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Frage von Benjamin L. •

Frage an Johannes Kahrs von Benjamin L. bezüglich Recht

Volksinitiativen und Volksentscheide auf Bundesebene

Hallo Herr Kahrs,

danke für Ihre ehrliche und promte Antwort (siehe oben).
Wollen Sie mir nun auch noch Ihre Bedenken zum Thema Volksentscheide auf Bundesebene mitteilen oder lassen Sie mich unwissend? Mich interessiert natürlich Ihre Meinung dazu.
Ich kann leider aus den vergangenen Legislaturperioden keinerlei Initiativen der SPD für Volksinitiativen auf Bundesebene erinnern. Hier kann ich Ihnen nicht zustimmen.

Herzlicher Gruß,

Benjamin Laumann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Laumann,

bereits im Koalitionsvertrag von 1998 haben wir uns für Volksentscheide auf Bundesebene stark gemacht. So haben wir schließlich einen Gesetzesentwurf (vom 13. März 2002) zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz vorgelegt. Dafür hätte das Grundgesetz vorab geändert werden müssen. Dies hätte einer Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat bedurft. Doch CDU/CSU und zahlreiche FDP-Abgeordnete blieben nach der Aussprache zum Gesetzesvorhaben am 7. Juni 2002 bei ihrem "Nein". Die für die notwendige Verfassungsänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit kam somit nicht zustande. Im aktuellen Wahlprogramm der SPD findet sich zudem im Abschnitt "Richtung" unter dem Punkt "Lebendige Demokratie und offene Gesellschaft" die folgende Aussage: "Lebendige Demokratie und offene Gesellschaft ... Wir brauchen mehr direkte Demokratie und damit den Volksentscheid." Oftmals in diesem Zusammenhang erwähnt wird das Länderbeispiel Schweiz. In der Schweiz lässt sich jedoch der Trend beobachten, dass die Beteiligung an Volksentscheiden eher abnimmt. Daran schließt sich natürlich die Frage an, inwieweit der Ausgang der Abstimmung dann noch als repräsentativ angesehen werden kann. Gerade auch bei außenpolitischen Fragen erweist sich ein Volksentscheid als problematisch. So hat kürzlich das Referendum in Frankreich zur EU-Verfassung gezeigt, dass die wenigsten Wähler über den Inhalt der Verfassung informiert waren. Vielmehr war das Abstimmungsverhalten als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der innenpolitischen, also nationalen Lage zu werten. Hier wurden eindeutig zwei vollkommen unterschiedliche Themenbereiche vermengt, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf internationaler Ebene hatte. Bei der Abstimmung über die EU-Verfassung in Deutschland forderten vor allem Vertreter von FDP und CSU ein Referendum. Doch wurde diese Debatte von der Opposition in erster Linie dafür genutzt, die Ratifikation zu blockieren, wenn nicht gar zu verhindern. Weiterhin sehe ich hier eindeutig die Gefahr, dass Volksentscheide von Politik und Medien manipuliert und instrumentalisiert werden können. Es gehört, da werden Sie mir sicher Recht geben, zu einer lebendigen Demokratie dazu, dass man auch innerhalb einer Partei nicht immer einer Meinung sein kann. Ich bin nach wie vor skeptisch was die Einführung von Volksentscheiden anbelangt.

Ich bin mir sicher, dass Sie meine Bedenken jetzt etwas besser nachvollziehen können.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Kahrs