Portrait von Johannes Kahrs
Johannes Kahrs
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Johannes Kahrs zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Nicole G. •

Frage an Johannes Kahrs von Nicole G.

Wird die SPD das Land mit einer Paralleljustiz für Konzerne verraten durch CETA?

CETA

Sehr geehrter Herr Kahrs,

folgt die SPD den Konzernen oder dem Land?

Mit freundlichen Grüßen, N.Grothey

Portrait von Johannes Kahrs
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Grothey,

das Wichtigste vorneweg: Weder ich persönlich, noch die Fraktion haben unsere Meinung geändert: Die Zustimmung zum Freihandelsabkommen CETA muss selbstverständlich auf demokratische und transparente Weise erfolgen. Daran haben wir nie irgendwelche Zweifel aufkommen lassen und es ist mir ein persönliches Anliegen, dies zu betonen. Ich möchte kurz ausführen warum ich denke, dass CETA wichtig ist und warum es richtig ist, dass wir als SPD uns für dieses Abkommen aussprechen. Der auf dem Parteikonvent in Wolfsburg getroffene Beschluss stellt kein Abnicken von CETA dar, sondern definiert klare Sozialdemokratische Forderungen für die weiteren Verhandlungen. Es konnten aber bereits jetzt wichtige Kernforderungen der SPD in den Verhandlungen durchgesetzt werden. Besonders zu begrüßen ist der gefundene Kompromiss zum Investitionsschutz, der alle ursprünglich von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingebrachten Reformvorschläge berücksichtigt. Damit gehört das alte System der Investor-Staat-Streitbeilegung der Vergangenheit an. Die Schaffung eines ständigen multilateralen Investitionsgerichtshofs wird von der Europäischen Union und Kanada in Aussicht gestellt. Wir fordern hier, dass die materiellen Rechtsstandarts durch klare Definitionen unseriöse Forderungen ausschließen. Ich möchte kurz die weiteren Schritte innerhalb des Verfahrens skizzieren, die durch EU-Recht sehr deutlich festgelegt sind. Die Europäische Kommission legt dem Rat nach Abschluss der Verhandlungen, nach Abschluss der Rechtsprüfung und nach Erstellung der Übersetzungen Vorschläge für die weitere Behandlung vor. Dementsprechend hat die Europäische Kommission inzwischen dem Rat die Unterzeichnung, den Abschluss und die vorläufige Anwendung vorgeschlagen und der Deutsche Bundestag hat diese Dokumente auch erhalten. Wenn dann der Rat dem Abkommen, dessen Unterzeichnung und der vorläufigen Anwendung zustimmen sollte, wird CETA im Europäischen Parlament eingehend geprüft, beraten und abgestimmt werden. So ist es im Lissabon Vertrag für internationale Verträge festgelegt. Erst nach der Zustimmung des Europäischen Parlamentes kann CETA vorläufig angewendet werden. Laut geltender Rechtslage und laut des Lissabonner Vertrages können allerdings nur solche Teile des Abkommens von CETA vorläufig angewendet werden, die vollständig vergemeinschaftet sind. Dies ist zum Beispiel bei dem Streitthema Investitionsschutz nicht der Fall. Damit ist ein zentraler Bereich des Abkommens von der vorläufigen Anwendung explizit ausgenommen.

Es bleibt also festzuhalten:
Erst wenn das Europäische Parlament und alle nationalen Parlamente der 28 EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben, tritt das Abkommen vollständig in Kraft. Wenn der Bundestag und der Bundesrat dem Abkommen nicht zustimmen, wird es auch als Ganzes nicht in Kraft treten.

Obwohl Kanada zu einem unserer weltweit engsten Handelspartner gehört, haben wir immer noch kein gemeinsames Handelsabkommen abgeschlossen. Meiner Meinung nach ist es gelungen, mit Kanada ein Abkommen zu verhandeln, das hohe Standards setzt und gleichzeitig die wirtschaftliche Kooperation zwischen den Ländern deutlich verbessert. Die gegenseitige Öffnung des kanadischen und europäischen Marktes für Güter, Dienstleistungen und Investitionen bietet neue Marktchancen für Unternehmen, sichert und schafft Arbeitsplätze und gibt Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten. CETA sieht einen weitgehenden Zollabbau, einen ­ für Kanada bislang beispiellosen ­ Zugang von Unternehmen zu den jeweils anderen Beschaffungsmärkten, eine Rahmeneinigung über die erleichterte gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen, leichteren temporären Austausch von Mitarbeitern zwischen der EU und Kanada, Abbau unnötiger Testverfahren und Verbesserungen des Schutzes geistigen Eigentums vor. Gerade für eine Exportnation wie Deutschland ist dies von erheblicher Bedeutung. Jeder vierte Arbeitsplatz hierzulande hängt vom Export ab, in der Industrie ist es jeder zweite.

Die Aussage, CETA gefährde die Demokratie, ist falsch. Völkerrechtliche Verträge sind vorabvon demokratisch gewählten Regierungen und Parlamenten zu billigen. Dieser Prozess gilt auch für CETA. Kein unter CETA vorgesehenes Gremium hat die Kompetenz Regulierungen zu erlassen. Regulierungen in der EU werden weiter nach den im europäischen Recht vorgesehenen Verfahren erlassen. Des weiteren betont bereits die Präambel des CETA-Vertragstextes ausdrücklich die Wahrung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums der Vertragsparteien und die fortbestehende Möglichkeit, legitime Interessen des Allgemeinwohls schützen zu können (Präambel, S. 5, dritter Absatz; s. speziell für Investitionsschutz Art. 8.9 Abs. 1, S. 100 sowie Art. 8.12 Abs. 1 S 2 i. V. m. Anhang 8-A Absatz 3, S. 105 und Anhang S. 137.). Daran ändert auch die in Handelsabkommen übliche Schaffung eines gemischten Ausschusses nichts. Außerdem wollen wir im parlamentarischen Beratungsverfahren sicherstellen, dass alle acht ILO Kernarbeitsnormen von Kanada ratifiziert werden. Sieben davon sind bereits ratifiziert und die achte soll nun folgen. Weil wir globale Standards für einen fairen und nachhaltigen Welthandel setzen und den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen im gegenseitigen Interesse voran bringen wollen, unterstützt die SPD die EU grundsätzlich in dem Vorhaben CETA zu verhandeln. Mit der SPD wird es aber nur ein Abkommen geben, das den Interessen der Bürgerinnen und Bürger und unserer Wirtschaft nützt. Solange diese Bedingung nicht gewährleistet ist, wird es keine Zustimmung der SPD und Deutschlands geben. Schließlich muss man noch die Kooperationsbereitschaft der kanadischen Regierung hervorheben, die bereits jetzt auf viele unserer Forderungen eingegangen ist. Ich möchte sie außerdem darauf aufmerksam machen, dass die SPD sich momentan als einzige etablierte Partei Deutschlands der durchaus kontroversen und herausfordernden Debatte stellt und nach konstruktiven Lösungen sucht.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit aufzeigen, warum wir uns so positioniert haben, wie wir uns positioniert haben.

Mit freundlichem Gruß

Johannes Kahrs