Frage an Johannes Kahrs von Patrick G. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Kahrs,
im Prinzip alle Parteien nehmen inzwischen wahr, dass Zeit- und Leiharbeitsverhältnisse auf Dauer nicht tragbar sind und dass ArbeitnehmerInnen in Ihren Rechten, aber auch angesichts Ihres wirtschaftlichen Sicherheitsbedürfnisses gleich gestellt werden sollten. In der Wissenschaft, insbesondere Universitäten, die im Übrigen öffentliche Arbeitgeber sind (!), sind jedoch für den wissenschaftlichen Mittelbau (beschönigend Nachwuchs genannt) befristete Arbeitsverhältnisse, meist in Teilzeit, die Regel. Wenn dadurch Ausfälle im Studienangebot entstehen, sollen diese nach Ansicht des Hamburger Uni-Präsidenten Lenzen durch Lehraufträge aufgefangen werden. Angesichts einer Vergütung von ca. 1200,- Euro für sechs Monate (!) ist das nur noch zynisch. Auch käme wohl kein Unternehmen auf die Idee, sich einen festangestellten Vorstand (ProfessorInnen) zu leisten und außer Auszubildenden (DoktorandInnen) und befristet eingestellten Teilzeitkräften mit Gesellenbrief (Post-Docs) keine weiteren Arbeitskräfte einzustellen - mal abgesehen von dem öffentlichen Aufschrei, den das gäbe. An deutschen Universitäten ist das aber unbefriedigender Alltag. Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu und was gedenken Sie ggf. in der kommenden Legislaturperiode dagegen zu unternehmen. Auf Ihre Antwort gespannt ist,
Patrick Grommes
Sehr geehrter Herr Grommes,
danke für Ihre Frage. In Ihrer ernüchternden Schilderung der Arbeitsbedingungen unseres wissenschaftlichen Nachwuchses an den Universitäten stimme ich Ihnen zu. Weil wir um diese Zustände und die Bedeutung der jungen Akademiker für den Erhalt unseres Landes als Wissenschaftsstandort wissen sind wir Sozialdemokraten der Meinung, dass das Prinzip der „Guten Arbeit” auch in Wissenschaft und Forschung gelten muss. Wir wollen für Tätigkeiten in Wissenschaft und Forschung mehr unbefristete Beschäftigungschancen und verlässliche Berufsperspektiven schaffen, auch und gerade jenseits der Professur auf Lebenszeit, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Klar ist aber auch, dass Befristungen und Zeitverträge bei Qualifizierungsstellen nicht zu vermeiden sind. Wir werden im Wissenschaftszeitvertragsgesetz Mindeststandards für Befristungen schaffen und für mehr Gestaltungsspielräume der Tarifparteien sorgen.
Um den zahlreichen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern,
die insbesondere im Rahmen der Exzellenzinitiative in das deutsche Wissenschaftssystem gekommen sind, verlässliche Karriereperspektiven zu bieten, brauchen wir zusätzliche Stellen in allen Personalkategorien: Professuren, Juniorprofessuren und akademischer Mittelbau.
Wir wollen auch den Frauenanteil im Wissenschaftssystem durch am Kaskadenmodell orientierte Zielquoten nachhaltig erhöhen. In wissenschaftlichen Führungsgremien wollen wir einen Anteil von mindestens 40 Prozent erreichen.
Die Stärkung von Wissenschaft und Forschung ist für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes von herausragender Bedeutung. Innovationen aus Wissenschaft und Forschung tragen wesentlich zur Modernisierung unserer Gesellschaft und Wirtschaft bei. Mit der Forschungsförderung aus öffentlichen Mitteln gewährleisten wir, dass Forschung und Entwicklung in gesellschaftlicher Verantwortung stattfinden.
Forschung und Entwicklung sind entscheidend, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Energiewende und ressourcenschonendes Wirtschaften, Gesundheit und Demographie, sozialer Zusammenhalt und digitale Sicherheit – dazu brauchen wir neue Vorstöße aus allen Wissenschaftsdisziplinen.
Gute Hochschulen sind ohne Forschung nicht denkbar. Sie leisten einen zentralen Beitrag zu Wissenschaft und Forschung in Deutschland. Durch eine entsprechende Ausrichtung der Forschungsfinanzierung wollen wir dafür Sorge tragen, dass Forschung an Hochschulen so gefördert wird, wie es ihrer zentralen Rolle im Wissenschaftssystem entspricht. Der Schlüssel für alle diese Vorhaben liegt in einer besseren Grundfinanzierung der Hochschulen, für die Bund und Länder gemeinsam Verantwortung tragen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Kahrs