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Frage von Andre K. •

Frage an Johannes Kahrs von Andre K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Johannes,

ich beziehe mich auf deine Antwort zu meiner Frage vom 30.07. über die Ehemöglichkeit von Brüdern und die Mehrfachehe.

Über deine Antwort war ich schockiert, besonders da du menschengruppenbezogene Diskriminierungen nicht verurteilst und es so aussieht, als ob du Schwule und Lesben gegenüber anderen Menschen privilegieren möchtest. Bevor andere Leser und ich aber falsche Schlüsse aus deiner Antwort ziehen, möchte ich zur Sicherheit noch einmal nachfragen:

1) Wer verbietet es dir als SPD-Sprecher der Lesben und Schwulen dich auch zu anderen Diskriminierungen in unserer Gesellschaft zu äußern? Oder äußerst du dich als Bundestagsabgeordneter ausschließlich nur zu politischen Themen, die Schwule und Lesben betreffen?

2) Du schlägst für Brüder eine Verpartnerungsregelung wie in Frankreich vor. Wieso sollen Brüder bei gleichen Pflichten schlechter gestellt werden als Homosexuelle? Sind Homosexuelle und deren Lebensentwürfe aus deiner Sicht besser und schützenswerter als andere Menschen und deren Lebensentwürfe? Wenn nicht, warum sollen dann Brüder nicht die Ehe eingehen dürfen, um bei gleichen Pflichten die gleichen Rechte (Ehegattensplitting, Rentenversorgung) zu erhalten?

3) Warum äußerst du dich nicht zur Mehrfachehe, die besonders unsere muslimischen Mitbürger diskriminiert und in über 60 Ländern der Erde legal ist. Während die SPD jüngst wieder das Ende der Diskriminierung von Migranten und Muslimen gefordert hat, weigerst du dich, überhaupt Stellung zu der Frage der Mehrfachehe zu beziehen. Bekannte von mir, die deine Antwort gelesen haben, sehen deine (Nicht-)Antwort als islamophob und als Teil der anwachsenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland an.

Ich hoffe, dass du dich als Schwuler, Bundestagsabgeordneter und SPD-Mitglied noch dazu durchringen kannst, auch zu anderen Diskriminierungen als der der Schwulen Stellung zu beziehen, sprich konkret zum Verbot der Ehe zwischen Brüdern, die keinen Inzest betreiben, und zum Verbot der Mehrfachehe.

Vielen Dank
Andre

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Antwort von
SPD

Moin André,

ich finde Deine Antwort ziemlich angriffslustig und in der Sache wenig hilfreich. Zudem verwahre ich mich gegen Deine Unterstellungen, ich würde andere diskriminieren wollen. Ich habe in meiner E-Mail lediglich zum Ausdruck gebracht, dass für mich die Gleichstellung von Schwulen und Lesben derzeit prioritär ist – und das wird man ja wohl vom zuständigen Sprecher der SPD-Fraktion auch erwarten dürfen. Ich habe auf den Zivilen Solidaritätspakt in Frankreich hingewiesen, weil dieser am ehesten in die Richtung zielt, auf die Du hinauswillst. In Deutschland beginnt die Diskussion über den „pacs“ gerade erst, und es steht Dir frei, Dich diesbezüglich zu organisieren und durch Argumente zu überzeugen. Mich ärgert ein wenig, dass Du versuchst, zwischen der Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben und Deinen Anliegen einen direkten Zusammenhang herzustellen, den es nicht gibt, was ich im Folgendem gern begründen will:

1. Bei einer Heirat zwischen direkten Verwandten sehe ich derzeit große rechtliche Schwierigkeiten. Naturgegebene Verwandtschaft und Lebenspartnerschaften/Ehen sind zwei völlig unterschiedliche Dinge mit jeweils eigenen Rechten und Pflichten – eine Überlagerung bereits bestehender Blutsverwandtschaft durch die zusätzliche Begründung einer Lebenspartnerschaft/Ehe würde zu komplizierten Verwicklungen personenrechtlicher Beziehungen führen. Unter Umständen würde dies sogar den Gleichheitsgrundsatz verletzen, wenn damit andere Verwandte (in Deinem Fall also beispielsweise ein weiterer Bruder oder eine Schwester) dadurch schlechter gestellt würden. Du siehst, dass die Angelegenheit - im Gegensatz zur eigentlich sehr einfach zu realisierenden Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben - deutlich komplizierter ist.

2. Ich fordere die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in Bezug auf eine Institution, die es bereits in dieser Form gibt, nämlich die Ehe zwischen zwei Menschen. Die Ehe für eine Gruppe von Menschen (also mehr als zwei) gibt es zivilrechtlich in Deutschland nicht. Für Muslime ist die Ehe mit einer Person, die sie lieben, in Deutschland selbstverständlich ohne weiteres möglich, aber für Schwule und Lesben eben nicht. Das Gesetz diskriminiert also keine Muslime, weil sie schließlich die gleichen Rechte haben, wie Christen, Juden oder auch Laizisten. Und für alle gilt ebenfalls gleichermaßen, dass die Mehrfachehe derzeit in Deutschland keine rechtliche Grundlage hat. Ich kann diesbezüglich also keine Diskriminierung bzw. Bevorzugung einer Bevölkerungsgruppe erkennen. Darüber hinaus steht es Muslimen natürlich frei, nach Maßgabe der Scharia weitere Eheverbindungen einzugehen, aber diese haben dann zivilrechtlich keine weitere Relevanz in unserem Rechtssystem (ähnlich wird übrigens auch in einigen muslimischen Ländern verfahren...). Somit verstößt das zivilrechtliche Verbot der Mehrfachehe auch nicht gegen die Religionsfreiheit.

Mit freundlichem Gruß
Johannes Kahrs