Frage an Johannes Kahrs von Markolf M. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Kars,
im Regierungsprogramm 2013-2017 wird die Abschaffung der sogenannten "Extremismusklausel" (S. 102, Abs. 1, Zeile 8-9) angekündigt. Welche Begründungen sprechen Ihrer Meinung nach für eine Streichung der Extremismusklausel, im seit dem 14. September 2012 geltenden Wortlaut ?
Im Regierungsprogramm 2013-2017 wird im Bereich "VIII.3 Für Freiheit in Sicherheit" nur das Wort Rechtsextremismus verwendet. Wodurch wird diese Wortwahl begründet ?
Was für einen Umgang streben Sie mit den, gemäß Verfassungsschutzbericht 2012, rechtsextremen "Pro-Bewegungen" an ?
Würden Sie für eine Beteiligung der Bundeswehr an der EUTM Somalia in Somalia stimmen ?
Welche Maßnahmen sind, Ihrer Meinung nach, notwendig um demokratische Strukturen, z.B. in Mali und Niger, zu etablieren und/oder zu schützen ?
Was für einen Beitrag kann Deutschland dazu leisten ?
Vielen Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Markolf Matschke
Sehr geehrter Herr Matschke,
vielen Dank für Ihre Fragen. Es freut mich sehr, daß Sie sich so eingehend mit dem Regierungsprogramm der SPD beschäftigen.
Die sogenannte Extremismusklausel besagt, daß Vereine, Initiativen und Projekte, die Zuschüsse vom Bund beantragen, zunächst versichern müssen, dass sie keinerlei Kontakte zu als extremistisch eingestuften Organisationen pflegen dürfen. Das ist zwar gut gemeint – niemand will, dass das Geld der Bürger am Ende staatsfeindlichen Gruppen zugute kommt – führt aber in der Praxis zu Problemen, weil die meisten Vereine und Projekte gar nicht die Zeit und Möglichkeit haben, jeden ihrer Kontakte auf einen möglichen extremistischen Hintergrund hin zu überprüfen. Im übrigen sind es ja nicht die beantragenden Projekte selbst, die extremistisch sind – die Prüfung in dieser Hinsicht erfolgt beim Bund nach Beantragung von Mitteln – sodaß letzten Endes die Falschen bestraft werden. Deswegen setzt sich die SPD für eine Streichung der Klausel aus. Man ist immerhin jahrzehntelang auch ohne diese Klausel ausgekommen, ohne dass etwa rechtsextremistische Vereinigungen im großen Stil Bundesmittel abgeschöpft haben. Ein typisches Beispiel der unüberdachten Symbolpolitik von Ministerin Kristina Schröder eben.
Zu Ihrer zweiten Frage: wie auch aus dem Regierungsprogramm ersichtlich, wurden die Konzepte zur Extremismusbekämpfung unter dem Eindruck der Mordserie des sogenannten NSU und des sich anschließenden breiten Versagens der Behörden bei der Aufklärung erarbeitet. Natürlich gibt es auch Linksextremismus. Wenn man sich allerdings die Statistiken der Polizei zu den entsprechenden Straftaten ansieht, muss man objektiv feststellen, dass vom Rechtsextremismus einfach größere Gefahren für Leib und Leben von Menschen ausgehen. Eine Mordserie, bei der die Opfer einfach nur aufgrund ihrer Herkunft ausgewählt werden, ist eben nur bei Rechtsextremen denkbar.
Zur dritten Frage: ich kümmere mich eher wenig um die Pro-„Bewegung“. Wir haben in Deutschland immer wieder mal das plötzliche Erscheinen populistischer und rechtsextremer Kleinstparteien. Erfahrungsgemäß verschwinden sie rasch wieder in der Versenkung. Gegen das der Pro-„Bewegung“ zugrundeliegende menschenfeindliche und ängstliche Gedankengut hilft am besten gute Gesamtpolitik. Die meisten Bürger scheinen auch durchaus in der Lage, die Parolen solch rechtspopulistischer und rechtsextremer Vereine zu durchschauen.
Zur EUTM Somalia: die Bundeswehr beteiligt sich bereits mit 12 Soldaten an dieser EU-Mission, bei der somalische Soldaten ausgebildet werden. Das Training findet in Uganda statt. Die Bundeswehr wird sich derzeitigen Planungen an der Verlängerung der EUTM Somalia nicht mehr beteiligen und das steht meines Wissens auch nicht zur Debatte.
Ihre fünfte Frage ist schwierig zu beantworten, da Deutschland anderen Staaten ja nicht einfach Demokratie verordnen kann. Demokratische Strukturen finden aber erfahrungsgemäß da gute Bedingungen, wo der Wohlstand halbwegs gerecht verteilt (also nicht in den Händen einiger weniger konzentriert ist), die Menschen in Sicherheit leben können, Vertrauen in staatliche Strukturen haben, und natürlich da, wo eine Öffentlichkeit durch Bildung und freie Meinungsäußerung existiert. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kann auf vielfältige Weise das Entstehen solcher Bedingungen fördern, ein Patentrezept hierfür gibt es aber nicht. Jeder Staat ist anders.
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Kahrs