Frage an Johannes Kahrs von Andre K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Liebe Johannes,
ich lebe mit meinem Bruder zusammen, ich arbeite und er kümmert sich um den Haushalt. Inszest begehen wir nicht. Obwohl wir gegenseitig Pflichten füreinander übernehmen, erhalten wir keine Ehegattensplitting und mein Bruder wird bei meinem Tod z. B. keine Rentenansprüche bekommen. Wir können auch keine Ehe/eLP eingehen. Mit jedem anderen Mann könnte ich mich durch eine eLP rechtlich absichern.
Da du dich für die Ehe für alle ausgesprochen hast, habe ich folgende Fragen:
1. Welchen Zweck hat der Inzestparagraph bei gleichgeschlechtlichen, erwachsenen Geschwistern?
2. Hältst du den Inzestparagraphen für zwei erwachsene Brüder für geschwisternphob und menschenverachtend? Wenn ja, was unternimmst du dagegen?
3. Warum sollten zwei erwachsene Brüder keine eLP/Ehe eingehen können, besonders wenn sie gar keinen Inzest begehen, sondern nur bei gleichen Pflichten auch gleiche Rechte erhalten wollen?
4. Ist deine Eheforderung immer mit einer sexuellen Beziehung verbunden, sprich Ehevorteile nur gegen Sex? Wie kontrollierst du das?
5. Da wir muslimische Freunde haben und das Thema im Rahmen dieser Diskussion hochkam: Hältst du das Verbot, dass nicht mehr als zwei Menschen freiwillig die Ehe eingehen können, für diskriminierend und islamophob? Die Grüne Jugend fordert z. B. dass mehrere Menschen gemeinsam einen Bund fürs Leben eingehen können sollen und in schon über 60 Staaten der Erde gibt es die Mehrfachehe. Die Berliner Linkenpolitikerin Franziska Brychcy lebt mit zwei Männern in einer Wohnung, hat von einem drei und vom anderen ein Kind. Warum soll Franziska eigentlich aus eurer Sicht nicht die beiden Männer heiraten dürfen?
6. Was spricht aus deiner Sicht dagegen, dass drei sich liebende und füreinander sorgende Erwachsene nicht gemeinsam heiraten dürfen?
7. Du als Homosexueller setzt dich für die "Ehe für alle" ein? Was genau verstehst du unter "alle"?
Vielen Dank
Andre
Lieber Andre,
unter der Ehe für alle verstehe ich, dass Frau und Frau sowie Mann und Mann ebenso heiraten dürfen wie Frau und Mann. Ich will eine völlige Gleichstellung für Schwule und Lesben erreichen und bitte Dich um Verständnis dafür, dass ich als Sprecher der SPD-Fraktion für die Belange von Schwulen und Lesben in erster Linie diesem vorrangigen Ziel verpflichtet bin. Da ich dieses Amt inne habe und sehr schätze, beteilige ich mich nicht an Diskussionen über den Inzestparagraphen und über Polygamie, weil nicht finde, dass solche Themen nicht mit der Gleichstellung für Schwule und Lesben vermengt werden sollten.
In Frankreich gibt es einen sogenannten Zivilen Solidaritätspakt, der es zwei Menschen erlaubt (unabhängig von sexueller Orientierung oder Art des Zusammenlebens), gegenseitig Rechte und Pflichten wahrzunehmen - dies ist meiner Meinung nach auch für Deutschland zumindest diskussionswürdig aber meines Wissens im Moment nicht aktuell.
Mit freundlichem Gruß
Johannes Kahrs