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Frage von Joachim P. •

Frage an Johannes Kahrs von Joachim P. bezüglich Recht

Guten Tag Herr Kahrs,

ich lese gerade aufmerksam ihre Antworten. Leider haben Sie die Antwort von Herr Uzt, bezüglich von Studien, die die Mindestspeicherfristen rechtfertigen, nicht beantwortet.

Ich verfolge auch aufmerksam die Debatte. Selbst in der Bundespressekonferenz konnte bisher trotz mehrmalige Wiederholung kein Beispiel genannt werden, wo die Mindestspeicherfristen geholfen hätten Verbrechen aufzuklären.

Warum halten Sie persönlich das Gesetz für notwendig, welche Verbesserungen versprechen Sie sich konkret auch für Hamburg?

Ich glaube, dass das Gesetz eher unsere Demokratie unterhöhlt, da es die Kommunikationsfreiheit einschränkt. Besonders besorgniserregend ist der Paragraph zur Datenhehlerei. Kritische Stimmen sagen, dass so das WhistleBlowing faktisch unter Strafe gestellt werden. Insbesondere für die Olympiabewerbung wünsche ich mir, dass Menschen in der Stadtverwaltung ermutigt werden sollten, Missstände anzuprangern, wenn Sie diese in ihrer Arbeit erkennen. Sehen Sie dass nicht auch so?

Viele NGOs lehnen dieses Gesetz ab. Insbesondere der mir sehr kompetent erscheinende Chaos Computer Club ist gegner dieses Gesetzes. Was halten Sie diesen Kritikern entgegen?

Eine weitere Befürchtung ist, dass überall wo Personendaten erhoben werden, diese auch geklaut und Missbraucht werden können. Gerade wird bekannt, dass der Bundestag von Cyberangriffen akut bedroht ist. Kann wirklich für die Sicherheiten der Verkehrsdaten garantiert werden?

Ich stehe dem Gesetz sehr ablehnend gegenüber. Zum Einen weiss ich nicht, warum es gebraucht wird und zum Anderen sehe ich meine Daten und meine Freiheit in Gefahr.

Bitte stimmen Sie gegen dieses Gesetz.

Mit besten Grüßen,
Joachim Palm

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Sehr geehrter Herr Palm,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Mir sind keine wirklich aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung/Höchstspeicherfrist bekannt (weder pro noch contra). Die wenigen vorhandenen Studien leiden unter einem Mangel an empirischen Daten und teilweise auch an methodischen Problemen. Die Wissenschaft kann in diesem Fall bislang leider kein kompetenter Ratgeber sein. Ein Problem bei der Analyse der Wirksamkeit der Höchstspeicherfrist ist beispielsweise, dass die Höchstspeicherfrist lediglich ein Instrument von sehr vielen bei der Aufklärung von Straftaten darstellt. Es ist deshalb auch schwer zu beurteilen, ob in einem bestimmten Fall der Zugriff auf diese Daten den einen entscheidenden Anteil an der Aufklärung einer Straftat hatte.

Die Einführung einer Höchstspeicherfrist ist mit Sicherheit kein Allheilmittel der Verbrechensbekämpfung. Sie löst nicht alle Probleme und sie verhindert auch nicht alle terroristischen Anschläge, jedenfalls nicht ohne weiteres den ersten einer unbekannten Gruppierung. Denn sie ist gerade kein Mittel der präventiven Totalüberwachung, sondern eine Ermittlungsmaßnahme im Einzelfall und ich finde als solches hat sie eine Berechtigung. Mit der Höchstspeicherfrist bekommen Staatsanwaltschaften und Polizei die Möglichkeit, Verbindungen zwischen Personen aufzuklären. Die Daten können im Bereich terroristischer Straftaten helfen, Folgetaten zu verhindern. Aber auch bei Fällen der schwersten Kriminalität kann sie meiner Meinung nach nützlich beim Aufdecken von Netzwerken sein. Deswegen halte ich eine maßvolle Höchstspeicherfrist für sinnvoll, da mit dieser Methode ein Beitrag zur Verbrechensbekämpfung geleistet werden kann.

Des weiteren äußerten Sie sich besorgt über den neuen Straftatbestand der Datenhehlerei. Der Straftatbestand der Datenhehlerei soll u.a. einen Missbrauch der Höchstspeicherfrist verhindern helfen in dem der Handel mit Daten untersagt wird und richtet sich daher nicht gegen einen klassischen Whistleblower, dessen Ziel ja nicht die eigene Bereicherung ist. Daten sind nicht nur ein wichtiges Instrument zur Strafverfolgung. Wir müssen zugleich sicherstellen, dass Daten auch vor Ausspähung geschützt sind und es keinen Handel mit ausgespähten Daten gibt. Dabei achten wir auch hier auf die Pressefreiheit und stellen ausdrücklich klar, dass journalistische Tätigkeiten zur Vorbereitung einer konkreten Veröffentlichung keine Datenhehlerei sind.

Ich verstehe und akzeptiere, dass es bezüglich der Höchstspeicherfrist andere Meinungen gibt, wie zum Beispiel die des von Ihnen erwähnten Chaos Computer Clubs. Erstens, bitte ich aber zu bedenken, dass sehr computer- und internetaffine Menschen vielleicht sensibler auf Eingriffe in „ihre“ digitale Welt reagieren als der Rest. Dieses Partikularinteresse ist natürlich alles andere als unwichtig, aber eben nicht allein ausschlaggebend für den Gesetzgeber.

Zweitens, dass ich eine maßvolle Höchstspeicherfrist für verhältnismäßig halte, hat sicherlich auch den Hintergrund, dass ich im Gegensatz zum Chaos Computer Club darin keine staatliche Massenüberwachung erkennen kann. Das verpflichtende begrenzte und dezentrale Speichern von oft bereits jetzt langfristig von Telekom, Vodafone usw. gespeicherten Daten bei den einzelnen Telekommunikationsanbietern, ohne dass der Staat darauf Zugriff hat, außer im Einzelfall auf richterliche Anordnung, ist meiner Meinung nach keine staatliche Massenüberwachung. Ich glaube auch nicht, dass der Staat jemals in rechtswidriger Verschwörung mit der Justiz und den privatwirtschaftlichen Telekommunikationsunternehmen Massendaten übermittelt bekommen wird, die von unbeschäftigten Beamten ausgewertet werden, weil die Erkenntnisse wertvoll für die Errichtung einer heimlich geplanten Diktatur sein könnten. Ich glaube unsere Demokratie ist hierfür ausreichend stabil und der Rechtsstaat sehr gut etabliert.

Die unterschiedlichen Meinungen lassen sich also kurz gesagt oft darauf zurückführen, dass der Grad der Skepsis gegenüber Staat und Strafverfolgung ein anderer ist. Auch ich bin der Meinung, dass der Staat nicht alles darf und das Grenzen sowie Kontrolle für staatliches Handeln wichtig sind. Ich glaube aber nicht, dass die Höchstspeicherfrist von diesen Grundsätzen diametral abweicht und so die Demokratie aushöhlt.

Schlussendlich sorgen Sie sich verständlicher Weise um die Sicherheit der gespeicherten Daten. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass dieses Problem völlig unabhängig von der Höchstspeicherfrist besteht, denn Daten wurden und werden ohnehin erfasst und gespeichert. Ohne dies wäre es ja einem Telekommunikationsunternehmen nicht möglich, am Monatsende eine Rechnung zu erstellen. Das Gesetz sieht allerdings vor, dass die Provider von nun an bei der Speicherung die höchstmögliche Sicherheit der Daten gewährleisten müssen. Die Speicherung muss im Inland erfolgen (Server müssen in Deutschland stehen). Die Anbieter müssen die Daten gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verwendung schützen. Bei Verstößen drohen den Unternehmen Geldbußen von 100.000 bis 500.000 Euro.

Das Gesetz soll ebenfalls regeln, dass nach Ablauf der Höchstspeicherfrist die gespeicherten Daten gelöscht werden müssen – das ist bis heute nicht der Fall. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge. Der Abruf der Daten ist darüber hinaus transparent. Wenn Daten abgerufen werden, müssen die Betroffenen grundsätzlich darüber informiert werden.

Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen hinreichend befriedigend beantworten und verbleibe mit freundlichem Gruß,
Johannes Kahrs