Frage an Johannes Kahrs von Stefan J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
In Artikel 20 GG heißt es, dass alle Staatsgewalt von der Bevölkerung ausgeht und von ihr „in Wahlen und Abstimmungen“ ausgeübt wird. Der Bundestag hat bis heute keine gesetzliche Regelung für Abstimmungen(Bürgerbegehren/Bürgerentscheid) auf Bundesebene erlassen und damit die Vorgaben von Art. 20 GG nicht umgesetzt.
Werden Sie sich im Wahl ihres Einzuges in den deutschen Bundestag für eine faire, angemessene gesetzliche Regelung der Abstimmung auf Bundesebene einsetzen?
Sehr geehrter Herr J.,
die Bundesrepublik Deutschland ist eine repräsentative Demokratie. Volksentscheide sind auf Kommunal- und Landesebene (je nach Landesverfassung) erlaubt. Ich persönlich halte Volksentscheide auf Bundesebene für keine sinnvolle Ergänzung unserer Demokratie. Lassen Sie mich dies kurz an einem Beispiel erklären: Die Brexit-Entscheidung der Briten zeigt auf, welche Unwägbarkeiten mit einer Volksabstimmung verbunden sind. Das fing an mit einem Premierminister Cameron, der einzig um dem internen Zwist seiner eigenen Partei zu entrinnen eine Volksabstimmung ansetzte, statt Verantwortung zu übernehmen und Führungsstärke zu zeigen. Es ging weiter mit einer Kampagne der Rechtspopulisten, die mit Lügen, Halbwahrheiten und Emotionalisierungen eine wirklich unsägliche Kampagne fuhren. Und es endete mit der zweifelhaften Entscheidung des britischen Volkes, wider jeden Sachverstand die EU zu verlassen. Es wäre die Aufgabe der Politik gewesen, Kompromisse zu finden und Brücken zu bauen. Stattdessen wurde die Spaltung des Landes durch die Kampagne verstärkt – die Gräben scheinen tiefer als je zuvor. Es mag sein, dass dieses Negativbeispiel nicht repräsentativ für alle Volksentscheide ist. Aber es zeigt doch eindrucksvoll auf wie vielen Ebenen Gefahren lauern. Eine repräsentative Demokratie mag nicht perfekt sein – eine direkte Demokratie ist es aber eben auch nicht.
Mit freundlichem Gruß
Johannes Kahrs