Frage an Johannes Kahrs von Patrick P.
Sehr geehrter Herr Kahrs,
da insbesondere Sie - als Abgeordneter meines Wahlkreises - im Bundestag verstärkt meine Interessen vertreten (in der Theorie zumindest), erhoffe ich mir ein wenig Aufklärung bezüglich Ihres Abstimmungsverhaltens bei der Frage nach der Ablehnung von Schiedsgerichten bei TTIP und CETA. Ich erkenne keinen einzigen potenziellen Vorteil, den ich oder andere rechtschaffende Bürger aus Hamburg davon haben, dass "private Konzerne" die Bundesrepublik vor privaten Schiedsgerichten verklagen dürfen.
Es erweckt den Anschein, dass hier eine Selbstjustiz rechtswirksam eingeführt wird. Diese dürfen jedoch ausschließlich Konzerne in Anspruch nehmen um von der gesamten Gesellschaft für einen abstrakten selbst empfunden Schaden entschädigt zu werden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dies hat in meinen Augen mit demokratischer Rechtsstaatlichkeit wenig gemeinsam sondern weist gefährliche plutokratische Strukturen auf.
Dass TTIP in Ihrer Meinung wichtig für Wachstum ist kann ich tolerieren. Dass Wachstum jedoch wichtiger sein soll, als demokratische Grundprinzipien ist unverständlich. Wachstum hält lediglich unsere Wirtschaft - auf Kosten ökologischer Nahhaltigkeit - stabil. Ein demokratischer Rechtsstaat gibt der gesamten Gesellschaft Stabilität. Ich würde es schockierend finden, wenn Sie die Stabilität der Wirtschaft für wichtiger halten als die unserer Gesellschaft. Diesen Anschein erweckt leider Ihr Abstimmungsverhalten.
Ich verstehe und respektiere, dass Ihre Entscheidung frei ist und ausschließlich Ihrem eigenen Gewissen Rede und Antwort geben muss.
Dennoch erhoffe ich mir, dass Sie mir Ihre Gründe darlegen können, weil diese Entscheidung aus meiner Sicht (mit meinem begrenztem Hintergrundwissen) falsch ist. Womöglich verstehe ich den Sachverhalt, wenn Sie mir Ihre Perspektive offenbaren.
Da ein breites Verständnis Ihrer Entscheidungen sicher auch in Ihrem Interesse ist hoffe ich auf eine baldige Antwort und verbleibe
m f G
Patrick Pieper
Sehr geehrter Herr Pieper,
vielen Dank für Ihre Frage. Zunächst muss ich klarstellen, dass es sich bei meinem Abstimmungsverhalten bezüglich der Ablehnung von Schiedsgerichten bei TTIP und CETA nicht um eine aufgesetzte Doppelmoral handelt, sondern vielmehr um eine demokratisch legitimierte und verfahrensbedingte Entscheidung.
An meiner Haltung gegenüber den beiden Handelsabkommen hat sich nichts geändert. Nach wie vor sprechen die SPD und ich für ein Freihandelsabkommen, aber nur unter bestimmten Bedingungen und nicht um jeden Preis. Gerade die Weltwirtschaft braucht verlässliche Regeln und deswegen wollen wir globale Standards für einen fairen und nachhaltigen Welthandel setzen und den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse im gegenseitigen Interesse voran bringen. Wir erwarten deutliche Kostensenkungen durch die gegenseitige Anerkennung von Standards und Zulassungsverfahren, die das gleiche Ziel verfolgen.
Es geht dagegen bei TTIP nicht um die Absenkung von Standards und um eine Einschränkung der Demokratie, sondern um eine Vereinfachung des Exports, wovon insbesondere in Deutschland kleine und mittelständische Unternehmen profitieren, da diese einen verhältnismäßig großen Export im internationalenVergleich aufweisen.
Gerade dadurch, dass Nationale Gesetze oder Vorschriften eines EU-Mitgliedsstaates für Beschäftigung oder soziale Sicherungsmaßnahmen, die Vorschriften über Lohnverhandlungen, das Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge unangetastet bleiben, wirken wir aktiv einer von Ihnen befürchteten Selbstjustiz entgegen.
Bei der von Ihnen erwähnten Abstimmung hat die SPD den Antrag der Grünen lediglich abgelehnt, da er zum falschen Zeitpunkt eingereicht wurde und eine Diskussion erst mit den fertigen Ausfertigungen im Bundestag stattfinden kann.
Abschließend kann ich Ihnen nochmals versichern, dass die SPD nur einem Abkommen, dass den Interessen der Menschen, der Wirtschaft und der Demokratie unseres Landes nützt, zustimmt.
Mit freundlichem Gruß,
Johannes Kahrs