Frage an Johannes Kahrs von Maria P. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Kahrs,
sie haben dem ESM zugestimmt.Wie können Sie es verantworten einem Gesetz zuzustimmen welches die Finanzhoheit der Bunderrepunlik vollkommen aushöhlt. Ich bin über das Gesetz erschüttert. Um nur einige Punkte zu nennen: Es gibt keine parlamentarische Kontrolle des Gouverneursrats, die Diskussionen sind nicht öffentlich, der Gouverneursrat bestimmt sein eigenes Kontrollgremium (!!!), das Stammkapital kann jederzteit erhöht werden vom Gouverneursrat, der deutsche Vetreter ist nicht an Weisungen des Parlaments gebunden!, es kann nachgefordert werden von einzelnen anderen ländern, wenn ein Land nicht zahlt. Deutrschland ist überstimmbar, da es weniger als 1/3 der Stimmen hat. Bitte antworten Sie mir, wie sie es verantworten können, solch einem Gesetz zuzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
K. Plattfaut
Sehr geehrte Frau Plattfaut,
vielen Dank für Ihre Frage.
Zum sogenannten Gouverneursrat des ESM erreichen mich und meine Kollegen viele Fragen. Ich hoffe, Ihre beantworten zu können:
Der Gouverneursrat ist das höchste Entscheidungsorgan des ESM. Jedes Land schickt einen Beauftragten in den Gouverneursrat, in der Regel den Finanzminister, und einen Vertreter. Die Mitglieder des Gremiums genießen Immunität, können also für ihre Entscheidungen nicht juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Das ist bei allen internationalen Organisationen so, und kein Spezifikum des ESM.
Die Vertreter des Gouverneursrates sind ihren jeweiligen Parlamenten rechenschaftspflichtig und werden von diesen kontrolliert.
Dasselbe gilt für das Direktorium, das gewissermaßen die Geschäfte des ESM führt – nach den Vorgaben des ESM-Vertrags und der vom Gouverneursrat beschlossenen Satzung des ESM. In dieses Gremium schickt jedes Mitglied des Gouverneursrates einen Vertreter und ein stellvertretendes Mitglied. Das Direktorium fasst Beschlüsse und entscheidet über die Beschäftigungsbedingungen der ESM-Mitarbeiter. Den Vorsitz hat der Geschäftsführende Direktor.
Ob einem Land geholfen wird, entscheidet der Gouverneursrat nach unterschiedlichen Regeln: Für seine Zustimmung zu Stabilitätshilfen, welche wirtschaftspolitischen Auflagen damit verbunden sind und welche Instrumente gewählt werden muss dies einstimmig geschehen. Dasselbe gilt für Entscheidungen über die Zinsen, ob und wie Instrumente für Finanzhilfen geändert werden und ob Aufgaben an das Direktorium übertragen werden. Und, ob und wie das Stammkapital des ESM verändert wird oder ob es Anpassungen bei maximalen Darlehensvolumen geben soll. Einstimmig muss außerdem entschieden werden, wenn der Gouverneursrat Aufgaben an das „Direktorium“ übertragen will.
Andere Entscheidungen können mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Für Letzteres sind in einigen Fällen 80, in anderen Fällen, wie etwa „Eilentscheidungen“, 85 Prozent der Stimmen notwendig. Weil Deutschland 27 Prozent der Stimmanteile hat, können solche Entscheidungen also nur mit Zustimmung Deutschlands geschehen. Es ist also keineswegs so, daß der Gouverneursrat eine Entscheidung gegen den Willen der Bundesrepublik treffen kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Kahrs