Frage an Johannes Kahrs von Ronny H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Kahrs,
Sehr gerne würde ich einige, ausführlichere Angaben von Ihnen zum Thema "ESM- Europäischer Stabilitätsmechanismus" bekommen.
Ihre Antwort auf die Frage von Herrn Biebau vom 15.09.2011 ist für mich in KEINSTER Weise befriedigend.
Hier verweise ich vor allem auch auf inhaltliche Ungenauigkeiten Ihrer Antwort:
"Ein Scheitern des Euros hätte allein für unsere Wirtschaft Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe zur Folge, um Währungsschwankungen abzusichern."
Mit wieviel bürgt Deutschland nochmal im ESM (ca. 127 Milliarden Euro, wenn ich nicht irre...) ?
Und ist ein Zahlungsausfall der anderen Staaten und damit eine Fälligkeit der Deutschen Bürgschaften in Ihrer Sicht so unwahrscheinlich?
Besonderes Interesse meinerseits besteht weiterhin in der Demokratieferne und UNGESETZLICHKEIT (zumindest nach dem deutschen GG.) dieses Vertragswerkes. Oder wie sehen Sie eine Institution, die sich bereits mit Ihrer Gründung eine Immunität gegenüber sämtlichen, staatlichen Jurisdiktionen selbst verordnet?
Ebenfalls würde mich eine Stellungnahme Ihrerseits zur zurückgewiesenen Verfassungsbeschwerde der Wissenschaftler Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel, Karl Albrecht Schachtschneider, Wilhelm Nölling und des Managers Dieter Spethmann einerseits und des Politikers Peter Gauweiler andererseits, doch sehr interessieren.
Mit hochachtungsvollen Grüßen,
Ronny Hartwig.
Sehr geehrter Herr Hartwig,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Europa ist auch eine Solidargemeinschaft, von der Deutschland seit langem profitierte. Dies wird auch in Zukunft wieder der Fall sein, wenn wir uns dafür einsetzen, diesem Europa zu helfen und es zu erhalten. Wenn die Krise sich aber ausbreitet, wären die Abschreibungen deutscher Institute, die Verluste deutscher Unternehmen, der Einbruch an Wachstum für Deutschland verheerend. Es kann unserem Land, das 60 % seiner Wirtschaftsleistung im Außenhandel mit der EU erzielt, auf Dauer nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht. Darum ist der ESM im Grundsatz richtig.
Damit die deutschen Bürgschaften nicht fällig werden, fordert die SPD ein Programm für den industriellen Wiederaufbau in Europa und auch in Griechenland und anderen südeuropäischen Krisenstaaten. Dies ist kein Ersatz für eine Spar- und Reformpolitik, nein, ein solcher Aufbauplan ist eine zwingend notwendige Ergänzung und Voraussetzung, um den Erfolg von Spar- und Reformbemühungen überhaupt erst möglich zu machen.
Sie beklagen, dass der Gouverneursrat eine Immunität besitzt. Hier herrscht offenbar die Angst vor, dass man den ESM nicht für irgendwelche Fehlentscheidungen oder obskure Betrügereien verklagen kann. Diese Information ist falsch. Der ESM ist eine Institution, die im Notfall bestimmte Entscheidungen treffen muss, also z.B. wer Hilfe und zu welchen Konditionen bekommt. In so einem Fall muss es klare Entscheidungsstrukturen geben, um den Finanzmärkten die eigene Handlungsfähigkeit zu signalisieren. In Ausnahmesituationen muss man solchen Organen eine klare Entscheidungsbefugnis übertragen. Dazu gehört auch, dass man sie von unvernünftigen Klagen abschirmt. Die Immunität gilt aber ausdrücklich nicht für betrügerisches Handeln, falls dies tatsächlich stattfinden sollte.
Der Rat setzt sich aus den Finanzministern der Euro-Gruppe oder anderen für Finanzen zuständigen Mitgliedern der nationalen Regierungen zusammen und ist somit keine autonome Institution, die machen kann, was sie möchte. Außerdem hat Deutschland im Gouverneursrat anteilig die meisten Stimmen (27,1464%), weil es ja auch den größten Anteil am Grundkapital leistet. Deutschland hat damit gehörigen Einfluss innerhalb des Rates.
Die von Ihnen genannten Herren, die eine Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Finanzhilfen eingereicht haben, sind seit Jahren ausgewiesene Europagegner. Würde es nach Ihnen gehen, würde Europa heute wahrscheinlich noch immer im gegenseitigen Misstrauen des nationalstaatlichen Gegeneinanders verharren. Das kann jedoch nicht die Antwort auf Europas Probleme sein.
Mit freundlichem Gruß,
Johannes Kahrs