen und Patienten die, wie Sie sagen, billigsten Medikamente und eine „0815-Behandlung“ zukommen zu lassen. Im Gegenteil: Auch neue Arzneimittel sollen den Versicherten weiterhin zur Verfügung stehen. Dass diese neuen Arzneimittel gezielt eingesetzt werden, dafür sorgen wir mit dem Zweitmeinungsverfahren. Hierbei handelt es sich vor allem um gentechnisch entwickelte und biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, die für spezielle Formen schwerer Erkrankungen zugelassen werden. Diese setzen in besonderem Maße spezialisierte Fachkenntnisse voraus, deren Kriterien von der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen mit den Fachkreisen festgelegt werden. Ärzte für spezielle Arzneimitteltherapie bieten dem verordnenden Arzt die notwendige Entscheidungssicherheit, dass nur die Patientinnen und Patienten diese neuen Arzneimittel bekommen, die davon mit Sicherheit profitieren. Anwendungssicherheit und Versorgungsqualität sollen in diesen Bereichen zunehmen.
Die Ärzte müssen alle Patientinnen und Patienten behandeln und haben einen Vertrag mit den Krankenkassen, dass sie den Kranken das medizinisch Notwendige immer zur Verfügung stellen. Das gleiche gilt auch für die Kassenärztlichen Vereinigungen. Das hat im Übrigen auch immer funktioniert.
Auch zukünftig gilt für chronisch Kranke grundsätzlich die maximale Belastungsgrenze für Zuzahlungen von einem Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Alle anderen zahlen zwei Prozent. Voraussetzung einer abgesenkten Belastungsgrenze ist ab dem 1. Januar 2008 allerdings die vorherige regelmäßige Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen und eigenes Zutun zur Genesung während der Therapie. Durch die Gesundheitsreform wird so gesundheitsbewusstes Verhalten gestärkt und es werden Anreize für mehr Vorsorge geschaffen. Diejenigen, die in Zukunft medizinisch erwiesen sinnvolle Vorsorge- bzw. Früherkennungsuntersuchungen nutzen, werden belohnt. Damit Krankheiten rechtzeitig erkannt und behandelt werden können, bieten die Gesetzlichen Krankenkassen eine Reihe von Früherkennungsmaßnahmen an. Die SPD will darauf hinwirken, dass immer mehr Versicherte diese Möglichkeit in Anspruch nehmen.
Zum Schluss möchte ich Ihrer Kritik entgegnen, bei uns ginge es immer nur um das Geld, und uns wäre das Gespür für das Soziale abhanden gekommen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen großen Erfolg in der Gesundheitsreform aufmerksam machen, den die SPD erreicht hat: Erstmals in der deutschen Sozialgeschichte wird es eine Pflicht zur Versicherung geben wird. Dann ist in Deutschland niemand mehr ohne Absicherung im Krankheitsfall.
Dies gilt gleichermaßen für die gesetzliche wie die Private Krankenversicherung. In der Gesetzlichen Krankenversicherung wird ab dem 01.04.2007 eine Pflicht zur Versicherung für den der Gesetzlichen Krankenversicherung zugeordneten Personenkreis eingeführt. In der Privaten Krankenversicherung gibt es ab dem 01.07.2007 ein Beitrittsrecht in den Standardtarif und ab dem 01.01.2009 eine Pflicht zur Versicherung für alle Personen, die der Privaten Krankenversicherung zuzuordnen sind und zwar im Mindestumfang von ambulanter und stationärer Heilbehandlung mit maximalem Selbstbehalt von 5.000 Euro. Diese Personen können sich auch im Basistarif versichern, müssen es aber nicht. Sie sehen, wir tun alles um eine soziale Politik im Rahmen des finanziell Machbaren zu verwirklichen.
Sehr geehrte Frau Thiess, ich freue mich immer sehr, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aktiv am politischen Geschehen beteiligen. Ich möchte Sie dazu ermuntern auch weiterhin die Politik kritisch zu begleiten, nachzufragen und Stellungnahmen der Abgeordneten zu erwirken.
Mit freundlichem Gruß
Johannes Kahrs